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620

DasVuchfürAlie

Heft 26


„Ja, das stimmt leider alles," be-
stätigte der Reeder. „Von einem un-
serer Inspektoren, der die ,Thetis^ hin-
ausgeleiten sollte, wurde ja auch nichts
wiedergefunden. Und ebensowenig von
den Arbeitern, die den Unglückswagen
samt der furchtbaren Sprengmasse be-
dienten, die wir für Amerika bestimmt
glaubten."
„Bis der Gedanke auftauchte, daß
es ein Schurke auf einen Versicherungs-
betrug abgelegt habe! Nun, wir haben
uns seitdem auch daran gewöhnen
müssen, daß unsere Vermutungen sich
durch nichts beweisen ließen. Denn
Sie wissen wohl," wandte sich der Be-
amte an Ralf Recking, „daß sich nicht
einmal das explodierte Gefäß, das ge-
rade auf dem Kai verladen wurde, hin-
sichtlich der Art seines deklarierten In-
halts oder seines Besitzers hat feststellen
lassen."
„Allerdings," bestätigte der Deutsche,
„weil eine ganze Reihe von Kisten und
Gefäßen vernichtet wurde. Den Schur-
ken begünstigte eben das Glück."
„Und wenn es sich nun doch anders
verhalten haben sollte? Man sträubt
sich geradezu, anzunehmen, daß ein
einzelner einen so teuflischen Plan aus-
zuhecken fähig war. Wenn es sich nur
um einen Leichtsinnigen gehandelt hat,
der tatsächlich den Sprengstoff, der viel-
leicht zu technischen Zwecken gebraucht
wurde, unter falscher Deklaration auf

phot. Berl. Illustrations-Gesellsch. m. b. H./ Berlin.


Der neue österreichische Ministerpräsident
Freiherr Hussarek v. Heinlein.

das Passagierschiff eingeschmuggelt hat?
So mußte es sich meiner Meinung nach
verhalten haben und damit scheidet die
Frage nach dem Verbrecher aus."
„Es tut mir sehr leid," sagte Ralf
Recking, „diese Meinung nicht teilen zu
können."
„Wie? Sie wollen doch wohl nicht
sagen. . .? Sie kamen doch nicht zu
uns, Herr Recking, um .. ."
„Ich kam lediglich zu Ihnen, um zu
lückenloser Prüfung aller Dokumente die
beiden Policen kennenzulernen. Weiter
möchte ich Ihnen für heute nichts sagen.
Was ich feststellen wollte, habe ich erreicht.
Die Unterschriften der Policeninhaber
stimmen mit zwei anderen Unterschrif-
ten, die ich aus Berlin mitbrachte,
überein. Mit einer Unterschrift aus
einem Wechsel und mit einer Unter-
schrift auf einer Fremdenanmeldung.
Diese Übereinstimmung ist mir außer-
ordentlich wertvoll. Und nun danke ich
Ihnen, mein Herr!"
Der Beamte geleitete die Herren
mit erschrockenem Gesicht bis an die
Treppe.
„Furchtbar! Gar nicht auszudenken!"
sagte Mijnheer van Jercken. „Was nun?
Was nun?"
Ralf Recking erwiderte ruhig und
bestimmt: „Nun wird die Justiz binnen
kürzester Zeit in der Lage sein, ihr
schweres Amt zu erfüllen. Meine Be-
weiskette ist geschlossen." «Fortsetzung folgt.)


Kus dem dunkelsten Asien: Line mongolische Geisterbewillkommnung
(S. 612—613). — Die merkwürdige Erscheinung, daß die Annahme einer neuen
Religion den ganzen Volkscharakter grundlegend geändert hat, findet sich bei
den Mongolen. Im dreizehnten und Vierzehnteil Jahrhundert eine der kriege-
rischsteil Nationen der Welt, die einen Dschengis-Khan und einen Timur an
der Spitze von Heeren sahen, die aus der Tiefe Asiens bis nach Ungarn, ja bis
nach Schlesien vordrangen, wurden die Mongolen ein friedfertiges Volk, als
der Lamaismus, jene tibetische Abart des Buddhismus, bei ihnen Eingang
fand. Russeil, Türken, Perser und Chinesen wurden ihre Herren. Der Lamais-
mus glaubt an eine große Zahl von Wiedergeburten, die der Mensch durch-
macheil muß, ehe er die nächste Stufe an Buddha erreicht; dieser selbst
findet in dem Dalai-Lama zu Lhasa fortlaufend seine Fleischwerdung.
Neben ihm gibt es eine Unzahl von Gottheiten und Geistern, deren Beschwö-
rung die Aufgabe der zahllosen Lamapriester ist. Jeder Berg, jeder Paß,
jedes Haus hat seinen eigenen Geist, dem ein Heiligtum in Gestalt voll rohen
Steinhaufen, großen Steinwürfeln und so weiter bereitet wird. Ist ein solches
Obo neu errichtet, so findet eine eigenartige Feier statt zur Bewillkommnung
des einziehenden Geistes. Eine solche Szene im Gebiet der Uriankhais stellt
unser Bild dar. Vor dem aus Balken gefügten Heiligtum ist das Festzelt er-
richtet, in dem eine doppelte Reihe von Lamas hockt, die zu dein Gebet des
Oberlamas eine furchtbare Musik machen, wobei zwei etwa fünf Meter lange
Hörner eine besondere Rolle spielen. Im Vordergrund befinden sich auf
Schüsseln die zum Festmahl bestimmten Speisen. Ist die Beschwörungs-
zeremonie vorüber, dann werfen sich alle Anwesenden vor dem Obo nieder,
in dem nun nach ihrer Meinung der Geist eingezogen ist, und murmeln un-
zählige Male die Gebetsformel „0m inani p-vckmo bum! — O du Kleinod
im Lotos, Amen!" Millionenfach findet sich diese Formel in Tibet; sie ist auf-
gemalt auf Papier und Lumpenstreifen, die zu Huuderten ein solches Obo um-
flattern; millionenfach prangt sie auf den Papier- und Zeugstreifen der Gebets-
mühlen, deren Abrollen die Götter günstig stimmen soll. Der Gottesdienst in den
Lamaklöstern geht stets unter Trompeten-, Glocken-, Trommel- und Hörner-
klang vor sich, der ununterbrochen aus dem Tempel klingt, untermischt nut den
einförmigen Litaneien der Mönche — ein „Heidenlärm" für unsere Begriffe.
Zersprengung eines französischen Navallerieangrisfs (S. 617). Mit
freimütiger Offenheit hat General Ludendorff Anfang August Kriegsbericht-
erstattern gegenüber in bezug auf die Offensive in der zweiten Julihälfte 1918
zugegeben: „Diesmal ist unser strategischer Angriffsplan mißglückt. Er blieb
auf einen taktischen Erfolg beschränkt. Ain 19. Juli mittags wareu wir schon

