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696

DasBuchfürAlle

Heft 26

maßungen in dieser Art hegen, so denken Sie vor allem daran, daß
eine der vornehmsten Pflichten Verschwiegenheit ist."
„Was das betrifft, Herr Recking, so können Sie sich auf mich
verlassen. Ich bin verschwiegen wie ein Grab."
„Recht so! And da vorn liegt ja schon der Dürerplatz. Wollen
Sie, bitte, hier auf mich warten."
Der Wagen hielt. Ralf Recking sah schon nach wenigen Schritten
eine schlanke Gestalt, und auch Fräulein Hempel hatte ihn bemerkt.
„Das war eine schöne Post," sagte sie, während ihr die freudige
Erregung vom Gesicht zu lesen war. „Sie fanden also eine sichere
Spur?"
Er nickte und war überrascht, wie ungemein vorteilhaft Fräulein
Hempel im Hellen Tageslicht aussah; gestern abend im Halbdunkel
war sie ihm älter vorgekommen. Sie schien das Beobachtende seiner
Blicke zu fühlen, und ein schnelles Rot flammte über ihre Wangen.
„Ja, die habe ich," antwortete er, im ftillen feststellend, daß das
Erröten sie entzückend kleide. „Der Anhaltspunkt, den mir die
kleine Freundin Ihres Vermißten gab, ließ mich schneller vorwärts-
kommen, als ich anfänglich hoffte."
„Der kleine, bunte Kram, den der Vater von Annemarie Ruck
mitbrachte?"
Ralf Recking nickte. „Dieser und Ihr Gänsekielchen. Haben
Sie das Bild, um das ich bat? Und unbemerkt mitgebracht?"
„Ja, hier ist es. Ich tue es unerlaubterweise, aber es geschieht
doch zum Besten von ..."
„Von Herrn Bahr," ergänzte er, sie von der Seite anblickend.
„Zum Besten der Sache. Sonst hätte ich nicht gewagt, die
Photographie fortzunehmen. Ich nahm sie aus einem Album.
Herr Bahr wird es doch nicht erfahren?"

„Nein. Wäre, das übrigens wirklich so schlimm? Herr Bahr-
macht nicht den Eindruck, ein Menschenfresser zu sein."
„O nein, er ist so gut!"
Wieder sah Ralf Recking, wie das schöne Mädchen rot wurde,
und seine Gedanken gingen in besonderer Richtung.
Fräulein Hempel sprach eifrig weiter: „Ich möchte nur alles
vermeiden, was ihm nicht recht ist. Und gerade das Bild seiner
verstorbenen Frau ... Ach, ich kann das nicht so erklären, wenn
Sie mir das nicht von selbst nachfühlen."
„Doch, doch! Aber ich mußte das Bild haben. Es soll bald
wieder an Ort und Stelle kommen." Er zog es aus der Umhüllung
und warf einen Blick darauf, wobei er mit Genugtuung bemerkte,
daß das Bild auf der Vorderseite den Namen „Eugenie", die Orts-
bezeichnung „Brüssel" und ein Datum trug. Es stellte Frau Eugenie
Bahr in einem ähnlichen Kleid vor, wie sie es auf den: im Salon
hängenden Gemälde trug. Die Gesichtszüge waren ansprechend;
auch auf diesem Bilde lächelte sie, und um die Augen flatterte ein
Zug, der, wenn man aufrichtig sein wollte, etwas leichtfertig an-
mutete. Allerdings durfte man nicht vergessen, daß diese Frau aus
Belgien stammte.
„Nur eine Minute," sagte Ralf Recking. „Ich habe meinem
Begleiter noch eine Anweisung zu geben. Ich folge Ihnen dann,
um mit Herrn Bahr zu sprechen."
„Das wird ihn sehr beruhigen. Sie können ja verstehen, wie
ihn diese Tage mitnehmen. Wenn Sie den herzigen, prächtigen Jörg
gekannt hätten, würden Sie es freilich noch besser verstehen."
„Sie haben ihn sehr gern?"
„Es ist ein Junge, den man liebhaben muß. Aber nun werde
ich vorausgehen. Auf Wiedersehen!" Fortsetzung folgt.)

