Vegetarianer. Ein abſchreckendes Beiſpiel.) 1431
und taſtet damit eine durch Jahrtauſende ſanktionierte Gewohnheit an, die
einzige, welche ein bis nun noch nicht gelockertes Friedens- und Einheitsband
um die verſchiedenſten Parteien im Völkerwettkampfe, Liberale, Nationale,
Klerikale, Feudale u. ſ. w. ſchlingt. Sogleich mit mir darüber einig, daß
die von dieſex Rotte vertretene kulturfeindliche Auſchäuung auf das äuͤßerſte
bekämpft werden müſſe, ſah ich mich in den von ihnen verbreiteten Schriften
um, in der bald erreichten Abſicht, mir Waffen aus ihrem eigenen Lager
u holen. } D
* Wenn ich gleich im Eſſen nur Dilettant bin, ſo entnahm ich doch
bald, daß ſich dieſe Schriften Hüufig auf Gehieten bewegen in welchen
jedermann zum Mitreden berufen iſt, ſo auf dem der Philoſoßhie, der Kultuͤr—
geſchichte, des Humanismus u. ſ. w.
Da wird denn vor allem die Behauptung aufgeſtellt, daß wir es nicht
]9 gut auf der Welt hätten, als wir es haben könnten, daß Krankheit und
Tod, ſowie die Leidenſchaften der Menſchen uns mehr Unheil zufügen, alg
uns von der Natur zugedacht worden fet. Ich halte dieſe Anſicht nicht nur
für unrichtig, ſondern auch für verwerflich, denn ſie iſt geeignet/ Unzufrieden-
heit und Hypochondrje herhorzurufen. Es iſt wahr, daß ich nicht geſund
bin; es iſt quch wahr, daß ich faſt keinen ganz geſunden Menſchen kenne;
e8 ijt endlich auch wahr, daß die Verſtorbenenliſten uns fajt durchaus
Todesfälle infolge von Krankheiten und in nicht hohem Alter mitteilen.
Allein der wiſſenſchaftlich Gehildete weiß, daß wir durch ſtatiſtiſche Geſetze
regiert werden, denen man nicht beikommen kann; der vernünftig Denkende
wird ſich aber damit beruhigen, daß ja das, was andere trifft, nicht auch
ihn treffen muß.
Ich hätte daher Gleizos, Baltzer, Graham u. a. mit der vollen Be-
fuhigung aus der Hand gelegt, daß ihre Vorausſetzungen nicht geeignet
ſeien, Die gefeſteten Grundanſchauungen unſerer Zeit zu erfchüttern, wenn
nicht einzelne, ſich auffallend mehrende Fälle von fog. Bekehrungen zur vege-
tariſchen Lebensweiſe bewieſen hätten, daß ſelbſt das Abſurdeſte Bekenner
findet wenn man ihm nicht ſogleich auf das entſchiedenſte entgegentritt. Ich
beſchloß daher, das Verderbliche der Lehre durch ein Beiſpiel zu konſtatieren
und wählte mich ſelbſt als Objeft eines ſolchen Warum nicht? haben doch
ſchon viele opfermutige Männer der Wiſſenſchaft der Wahrheit zur Ehre an
ſich und andexen Ahnliches gethan durch Öperationserperimente, Injektionen
pon Eiften Einimpfen von Baͤkterien u. dergl. Alſo, ich beſchloß, mich ſo
lange der Fleiſchnahrung vollſtändig zu enthalten und vegetariſch zır leben,
bis die Folgen davon geeignet fein würden, andern zum abſchreckenden
Beiſpiele zu dienen. Meiner Abſicht kam es gut zu ſtatten, daß ich bruſt-
leidend bin, ein Leiden, deſſen Folgen, wie mir meine Arzte verſicherten,
nur durch eine ausgiebige Ernährung mittelſt reichlicher Fleiſchkoſt und
Hier(!) hintangehalten werden fönnen. Dazır kam ein durch kein angewen-
detes Mittel zu beſeitigender zweijähriger Rheumatismus im Arme, der bei-
trug, meine geſchwächten Kräfte zu verzehren und mir mu ir meiner
menſchenfreundlichen Abſicht ein hilfreicher Bundesgenoſſe zu werden ver-
ſprach. Daß ich dem mich behandelnden Arzte von meinem Selbſtmord-
Erſuche nichts mitteilte, iſt begreiflich. Al ich aber nach einem halben
Jahre ſtreng vegetariſcher Lebensweiſe ganz andere Reſultate wahrnahm, als.
