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Bilz, Friedrich Eduard
Das neue Naturheilverfahren: Lehr- und Nachschlagebuch der naturgemäßen Heilweise und Gesundheitspflege — Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.38053#1439
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1368 Syphiliz. (Wirkung des Queckſilbers)

und Zungenſchleimhaut an und überzieht ſich mit einem grauen Belage.
Die Zähne drücken ſich in den geſchwollenen Teilen ab und an den Stellen
des ſtärkſten Druckes erſcheinen bald rundliche Geſchwüre mit grauem
Grunde und leicht blutenden Rändern.

Der Genuß jeder Speiſe wird durch dieſe Geſchwüre, welche große
Neigung zum Ausbreiten haben, ſehr erſchwert, weil alles, was mit der
Schleinhaut in Berührung kommt, dem Kranken heftiges Brennen verurſacht.
Das Allgemeinbefinden leidet erheblich, das Geſicht iſt blaß, der
Puls klein, der Schlaf unruhig, nicht erquickend. Bei weiterer Einwirkung
des Queckſilbers werden die Zähne locker und fallen aus, die Nekroſe
(brandiger Zerfall) der Schleimhaut greift tiefer, es kann ſich Nekroſe der
Kieferränder und Zahnfächer entwickeln, ſo daß ſelbſt nach etwaiger Heilung
bedeutende Entſtellungen zurückbleiben. Verwachſungen der — mit
den Zahnfleiſchrändern oder auch der Zunge mit dem Unterzungengrund hat
man nicht ſelten beobachtet.

; In anderen Fällen entwickelt ſich (bisweilen ohne vorheriges Auftreten

von Speichelfluß 2C.) ein akut verlaufender Zuſtand, den man als „Krethis-
mus mercurialis“ bezeichnet; relativ am häufigſten wird er da beobachtet,
wo große Mengen Queckſilber in verhältnismäßig kurzer Zeit reſorbiert (auf-
geſogen worden ſind. Die Kranken werden matt, blaß und abgemagert;
Kopfweh, oft in hohem Grade, Schwindel, Ohrenſauſen beläſtigen ſie. Eine
eigentümliche pſychiſche (ſeeliſche) Reizbarkeit, wodurch das Gemüt verſtimmt,
der Kranke ärgerlich, für ſeine Umgebung ſchwer erträglich wird, iſt wahr-
nehmbar. Der Schlaf iſt geſtört, von unruhigen Träumen unterbrochen;
die Abnahme des Appetits, der Widerwille gegen Fleiſchnahrung und gegen
den in geſunden Tagen unentbehrlichen Tabak, der anfangs unbedeutende,
aber bald charakteriſtiſche Geruch aus dem Munde deuten auf die Reſorption
(Aufſaugung) und Wirkung größerer Queckſilbermengen hin. Der Vex-
dauungskanaͤl nimmt an der Erkrankung in größerem oder geringerem Grade
teil: Erbrechen von Nahrungsmitteln, Galle, Schleim wechſelt mit Leibweh
und Diarrhöen; die Schleimabſonderung wird vermehrt und kannn bis zur
gelinden Salivation (Speichelfluß) gedeihen. Das Zahnfleiſch und die
Mundſchleimhaut ſind natürlich dann in Mitleidenſchaft gezogen. Der Puls
iſt ausnahmsweiſe verlangſamt, meiſt beſchleunigt, die Atmung bisweilen
erſchwert.

In vielen Fällen geht mit höher entwickeltem Erethismus der Trewor
moreurialis (durch Qucckfilber hervorgerufenes Zittern) Hand in Hand.
Dieſe durch das Queckſilber verurſachte Nervenertrankung entſteht meiſt all-
mählich, ſo daß man eine ſcharfe Grenze zwiſchen der Entwickelungsſtufe
des Erethismus und Tremor nicht zu ziehen vermag. Anfangs klagt der
Kranke über Ameiſenkriechen, Pelzigwerden und ähnliche Gefühlsſtörungen in
den Extremitäten; die Gelenke (beſonders des Daumens, Ellenbogens und
Knies) ſind ſchmerzhaft und können infolgedeſſen nur mangelhaft benützt
werden. Das eigentümliche Zittern beginnt unmerklich und zeigen ſich dann
die auffallendſten Erſcheinungen in dem Gebiete der willkürlichen
Muskeln; dieſelben werden in dem Laufe der Krankheit dem Willen voll-
ſtändig entzogen, ſo daß der Kranke bald nicht mehr imſtande iſt, feinere
Gegenftände (Gabel, Meſſer, Löffel) in der von ihm beabſichtigten Weiſe zu
 
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