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Bock, Henning
Der decorated style: Untersuchungen zur englischen Kathedralarchitektur der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, N.F. 6: Heidelberg: Carl Winter, Universitätsverlag, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.57087#0121
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Ely

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wird von den hölzernen Gewölben überschnitten, weil die Größe der Fenster
von dem Außenaufriß des Oktogons bestimmt wird. Innerer Aufriß und Außen-
ansicht des Oktogons entsprechen einander nicht. Die dreiteiligen Gewölbedienste
sind eigenartig in die Ecken des Oktogons eingesetzt. Sie steigen zwar genau in Fig. 24
den Winkeln der Oktogonseiten auf, aber zwischen den Kämpfern der Seiten-
schiffe und dem „Triforium“ ist je ein Tabernakel eingeschaltet. Diese Taber-
nakel sind wie die Stützen in der Kapelle Prior Craudens mit der Wand
nur durch einen schmalen Steg verbunden, stehen also scheinbar vor ihr. Im
sinngemäßen Zusammenhang aller Formen bedeutet dieses, daß die Gewölbe-
dienste endgültig erst darüber, auf halber Höhe des Aufrisses, einsetzen und daß
die Tabernakel ihrerseits auf kleineren, ebenfalls dreiteiligen Diensten ruhen.
Auf eine sehr komplizierte Weise wird so der Anschein erweckt, als ob das Ge-
wölbe in den achtseitigen Mauerkranz hineingesenkt wäre und deswegen auch
die Fenster und das Maßwerk überschnitte. Soweit das System des Aufrisses. In
seiner Wirkung auf den Betrachter kommen diese sinngemäßen Bezüge nicht so
sehr zur Geltung, wie es diese Beschreibung vermuten läßt. Bei der Größe des
Oktogons bleiben sie nur sparsam verteilte Akzente auf den hohen Mauern. Die
Details ordnen sich der großen Raumwirkung unter, weil nicht in erster Linie
die Wandgliederung den Eindruck bestimmt, sondern die Gestalt des achteckigen
Raumes. Eine Einschränkung ist allerdings zu machen: wir empfinden heute den
Raum des Oktogons viel stärker, als er je in seinem ursprünglichen Zustand auf
Betrachter hat wirken können. Hier, wie in beinahe allen englischen Kathedralen,
war nämlich die Vierung zum Mönchschor gezogen und die Laienkirche von der Fig. 4
Priesterkirche weiter vorn, im Langhaus, durch einen Lettner getrennt75. Beson-
ders bei den Klosterkirchen, die zugleich als Kathedralen dienten, war ein sehr
großer Chorraum notwendig, zumal der Ostschluß meist als Kapelle der beson-
deren Heiligen oder als Marienkapelle diente. Architektonischer Raum und die
liturgisch notwendige Teilung in Mönchschor und Laienteil deckten sich daher
nur selten. Auch in Ely wurde das Oktogon bis in das 18. Jahrhundert nicht als
ein Zentralraum aufgefaßt und verwendet, weil das Chorgestühl sich von den
westlichen Chorjochen bis in das zweite Langhausjoch erstreckte76. Erst eine
durchgreifende Restauration und Neuordnung der Ausstattung durch Essex
(1757) brachte es mit sich, daß der Lettner abgerissen und das Chorgestühl auf
den eigentlichen Chorraum beschränkt wurde77. Das ästhetische Erleben des
Zentralraumes und damit des ganzen Bauwerks wurde in dieser Spätzeit für
wichtiger gehalten als die ursprüngliche, aus der alten Liturgie bedingte Anord-
75 In Gloucester wurde die normannische Vierung sogar durch ein Tonnengewölbe in
den Chor nachträglich einbezogen; in York und Canterbury, Exeter und St. Davids
dagegen stehen die Lettner noch in ursprünglicher Position im Ostbogen der
Vierung.
70 Vgl. Storer, 1816, II, Ely, pl. V; Hope, 1917; Vallance, 1937, p. 41 ff. für Rekon-
struktion des Lettners.
77 Stewart, 1868, p. 43.
 
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