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Die Motte und ihre Bekämpfung.
Von Franz Wichmann.
s ist nicht die geflügelte Motte, die unsere Webwaren, Pelze,
Tapeten zerstört, sondern ihre Nachkommen sind es, die maden-
artigen Raupen. Die Motte selbst verfügt nur über einen zum
Saugen bestimmten Rollrüssel, mit dem sie aber, wie alle Schmetter-
linge, nur ganz geringfügige Nahrung zu sich nimmt. Wir haben
es bei der Hausmotte übrigens mit drn verschiedenen Arten zu
tun: der Kleidermotte, der Pelzmotte und der Tapetenmotte. Letz-
tere zerstört nicht nur die Wandbekleidung, sie greift auch die Federn
ausgestopfter Vögel an, und die Löcher, die man so häufig in dem
Tuchbeschlag älterer Kutschen trifft, sind gleichfalls ihr Werk, wes-
halb sie auch Kutschermotte heißt.
Nach warmen Wintern treten die Motten früh und zahlreich auf,
lassen sich aber bei Tage nur selten sehen. Da
sitzen sie an ruhigen, dunklen, vor Zugluft ge-
schützten Plätzen, die sie aber schnell verlassen,
sobald sie gestört werden; erst am Abend be-
ginnen sie auszuschwärmen. Um die Juliwende
ist der Höhepunkt der Flugzeit, worauf die Tiere
an die Eiablage gehen und sterben. Will man
die Schädlinge in dieser Zeit bekämpfen, so bringe
man ein Nachtlicht schwimmend in ein Glas und
stelle dieses so in eine wassergefüllte Schüssel,
daß Flamme und Wasserspiegel sich in gleicher
Höhe befinden. Läßt man das Licht die ganze
Nacht hindurch brennen, so findet man am
Morgen mit ziemlicher Sicherheit die gesamte
Mottengesellschaft, die im Zimmer umherflat-
terte, um Brutplätze für ihre Eier zu suchen,
ertrunken vor.
Als Made übertrifft die gefräßige Motte die
ihr sonst sehr ähnliche Fruchtmotte. Leinwand
ausgenommen, zerstört sie alles Erreichbare:
Kleidungsstücke, Möbelpolsterungen, Vorhänge,
Pelze und Tuchstoffe. Die Stellen, an denen
sie hauste, sind leicht kenntlich: große, kreisrunde
Löcher wechseln mit kahlen Flecken, alles ist zer-
fasert, viele Stellen erscheinen wie mit schimmel-
artigem Staub bedeckt, in dem sich kleine bröse-
lige Körner, die Abgänge der Raupen, sowie
winzige, silzartige Gebilde, ihre Wohnungen, be-
finden.
Schon nach zwölf Tagen kriecht die Raupe
aus dem Ei, die selbst aber ein Jahr bis zu
ihrer Entwicklung zum kurzlebigen Schmetterling
braucht. Betrachten wir die futteralartige Wohnung der Raupe
genauer, so entdecken wir an einer der offenen Seiten den schwarzen
Kopf der im übriger: weißen Made.
Gleich nach dem Auskriechen beginnt die Made mit dem Hausbau.
Zunächst wird nun aus eigenem Material eine dünne Decke gefertigt,
darauf geht es an das Zernagen der Stelle, auf der sich die Brutstätte
befand. Die abgenagten Fasern werden durch den von dcr Raupe
erzeugten Klebstoff verbunden; entstand auf diese Weise eine feste
Masse, so formt die Made daraus ein halbseidenes Häuschen, das sie
bei Gefahr verlassen kann. Findet sie diese Hülle zerstört, so macht sie
sich unverdrossen an der: Bau einer neuen. Aber auch ohne solche
Zwischenfälle geht die Arbeit nicht aus, denn um gleichen Schritt
mit ihrem Wachstum zu halten, muß die Raupe von Zeit zu Zeit
ihre Wohnung immer wieder vergrößern. Die Made schneidet dann
eine der Wände auf, spinnt einen erweiternden Streifen in die Lücke
und behandelt dann die andere Seite in gleicher Weise. Da die
Grundstoffe zu diesem Flickwerk oft aus farbigem Stoffe stammen,
so erklärt sich hierdurch das buntfarbige Aussehen der Madenhäuschen.
Sobald die Zeit der Verpuppung naht, verschließt sie das Haus mit
einem dichten seidenartigen Gewebe. Nachdem die Made in: Winter
mehr oder weniger erstarrt war, findet die Verpuppung im Früh-
jahr statt, und im Laufe des Sommers geht dann aus der Raupen¬

