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Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste — 5.1759

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I. Erinnerungen über die Betrachtung der Werke der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.66503#0012
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4 Erinnerung über die Betrachtung
Schönheiten in einem einzigen Drucke sind wie ein
Bild in einem Worte beymHomerus; nur der kann
sie finden, welcher^fie kennet. Glaube gewiß, daß der
alten Künstler st> wie ihrer Weisen Absicht war, mit
wenigem viel anzudeuten: Daher lieget der Verstand
der Alten tief in ihren Werken; in der neuern Welt
ist es mehrentheils wie bey verarmten Krämern, die
alle ihre Waare ausstellen. Homerus giebt ein hö-
heres Bild, wenn alle Götter sich von ihrem Sitze
erheben, da Apollo unter ihnen erscheinet, als Calli-
machus mit seinem ganzen Gesänge voller Gelehrsam-
keit. Ist ein Vorurtheil nützlich, so ist es die Über-
zeugung von dem, was ich sage; mit derselben nähere
dich zu den Werken des Alterthums, in Hoffnung
viel zu finden, so wirst du viel suchen. Aber du
mußt dieselbe mit großer Ruhe betrachten; denn das
viele im wenigen und die stille Einfalt wird dich sonst
ünerbauet lassen, wie die eilfertige Lesung des un-
geschmückten großen Xenophon.
Gegen das eigene Denken setze ich das Nachma-
chen , nicht die Nachahmung: unter jenem verstehe
ich die knechtische Folge; in dieser aber kann das
Nachgeahmete, wenn es mit Vernunft geführet wird,
gleichsam eine andere Natur annehmen und etwas ei-
genes werden. Domenichino, der Mahler der Zärt-
lichkeit, hat die Köpfe des so genannten Alexanders
zu Florenz und der Niobe zu Rom zu Mustern ge-
wählt: sie sind in seinen Figuren zu erkennen,
(Alexander im Johannes zu St. Andrea Della Valle
in Rom, und Niobe in dem Gemählde des Tesoro zu
St. Gennaro in Neapel) aber doch sind sie nicht eben
dieselben. AufSteinen und Münzen findet man sehr
viele


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