wieder völlig Herren der Lage und werden es weiter bleiben. Die Schlacht
muß den feindlichen Plan eines entscheidenden Erfolges vereiteln und ihn
nutzlos große Opfer kosten. Dieses Ziel müssen wir mit möglichst geringen
eigenen Opfern zu erreichen trachten. Sie können getrost zu Hause sagen,
daß das auch der Fall ist." Er hat nicht zu viel versprochen. So mußten schon
an dein gleichen Tag die Franzosen, die in dichten Marschkolonnen über Mery
in der Richtung Germigny—Jauvry auf Gueur zu dem deutschen Rückzug
folgten, erfahren, daß die Taktik Ludendorffs in der Tat imstande war, ihre
Hoffnung, in einem vernichtenden Schlag einen entscheidenden Erfolg zu er-
zwingen, zu vereiteln, und daß ihre blutigen Verluste, die sie sich den Angriff
kosten ließen, in keinem Verhältnis zu dem Geländegewinu standen. — Fran-
zösische Kavallerie, die östlich Gueur in scharfer Attacke vorbrach, wurde von
dem zusammengefaßten Vernichtungsfeuer der deutscheu Artillerie in alle
Winde zerstreut — ein teurer Einsatz nutzlos aufgerieben. Ebenso kam der An-
griff auf dem linkeu Flügel bei Germigny zum Stehen; am Abend war der
Gegner zur Umkehr gezwungen, die tapfere deutsche Nachhut hatte den muster-
gültig sich vollziehenden Rückzug gedeckt und vor ernsteren Störungen ge-
schützt. So endeten auch in den folgenden Tagen die Versuche, die Rücknahme
der deutschen Truppen aus der gefahrbedrohten Sackstellung südwestlich der
Linie Soissons—Reims zu vereiteln, unter schwersten Verlusten und Schwä-
chung der Kampfkraft auf feiten des Verfolgers. Dagegen mußte der Militär-
kritiker der „Morning Post" zugeben: „Die deutschen Verluste sind überraschend
gering." Havas meldete aus Paris: „Eine Reihe großer Brände in den Dörfern
und auf den Rückzugstationen ist entstanden. Die Deutschen nehmen ihre
Telephon- und Telegraphenleitungen und die Eisenbahnen in die neue Front
zurück." Ludendorff sagte in dem vorher erwähnten Gespräch: „Aufgegebenes
Gelände überlassen wir dem Feind planmäßig. Wenn wir auf dein Heimat-
boden kämpften, so wäre es natürlich schmerzlich, ein Dorf zu verlieren. So
sind aber Geländegewinn und Marne nur Schlagworte." — Und wie sieht
das Land aus, das der Franzose mit so hohen Opfern zurückgewann? Durch
den sehr schnellen Vormarsch fast unzerstört in deutschen Besitz gekommen,
ist es jetzt eine öde Wüste. Der rücksichtslosen fanatischen Truppenverschwen-
dung General Fachs nach den: Beispiel von Joffre und Nivelle wie Haig und
Brussilow stehen die überlegene Einsicht und Selbstbeherrschung Ludendorffs
gegenüber, die in seinen Worten bei der Unterredung am 2. August zum Aus-
druck kamen: „Es ist immer unser Bestreben, ein Unternehmen einzustellen,
sobald der Einsatz die Opfer nicht lohnt. Ich halte es für eine meiner vor-
nehmsten Pflichten, das Blut und auch die Kraft der Soldaten zu sparen."
 
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