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und taſtet damit eine durch Jahrtauſende ſanktionierte Gewohnheit an, die
einzige, welche ein bis nun noch nicht gelockertes Friedens- und Einheitsband
um die verſchiedenſten Parteien im Völkerwettkampfe, Liberale, Nationale,
Klerikale, Feudale u. ſ. w. ſchlingt. Sogleich mit mir darüber einig, daß
die von dieſex Rotte vertretene kulturfeindliche Auſchäuung auf das äuͤßerſte
bekämpft werden müſſe, ſah ich mich in den von ihnen verbreiteten Schriften
um, in der bald erreichten Abſicht, mir Waffen aus ihrem eigenen Lager
u holen. } D
* Wenn ich gleich im Eſſen nur Dilettant bin, ſo entnahm ich doch
bald, daß ſich dieſe Schriften Hüufig auf Gehieten bewegen in welchen
jedermann zum Mitreden berufen iſt, ſo auf dem der Philoſoßhie, der Kultuͤr—
geſchichte, des Humanismus u. ſ. w.
Da wird denn vor allem die Behauptung aufgeſtellt, daß wir es nicht
]9 gut auf der Welt hätten, als wir es haben könnten, daß Krankheit und
Tod, ſowie die Leidenſchaften der Menſchen uns mehr Unheil zufügen, alg
uns von der Natur zugedacht worden fet. Ich halte dieſe Anſicht nicht nur
für unrichtig, ſondern auch für verwerflich, denn ſie iſt geeignet/ Unzufrieden-
heit und Hypochondrje herhorzurufen. Es iſt wahr, daß ich nicht geſund
bin; es iſt quch wahr, daß ich faſt keinen ganz geſunden Menſchen kenne;
e8 ijt endlich auch wahr, daß die Verſtorbenenliſten uns fajt durchaus
Todesfälle infolge von Krankheiten und in nicht hohem Alter mitteilen.
Allein der wiſſenſchaftlich Gehildete weiß, daß wir durch ſtatiſtiſche Geſetze
regiert werden, denen man nicht beikommen kann; der vernünftig Denkende
wird ſich aber damit beruhigen, daß ja das, was andere trifft, nicht auch
ihn treffen muß.
Ich hätte daher Gleizos, Baltzer, Graham u. a. mit der vollen Be-
fuhigung aus der Hand gelegt, daß ihre Vorausſetzungen nicht geeignet
ſeien, Die gefeſteten Grundanſchauungen unſerer Zeit zu erfchüttern, wenn
nicht einzelne, ſich auffallend mehrende Fälle von fog. Bekehrungen zur vege-
tariſchen Lebensweiſe bewieſen hätten, daß ſelbſt das Abſurdeſte Bekenner
findet wenn man ihm nicht ſogleich auf das entſchiedenſte entgegentritt. Ich
beſchloß daher, das Verderbliche der Lehre durch ein Beiſpiel zu konſtatieren
und wählte mich ſelbſt als Objeft eines ſolchen Warum nicht? haben doch
ſchon viele opfermutige Männer der Wiſſenſchaft der Wahrheit zur Ehre an
ſich und andexen Ahnliches gethan durch Öperationserperimente, Injektionen
pon Eiften Einimpfen von Baͤkterien u. dergl. Alſo, ich beſchloß, mich ſo
lange der Fleiſchnahrung vollſtändig zu enthalten und vegetariſch zır leben,
bis die Folgen davon geeignet fein würden, andern zum abſchreckenden
Beiſpiele zu dienen. Meiner Abſicht kam es gut zu ſtatten, daß ich bruſt-
leidend bin, ein Leiden, deſſen Folgen, wie mir meine Arzte verſicherten,
nur durch eine ausgiebige Ernährung mittelſt reichlicher Fleiſchkoſt und
Hier(!) hintangehalten werden fönnen. Dazır kam ein durch kein angewen-
detes Mittel zu beſeitigender zweijähriger Rheumatismus im Arme, der bei-
trug, meine geſchwächten Kräfte zu verzehren und mir mu ir meiner
menſchenfreundlichen Abſicht ein hilfreicher Bundesgenoſſe zu werden ver-
ſprach. Daß ich dem mich behandelnden Arzte von meinem Selbſtmord-
Erſuche nichts mitteilte, iſt begreiflich. Al ich aber nach einem halben
Jahre ſtreng vegetariſcher Lebensweiſe ganz andere Reſultate wahrnahm, als.
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