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Kreis Erfurt.

den Charakter des Uebergangsstyles anzunehmen beginnen; auch der erste Bogen
des westlichen Flügels des Kreuzganges gehört in dieselbe Zeit.
Allmählich muss jedoch die Kirche dem wachsenden Raumbedürfnisse nicht
mehr genügt haben, so dass sich eine Erweiterung derselben nöthig machte.
Nur so erklärt es sich: dass, wie das Chrom Sampetr. p. 84 berichtet, am 111. Non.
(5.) Okt. 1253 von dem Bischöfe Theodoricus von Naumburg unter Assistenz
von drei Gehülfen, deren einer dem Cistercienser-, der zweite dem Minoriten-, der
dritte dem Deutschritterorden angehörte, eine Einweihung der Kirche vorgenommen
worden ist; denn wenn etwas Aussergewöhnliches sich ereignet hätte, wodurch
ein Neubau nöthig gemacht wäre, so würde dieses irgendwo erwähnt sein. DieVer-
grösserung bestand darin, dass an der Ostseite ein Chor, vielleicht nur in Form
einer Nische, hinzugefügt wurde, der etwa mit dem dritten Theile der Länge des
jetzigen Chors den Thürmen vorsprang (Böckner 1. c. S 175) und durch den
Zwischenbau mit dem Schiffe der Kirche in Verbindung stand.1 Damals muss
es auch geschehen sein, dass der Hügel auf dem die Kirche stand, und der den
zur Fundamentirung des Erweiterungsbaues erforderlichen Raum nicht mehr
darbot, in der Weise vergrössert worden ist, dass ihm aus mächtigen Steinen
gefügte Gewölbe vorgelegt wurden, die der Kirche eine Substruction zu gewähren
vermochten, und die wegen ihres höhlenartigen Ansehens den Namen Cavate
erhielten. (Böckner, 1. c. S. 175.) Denn wenn die Anlage der letzteren in der
Regel erst in die Jahre 1329 oder 1349 auch 1350 gesetzt wird, so trifft dies nur
auf dies Bauwerk in seinem letzten Zustande zu, schliesst aber nicht aus, dass
diesem ein anderes ähnliches, wenn auch minder grossartiges vorausgegangen
sei. Denn dass ein solches schon lange vor der angegebenen Zeit vorhanden
gewesen, ergiebt sich unwiderleglich daraus, dass Nicolaus von Bibra, der Occultus
Erfordiensis, in der 1283 verfassten dritten Definition seines Carmen satyricum
(v. 1506 der Ausgabe von Fischer in Th. I. der Geschichtsquellen der Provinz
Sachsen):
Est ibi caffata. praebens spectacula grata,
bei der Aufzählung von Merkwürdigkeiten von Erfurt die Cavate mit aufführt.
In die Zeit des erwähnten Erweiterungsbaues des Doms fällt wahrscheinlich
auch die Anlage der auf der Ostseite des Hügels, auf dem derselbe steht, hinauf-
führenden sog. breiten Stufen (gradus), von welchen der davor belegene Platz den
Namen: der Graden oder: vor dem Graden, erhielt. Wenigstens kann man
mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen, dass solche 1270 bereits vorhanden ge-
wesen sind. (Böckner 1. c. S. 170.)
Je mehr aber das Marienstift an Reichthum zunahm, und dem entsprechend
die Zahl der an ihm angestellten Geistlichen und Ministranten, welche beim Gottes-
dienste ihre Stelle im Chore einzunehmen hatten — sie hatte gegen Ende des
13. Jahrhunderts die Zahl von Hundert erreicht, wozu bei besonderen Gelegen-
heiten noch viele auswärtige Geistliche traten, — um so dringender stellte sich die
1 Dass bereits vor der Erbauung des jetzigen Chors die Kirche einen solchen besessen,
ergiebt namentlich eine Erzählung Hartung Kammermeisters (1. c. f. 69), wonach 1234 ein
Schüler „zu U. L. Frauen oben über dem Chore,“ der einen Fehltritt that, auf den Estrich,
„der mit den getäfelten Steinen gesetzt ist,“' hinabstürzte ohne Schaden zu nehmen, indem
er im Hinabfallen die Hilfe Marias angerufen hatte.
 
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