puppe das kleine graue, so unbeliebte Flatterwesen hervor, an dem
die Hausfrau, wo sie es vermag, die Sünden seiner Vergangenheit
durch Vernichtung zu rächen sucht. Wie groß diese sein konnten,
wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die Made, um ihren Hunger
zu stillen und an ihrer Schutzhülle zu bauen, ein ganzes Jahr lang
nagte und zerstörte.
Die fliegenden Motten tötet man durch Erschlagen oder mit Hilfe
der schon erwähnten Lichtfalle. Ihre Brutstätten sind in Stoffen
und Möbeln meist so versteckt, daß man sie häufig nur durch Zufall
entdeckt. Oft wurde alles danach abgesucht, aber das Klavier wurde
vergessen. Auch dahinein schlüpft die Motte mit angelegten Flügeln
durch die kleinste Ritze und setzt mit Vorliebe ihre Eier auf den mit
Filz bezogenen Hämmerchen oder dem Wollbelag der Klaviatur ab.
Ebenso dienen ihr ältere, in offenen Gestellen aufbewahrte Bücher
als Nistplätze, während sie vor frischer Druckerschwärze gleich großen
Abscheu wie vor Leinwand hat. Neue Tageszeitungen und Leinen-
tücher dürfen demnach als Schutzmittel gelten
und sollten auch bei anderen Abwehrmaßnahmen
überall mitverwendet werden. Hat jemand ge-
nügend Leinen zur Verfügung, so braucht er
nur die zu schützenden Stücke fest damit zu um-
wickeln, um vor Mottenschaden gesichert zu sein.
Natürlich wird dieses Abwehrmittel nur selten
angewendet werden können, und man muß des-
halb an andere Hilfsmittel denken. Man greift
nach Kampfer, Seifenwurzel, Karbol, Thymol,
Naphthalin, Spanischem Pfeffer, Nußblättern,
Waldmeister, Terpentin, Brennspiritus, Nelken,
Lorbeer, Insektenpulver, Steinklee und blühen-
dem Hanf, alles Substanzen von scharfem Ge-
ruch, die den Schädling und seine Brut wohl
abschrecken, aber nicht töten. Sehr gut wirkt das
Ebnersche Mottenvertilgungsmittel. Schwefel-
äther und Benzin, die sich aber nicht überall
verwenden lassen, wirken tödlich; so bleibt in
der Hauptsache nur übrig, die Räume gut zu
lüften und Kleider und Stoffe auszuklopfen und
danach fest mit frischem Zeitungspapier zu ver-
packen.
Das muß gegen Ende des Som-
mers geschehen, sobald man sicher sein
darf, daß die letzte Motte ihre Eier abgelegt
hat. Mit den zuvor aufgezählten Chemikalien
und Pflanzen läßt sich höchstens zu Beginn des
Frühjahrs erreichen, der schwärmenden Motte
die zu schützenden Sachen als Brutstätten zu ver-
leiden.
Findet man diese bereits belegt, so hilft nur
entschiedenes Vorgehen. Trockene Hitze bis zu fünfzig Grad Celsius
zerstört nicht nur die Raupen, sondern auch die noch in den Eiern
steckende Brut, da sie das Eiweiß gerinnen macht. In so stark ge-
heizten Zimmern muß man Türen und Fenster so fest als möglich
verschließen. Man kann auch Zimmer und Schränke, in denen
Motten sich eingenistet haben, ausschwefeln, indem man alles fest
abdichtet und Schwefelfäden in irdenen Gesäßen verbrennt. Gute
Wirkung erzielt man ferner durch Verbrennen von persischem Insekten-
pulver, dessen Dämpfen die Gegenstände ausgesetzt werden. Aus
Federbetten ist die Motte nur sehr schwer zu vertreiben; hier hilft
allein chemische Reinigung.
Will man Pelzwaren sicher vor Motten schützen, so bewahrt man sie
an: besten in großen Behältern aus Zinkblech, die mit einem Deckel
versehen sind, auf. Versprengt man außerdem noch Benzin, streut
Kampfer und weißen Pfeffer aus und verschließt dann den Deckel
besonders fest durch Umkleidung mit Zeitungspapier, so ist es aus-
geschlossen, daß Motten eindringen; im Winter, wenn sie verschwunden
sind, kann man den Behälter ruhig öffnen. Für Wollsachen genügt
frisch bedrucktes Zeitungspapier, doch muß, da der Geruch der Drucker-
schwärze sich rasch verliert, die Umhüllung monatlich erneuert werden.
Vor jeder derartigen Verpackung aber ist Lüften und starkes Aus-
klopfen unbedingt geboten. Vor frischer Lust flüchtet die Motte noch


Kleidermotte. Vergrößert.
A Motte. 6 Gespinströhre der Raupe mit
anhängenden Zeugfetzen. L Raupe.
 
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