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1- Lin gefährlicher Auftrag (S. 579). — Der Krieg im Hochgebirge, in
Höhen, die in Friedenszeiten das Ziel ehrgeiziger, wagehalsiger Sporttouristen
waren, stellt begreiflicherweise häufig Aufgaben an die fechtende Truppe, die
eine ungewöhnliche Körperkraft und alpine Gewandtheit neben Tollkühnheit
erfordern. An wackeren Leuten mit solchen Eigenschaften hat es der öster-
reichisch-ungarischen Armee nie gefehlt. Als es an der italienischen Gebirgs-
front galt, eine feindliche Feldwache auszuheben, die von einer fast unzugäng-
lichen, felsengeschützten Stelle aus die österreichisch-ungarischen Posten stark
belästigte, fand sich sofort ein Unteroffizier der Kaiserschützen bereit, den toll-
kühnen Auftrag auszuführen. Die Vernichtung der feindlichen Feldwache,
die überraschend erfolgen mußte, war nur möglich, indem ein nut Handgranaten
ausgerüsteter Mann in unauffälliger Weise an einem Seil die senkrechte Fels-
wand hinabgelassen wurde, bis er einen Stützpunkt fand, von dem aus er die
Italiener mit Handgranaten überfiel und vernichtete. Der Kaiserschütze, ein
hervorragend mutiger, kaltblütiger Mann, entledigte sich der schwierigen Auf-
gabe, die außergewöhnliche Nervenstärke erforderte, in erfolgreicher Weise.
Die gesamte italienische Feldwache fiel seinen Handgranaten zum Opfer, und
unversehrt konnte der Brave von seinen Kameraden wieder heraufgezogen
werden. Diese Episode gibt einen kleinen Begriff von den geradezu außer-
ordentlichen Schwierigkeiten des Hochgebirgskrieges, die sich ein dieser Gegenden
Unkundiger kaum vorstellen kann. Schwere Nebel, Regen und starke Schnee-
stürme sind hier noch an der Tagesordnung, während in der venezianischen
Ebene bereits trockenes, schönes Sommerwetter herrscht, das die Operationen
des Feindes begünstigt, die der österreichisch-ungarischen Truppen hemmt und
geradezu unmöglich macht. Gegen die entfesselten Elemente unterliegtMenschen-
kraft und Menschenwille; so ist auch die Aufgabe des südlichen Piave-Ufers
seitens der österreichisch-ungarischen Armee einzuschätzen.
/X Kaiser Maximilian bei Albrecht Dürer im Jahre 1518 (S. 582). — Eine
Szene aus dem Leben Dürers, zugleich ein bedeutsames Bild aus Nürnbergs
Blütezeit zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts führt der Künstler in diesem
Gemälde, einem wertvollen Stück des Nürnberger Museums, vor Augen.
Im hermelinverbrämten Mantel, geschmückt mit der Ordenskette vom Goldenen
Vlies, sitzt der Kaiser Maximilian I., der vielgefeierte Freund der Musen,
Meister Dürer, dessen feingeschnittenes Profil ihm zugewandt ist, zu einem
Bildnis. Auf seinem Schoß breitet er die Rolle aus, die ihm der gewichtige
Ratsherr und einflußreiche Humanist Wilibald Pirkheimer gereicht hat. Es
ist eine Skizze für die berühmte „Ehrenpforte Kaiser Maximilians", Dürers
größtes Holzschnittwerk, das auf zweiundneunzig Einzelblättern reich mit
geschichtlichen Darstellungen, Ornamenten und Porträten ausgestattet ist.
Über die Schulter des Malers betrachtet sich durch ein Augenglas der würdige
Lazarus Spengler, der Dichter geistlicher Lieder, die Umrisse des werdenden
Bildes. Ritter und Edelknaben sind zur Begleitung mitgekommen, und hinter
dem Stuhl des kaiserlichen Herrn schmunzelt das Schelmengesicht des geist-
reichen Schalks Kunz von der Rosen. Durchs geöffnete Oberfenster grüßen die
trutzigen Wehrtürme der Burg. — Den „letzten Ritter" hat man den sagen-

