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Bilz, Friedrich Eduard
Das neue Naturheilverfahren: Lehr- und Nachschlagebuch der naturgemäßen Heilweise und Gesundheitspflege — Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.38053#1284
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Kadfahren. ; 121

vorauszuhaben, daß es noch mehr zur Steigerung der eigenen Leiſtungs-
fähigkeit anreizt, weil es mit deren Zunahme immer mehr und abwechſeln-
deren Genuß bietet. Die weitaus größte Zahl der Radfahrer ſtellen die
Städte. Stadtbewohner ſind auch die Leute, die eine auffriſchende Bewegung
und „heilſame“ Zerſtreuung in friſcher Luft am allernötigſten brauchen.
Wir leiden, vor allem in den größeren Städten, alle mehr oder weniger an
einer heimlich ſchleichenden Krankheit, nennen wir ſie kurz den „Lufthunger“.
Dieſe iſt es, die die große Menge, ſobald ſie dazu die nötige Muße findet,
hinaustreibt qus der Mauern bedrückender Enge in Gottes herrliche Natur.
— Die Stadtbewohner leiden ganz beſonders an dem Übelſtande, ihre
Körperkräfte im ganzen zu wenig oder doch nur einſeitig auszunutzen.

Aus dieſem ergiebt ſich alſo, daß eigentlich jeder halbwegs Geſunde,
vorzüglich der Städtebewohner, die Frage „Soll ich radfahren?“ mit Ja!
beantworten müßte. Der Radſport ſtillt am bequemſten den Lufthunger,
weil er ſeine Anhänger leichter in wirklich friſche Luft führt, weit ſicherer
als ein gewöhnlich doch nur kurzer Spaziergang „vor das Thor“. Damit
hat es nämlich folgende Bewandtnis: die Atmoſphäre der Städte iſt nicht
nur durch Ausdünſtungen aller Art in den Häuſern und ſelbſt den Straßen 2C.
verſchlechtert, ſondern — bei großen Städten — auch noch bis auf ein paar
Kilometer über ihren Umfang hinaus, vorzüglich in der Richtung des eben
herrſchenden Windes. Da tritt nun das Rad ein. Bequem und billig
trägt es ſeinen Reiter aus dem verpeſteten Dunſtkreiſe hinaus, dort draußen
„entgiftet“ er ſich weit mehr als der, der gemächlich in die nächſte Dorf-
ſchenke wandert, weit mehr überhaupt als der Wanderer, weil die, wenn auch
oft nur mäßige Anſtrengung des Radfahrens ihn zu tieferen, ergiebigeren
Atemzügen nötigt. Der Radler fliegt hinaus, wann und wohin es ihm
beliebt, und wenn er auch nicht weiter gelangte wie einer jener „Aller-
wenigſten“, ſo hat er auf ſeiner Spazierfahrt doch die doppelte Menge „Luft
geſchlucktü und die „Luft“ iſt es ja, die Ausflügler fuchen.

Daneben kommt nun aber auch die ſo wohlthätige Körperbewegung
in Betracht. Wer tagsüber eine ſogenannte ſitzende Beſchäftigung Hhat,
beanſprucht die Körperkräfte meiſt nur einſeitig oder — wenn er etwa nur
zeichnet, ſchreibt, rechnet u. ſ. w. ſo gut wie gar nicht. Die unabwendbare
Jolge hiervon iſt eine Ahnahme der körperlichen Leiſtungsfähigkeit, und wenn
man auch gexade kein Simſon zu ſein braucht, um zu leben, ſo iſt's doch
mindeſtens nicht angenehm, vorzeitig zu den Schwaͤchlingen geworfen zu
werden Unſex Körper, d. h. hier deſſen Muskelſyſtem, verlangt Übung
um ſich zu erhalten und durch regen Stoffwechſel noch mehr auszubilden.
Ihne Koͤrperanſtrengung (und ohne vielen Genuß friſcher Luft) bleiben die
Stoffe, die durch die Funktion der Organe zur Ausſcheidung vorbereitet
werden, das ſind die ſogen. Mauſerſtoffe des Bluts, zum Teil — wenigſtens
leicht und bei phlegmatiſchen Naturen — in einem Stadium halber Rück-
bildung, ſammeln ſich im Blute, ſoviel ſie ſich darin noch löſen können, an
und werden bei Überſchreitung der Löslichkeitsgrenze da und dort im Körper
abgelagert, vor allem, wenn das Blut der betr. Perſon durch fleißige
Fambrinusopfer, durch viele Süßigkeiten oder ſaure Speiſen in Hemifchem
Sinne ſelbſt ſauer iſt — und das wird es durch die genannten Speiſen
und Getränke und durch Mangel an Bewegung im Freien. In dieſer Weiſe

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