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Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0377
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Glockenscha u.

Das Gewerbe der Glockengiesser hat schon in einer sehr frühen 'Zeit in
Erfurt eine Stätte gefunden. Die Nicolauskirche soll eine Glocke welche die
Umchrift trug: Anno Dom. 1013 goss Tzegler i. h. S., besessen haben.
Dass dieselbe in Erfurt selbst gegossen sei, kann kaum einem Zweifel unterliegen,
da die Familie Ziegeler daselbst heimisch war und in jener Zeit häufig erwähnt wird,
selbst ein Glockengiesser, der ihr angehürte, Heinrich Ziegler, im Anfänge des
16. Jahrh. vorkommt. Im 13. Jahrli. war das gedachte Gewerbe hier ein sehr
blühendes, es wurde sogar ein förmlicher Glockenmarkt in Erfurt abgehalten
(Kirchhoff, Erfurt im 13. Jahrh. S. 59). In diese Periode (1250) fällt der erste
Guss einer grossen, mehr als 270 Ctnr. schweren Glocke für den Dom, welche
den Namen Gloriosa erhielt, der ihren Nachfolgerinnen geblieben ist. Nicht
lange vorher hatte das Peterskloster durch Meister Heidenreich oder Heinrich
aus Aachen drei Glocken, den grossen Andreas, den Paulus und den silberklar
tönenden Petrus giessen lassen. Als diese letztere im nächsten Jahre sprang,
versuchten die Mönche sich selbst mit dem Gusse und es gelang ihnen auch, nach-
dem das erste Mal die Glockenspeise in den Boden geflossen war, 1247 einen
befriedigenden Guss zustande zu bringen (ibid S. 99. Böckner, Peterskloster, I, S. 94).
Im 14. Jahrh. gehörte zu den bekanntesten Erfurter Glockengiessern Johannes
de Usleve civis Erfordie, der 1367 für die Oberkirche in Duderstadt den bei dem
Brande von 1852 vernichteten J>t. Cyriacus goss. (Jäger, Urkundenbuch von
Duderstadt, S. 89. Desselb. Duderstadt gegen das Ende des Mittelalters, S. 31, 32.
Mithoff, Kunstdenkmale im Hannöversehen, II, S. 27). Für das Peterskloster goss
1354 Theodoricus dictus de Jhoniz den Andreas (Böckner, 1. c. S. 95), für
das nämliche Gun terus de Erfurt die (jezt in Nottleben befindliche) Agathe. Da
derselbe 1351 eine Glocke für Görmar bei Mühlhausen gegossen hat, so lebte er
in der Mitte des 14. Jahrunderts.
In hoher Blüte war in Erfurt das Glockengiessergewerbe im 15. 16. und 17.
Jahrhundert, wo insbesondere die Glockengiesserfamilien Möhring, König und
Geyer eine grosse Thätigkeit entfalteten und nicht nur Erfurt selbst, sondern
auch viele benachbarte Orte, ja fast ganz Thüringen, mit Glocken versorgten.
Die Zahl der in Erfurt vorhandenen Kirchenglocken war früher sehr be-
deutend. Am Schlüsse des 17. Jahrh. betrug sie noch 120, gegenwärtig ist sie
auf 80 zurückgegangen; davon kommen 9 auf den Dom, 6 auf die Severikirche,
je 5 auf die Allerheiligen- und die Neuwerkskirche, je 4 auf die Schotten-, Kauf-
manns- und Reglerkirche, den Johannis- und den Bartholomäusthurm, je 3 auf
die Wigberti-, die Martini-, die Lorenz-, die Michaelis-, die Andreas-, die Thomas-,
die Hospitalkirche, den Pauls- und den Georgenthurm, je 2 auf die h. Brunnen-
kapelle, den Egidien- und den Nicolausthurm. Ganz ohne Glocken sind die
kleinen Thürme der Prediger-, Barfüsser- und Augustinerkirche.
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