umwobenen Maximilian genannt, wegen seiner romantischen Neigungen,
seiner in Turnier wie Eber- und Bärenjagd, aber auch in manchem Kampf-
strauß seiner abenteuerlichen Feldzüge erwiesenen Kühnheit. Auch er selbst
gefiel sich darin, sich in Bild und Wort und mit prunkenden Festaufzügen
feiern zu lassen, sich im Glanz einer untergehenden Epoche zu spiegeln, während
er die aufgehende neue nicht verstand; kein Großer, kein Schöpfer bleibender
Werte! Der Maler aber, den seine Huld mit dem Besuch beehren will, der
aus der Werkstatt Meister Wohlgemuths hervorgegangen ist, dem ständig
der Mangel, Plackereien um unwürdig geringe Entlohnung das Leben schwer
machen, ist doch der Reichere, ist der, in dem noch heut das deutsche Volk einen
seiner größten Söhne, einen der wesensechtesten und tiefsten Verkünder deutscher
Art und Kunst verehrt. Man erzählte sich, daß der kaiserliche Besuch den zu
Boden gefallenen Pinsel aufgehoben und mit den Worten dem Maler zurück-
gegeben habe: „Aus einem adligen Herrn kann ich wohl einen Fürsten, aber aus
einein Bürger noch lange nicht einen Meister wie Dürer machen."
/x Zwergkönig Laurin (S. 586). — Eine der anmutigsten Spielmanns-
dichtungen des zwölften Jahrhunderts, die aus einer in Tirol heimischen Sage
hervorgegangen ist, trägt den Titel: Laurin oder Der kleine Rosengarten. Ihr
vornehmlichster Held ist der ruhmreiche Dietrich von Bern, der Ostgotenkönig.
Mit seinen Recken, voran dem alten Waffenmeister Hildebrand, zieht er nach
Tirol, um dort Künhild von Steyer, die Schwester seines getreuen Dietleib,
des Königsohnes von Toledo, aus der Hand des Zwergenkönigs zu befreien,
der sie entführt hat und zur Ehe zwingen will. Trotz geheimnisvoller Kräfte,
eines Zaubergürtels und unsichtbar machender Tarnkappe, über die Laurin
verfügt, gelingt es Dietrich, ihn in dem im Rosengarten sich abspielenden Kampf
zu schlagen. Auf flehentliche Bitte hin ist der allzeit friedwillige Gotenkönig
im Bewußtsein seiner Stärke zur Versöhnung bereit und zieht, von dem heim-
tückischen Gegner getäuscht, in dessen unterirdisches Reich ein. Dort macht
ihn der Wortbrüchige durch Zaubertrank bewußtlos und setzt ihn und seine
Mannen im finsteren Höhlenkerker gefangen. Künhild befreit jedoch die Über-
listeten und weiß den Zauber zu brechen. Bald sind die Zwerge trotz zu Hilfe
eilender Riesen überwältigt, und Gluthauch strömt wie Butze aus dem Munde
des ergrimmten Dietrich. Wenig fehlt, daß er dem Besiegten den Todes-
streich gibt. Auf Fürbitten hin verzeiht er jedoch dem Gegner, nimmt ihn
aber als Gefangenen mit nach Verona, wo man den neuen Sieg des Helden-
königs feiert. Laurin läßt sich — so schließt die Dichtung — später taufen und
innerlich gewandelt zu ehrlicher Freundschaft bewegen. Auch in dieser Helden-
sage lebt ein Stück germanischer Mythologie. Dietrich hat die Züge des Donner-
gottes Thor, der gegen Zwerge und Riesen, die elementaren Naturmächte und
Zauberkräfte ankämpft. Künhild wird wie die Sonne im Winter in Finsternis
und Unsichtbarkeit entführt, aber befreit, und das Licht triumphiert. Wenn
die Felsenzinnen der Rosengartengruppe in Tirol erglühten im Abendrot,
dann sah die Phantasie der Alten himmelanragende Burgen, Türme und
Kapellen in ihnen und belebte sie nach germanischer Art mit kämpfenden
Recken und Helden, aber auch mit tückischen Gegnern, Zwergen und Riesen.
 
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