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Bergner, Heinrich [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0160
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Naumburg. Dom. Bildwerke (Kleine Reliefs).

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in seiner zweideutigen Erscheinung wrie ein Heiligtum hütete. Die Möglichkeit,
daß er sich an seinem Lebensabend noch von Naumburg weg gewandt, ja viel-
leicht plötzlich in Zorn oder Zwietracht seine Arbeit verlassen .habe, wird durch
den seltenen Zug der Pietät abgeschnitten.

8. Der Täufer.

Über der Tür der sog. Mönchskapelle auf dem Domkirchhof, welche früher
unterhalb der Marienkirche beim Dom stand, ist ein Rundmedaillon mit dem
Brustbild Johannis des Täufers (Fig. 72) eingelassen, 48 cm im Durchmesser und
aus demselben Stein wie die Bildwrerke
des Doms, gleichfalls bisher nicht be-
achtet. Ein Blick auf den Kopf mit den
typischen Haarbüscheln, auf die schöne,
bewegliche Hand und die Faltenzüge ge-
nügt, um die Autorschaft unseres Meisters
festzustellen. Der Täufer hält in der
Linken, in den Bausch des Mantels ge-
stellt, eine große runde Scheibe, darauf
das halberhabene Lamm Gottes mit Nim-
bus und Kreuzfahne. Der rechte Arm
ist mit dem groß und klar gefalteten
Mantel erhoben, die Hand im Gelenk ge-
beugt, die Finger eingeknickt, nur der
Zeigefinger (leider abgebrochen) auf das

Lamm gerichtet. Der Kopf mit Nimbus,

. ttt -i i i , , Fig. 72. Der Täufer an der Johanniskapelle.

langem Welienhaar und ebensolchem zu- & 1

gespitzten Vollbart hat durch hoch-
gezogene Brauen und vorgeschobene Unterlippe einen strengen Ausdruck, wie
er dem Asketen und Bußprediger zukommt. Obwohl immer frei, ist das Werk
nur wenig verwittert, doch ein Arm des Kreuzes und zwei Beine des Lammes
abgebrochen.

Das Stück ist deshalb wichtig, weil es einen Ausblick aut ein anderes Arbeitsfeld und
vielleicht auf die Herkunft des Künstlers eröffnet. In der Johanniskapelle am Dom zu
Meißen steht eine Figur des Täufers, welche unserem Relief Zug für Zug gleicht, nur daß
die Hände im Gegensinne gearbeitet sind. Das Gesicht ist beidemal mit derselben Bildnis-
treue ausgeführt, welche wir ja auch hier in Naumburg, z. B. beim Gesicht Christi, zu ver-
folgen imstande sind. Am Fuß der Meißener Figur findet sich angeblich (?) die Jahreszahl 1291.
Von den übrigen Figuren dürfte der lächelnde Johannes der Evangelist noch eigenhändige Arbeit
des Naumburgers sein, vielleicht auch die Madonna mit dem Kind. Wesentlich auf Schüler-
hände wird der h. Donatus, verwandt mit unserem Hildeward, und das Kaiserpaar zurück-
gehen, letzteres eine freie Nachbildung von Hermann und Regelindis. Daß der Naum-
burger dieses Arbeitsfeld nur so nebenbei pflegte und es durch Empfehlung seines Gönners
Dietrichs II. an dessen Bruder Heinrich den Erlauchten gewonnen hatte, ist ohne
weiteres klar.

Unser Relief weist aber noch weiter zurück. Auch an der goldenen Pforte zu Freiberg
steht ein Täufer, dessen Haltung und Ausdruck mehr als zufällige Verwandtschaft bekundet.
Hier muß unser Künstler seine Vorbildung genossen haben. Und wenn er auch, frühzeitig
der Schule entwachsen, ihre anziehendsten Seiten, die Freude an glatter Schönheit und zier-

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