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Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0169
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I. Kirchliche Gebäude. — B. Klosterkirchen.

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Das nördliche Seitenschiff hat auf seiner Langseite 16 Fenster, die durch-
schnittlich 10m hoch, 2 m breit sind, von denen aber vier, darunter die über den
Eingängen, eine geringere Höhe besitzen oder im unteren Theile vermauert sind.
Sie haben mannigfaches, hin und wieder nicht gut erhaltenes Masswerk. Das
südliche Seitenschiff enthält nur einen Eingang und 10 Fenster, weil hier früher
das Kloster angebaut war. Das Mittelschiff erhält noch besonderes Licht durch
die in den Aufsatzmauern befindlichen Fenster, die, viel kleiner als die der Seiten-
schiffe, gleichfalls spitzbogig, aber mit sehr einfachem Masswerke versehen sind.
Dergleichen finden sich 15 auf der nördlichen und 13 auf der südlichen Seite.
Wie schon das Yoran geführte ergiebt, besteht die Bedachung des Langhauses
aus drei Dächern, einem ziemlich spitzen Satteldach über dem Mittelschiffe und
zwei flacheren Pultdächern über den Seitenschiffen. Sie sind mit Ziegeln ein-
gedeckt.
Der frühere Kreuz gang lief mit seinem nördlichen Arme längs dem süd-
lichen Seiten schiffe, wie von diesem noch sichtbare Spuren darthun, der östliche
an dem Kapitelhause. Die beiden andern waren von den zum Aufenthalt der
Mönche dienenden Klosterräumen umschlossen. Dicht neben der Thür, die aus
der Kirche nach dem Kreuzgang führte, ist ein Sandsteinrelief mit Christus
und den 'schlafenden Jüngern am Oelberge, das in gothischer Minuskel die In-
schrift trägt:
Anno Domini 1484 per Johann Wydemann perfectum est hoc opus.1
Der Thurm liegt an der südöstlichen Ecke der Kirche zwischen dem südlichen
Seitenschiffe und dem Kapitelhause, so dass sein oberer Theil etwas von der Mauer
des Mittelschiffs absteht, mit dessen Dache aber durch einen freischwebenden Gang
verbunden ist. Sein Bau wurde 1447 durch den Meister Laurentius begonnen,
wie die nach der Seite des Klosterhofes zu sich findende Inschrift:
A. D. MCCCCXLYII incepta est structura hujus turris pr. ms. rm.
laurentium.
und eine in dem Knopf niedergelegte Urkunde ergeben. Er wurde, wie es scheint,
1448 vollendet.2 Er enthält fünf Stockwerke, die drei unteren quadratisch, die
beiden • oberen achteckig. Den Uebergang der einen Form in die andere bilden
dreieckige Schmiegen. Das unterste Geschoss erhält sein Licht durch ein spitz-
bogiges Fenster, die beiden folgenden durch kleine viereckige Oeffnungen. Das

1 Zinck, 1. c. S. 5, giebt 1282 als Jahrzahl au. Quehl, 1. c. S. 125, sagt: 1484 oder 1282.
Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass 1484 steht. — Der Grabstein des Joh. Wiede-
mann befindet sich in der Kirche im achten Joche des Mittelschiffes von Osten her, die
flache Reliefdarstellung eines Mannes in einfacher bürgerlicher Kleidung, einen Rosenkranz
mit beiden Händen haltend. Leider ist der Theil der Umschrift, in welchem das Sterbejahr
angegeben ist, durch, das Podium verdeckt. Am linken Fusse findet sich das Steinmetz-
zeichen, ein Kreuz, an das sich unten schräg ein Winkelmass anschliesst. — Das kleine
Schutzdach, welches sich über dem Relief mit dem Oelberge befindet, ist neuerdings auf
Kosten des um die Kirche vielfach verdienten Eisenbahndirektors Herrmann angefertigt.
2 Denn diese von Hartung Kammermeister (1. c. f. 121) angegebene Jahrzahl bezieht
sich sicher auf die Beendigung des Baues. Friese (1. c. I, S. 213) setzt den letzteren, jeden-
falls unrichtig, in das Jahr 1452.
 
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