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Heft b


fand, bestärkten sie nur in ihrem Mißtrauen. Sollte sie etwa nur
deswegen hier im Schlosse bleiben, damit sie noch zur Hand war,
wenn das Abenteuer mit der Base aus Montevideo eine unbequeme
Wendung nahm? Dann würde es allerdings besser sein, noch heute
die Koffer zu packen.
Nach ruhiger Überlegung verwarf Ursula Kölsch diesen Gedanken.
Verriet sie mit einer jetzigen Abreise nicht zugleich ihre nicht ganz un-
eigennützigen Wünsche? Dstrch einen solchen Schritt bekannte sie ja
gleichsam, wie sie innerlich zu dem Major stand, und was sie erhoffte.
Und sie verwarf den Gedanken einer Flucht wieder als unrecht und
verkehrt. Sie hoffte, daß der Major doch noch selbst das Gespräch
auf das Testament bringen werde; dann klärte sich alles von selbst.
War es so, wie sie befürchtete, dann war immer noch Zeit, ihrerseits

Das hatte Eva ihr in harmloser Fröhlichkeit wieder erzählt. Das
Kind ahnte offenbar nichts von dem gefährlichen Feuer, mit dem sie
spielte. Uber den Sorgen um die Nichte vergaß Ursel Kölsch beinahe
die eigenen, und ihre Verstimmung schwand vollends, als der Major
in bester Laune von einem Morgenritt zurückkam.
„Sahen Sie mich, Fräulein Ursel?" fragte er. „Gefällt Ihnen
das Pferd? Was kann da ein guter Reiter für Gänge herausholen!
So 'n Galöppchen auf meilenlanger Schneise durch den blühenden
Wald verjüngt wie ein Jungbrunnen."
Er sah tatsächlich frisch und rosig aus, und es tat ihm sichtlich wohl,
als sie ihm eine Artigkeit sagte. Er bedauerte nur, daß sie das neue
Pferd nicht unter ihm gesehen hatte. Annemarie hatte nicht umsonst
seine Eitelkeit angestachelt; wenn man sich mit gewissen Plänen trug,

Phot. Voedeck.'r, Derlln-Friedenau.
Blick auf Riga. ^Nördlicher Kriegschauplatz.)


zu sprechen. Seinem Glück — auch wenn es nur ein abenteuerliches
war — wollte sie sich nicht in den Weg stellen.
Sobald sie sich zu diesem Entschluß durchgerungen hatte, ver-
siegten ihre Tränen. Sie stand auf und ging an die Arbeit. Wie
hatte sie nur überhaupt so lange an sich denken können! Viel not-
wendiger war es, einmal über Evas Lage ins klare zu kommen, denn
es konnte doch so nicht weiter gehen mit den häufigen Besuchen des
jungen Barons; das Mädchen mußte sich ja schließlich Gedanken
machen, zu denen sie kein Recht besaß.
Und auf einmal lachte Ursula Kölsch in sich hinein. War denn
das nicht eine getreue Wiederholung dessen, was sie selbst durch-
machte? Sie machte sich das Herz schwer wegen des Majors, und
dort ließ es sich der Neffe desselben Majors angelegen sein, unter dem
Deckmantel wissenschaftlicher Plaudereien ihrem Nichtchen den Kopf
zu verdrehen. Wie die Dinge lagen, durfte man es für Eva fast als
ein Glück betrachten, daß die Bedingungen des Testaments vorhanden
waren. Unverzeihlich aber fand sie es nur, daß Baron Hans-Albrecht
rückhaltlos erklärt hatte, er dächte nicht im Traum daran, sich durch
so abgeschmackte testamentarische Verfügungen aus seiner Ruhe auf-
scheuchen und in seinen Handlungen bestimmen zu lassen.

mußte man seine Umgebung vergessen machen, daß man von Rechts
wegen den ersten Lenz schon so lange hinter sich hatte, wie es bei
ihm der Fall war.
„Nun, Sie werden mich ja nun noch öfter reiten sehen," sagte er.
„In München kam ich nicht dazu, wie Sie ja wissen. So gibt es
vieles, was ich mir dort versagen mußte, und was hier auf keine
Widerstände stößt. Jin kleinen wie im großen." Und er hob sein Wein-
glas, nachdem er ihr gegenüber am Frühstückstisch Platz genommen
und sagte: „Auf daß Sie sich hier immer heimischer fühlen möchten!"
Ursel Kölsch wechselte die Farbe und verbarg mit Mühe ihre
freudige Erregung. Was war denn das nun wieder? War denn dies
Benehmen zusammenzureimen mit den Gedanken, die sie sich heute
gemacht hatte? Es war doch nicht zu glauben, daß der Major das Ver-
steckspiel so weit trieb. Nein, einer Schlechtigkeit war er nicht fähig.
„Sie sehen mich so erstaunt an," sagte er plötzlich. „Ist etwas
nicht in Ordnung?"
Ursula antwortete ausweichend; sie fand nicht den Mut, ihm die
Wahrheit zu gestehen. Statt dessen sprach sie die Bedenken aus, die
ihr wegen der auffallend häufigen Besuche des Barons Hans-Albrecht
im Schulhause gekommen seien.
 
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