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Bode, Wilhelm
Die Meister der holländischen und vlämischen Malerschulen — Leipzig, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.15571#0161
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die Schatten scheinen hier wie mit Aquatinta ausgeführt. Gelegentlich geht er so
weit, daß er auch die flüchtigsten Wolkenschatten in ganz moderner Weise wieder-
gibt. Noch andere Eigentümlichkeiten, ein gewisses Kompositionsschema und eine
Vorliebe für einige besondere Naturformen geben seinen Werken ein auffallendes
Gepräge. So verrät er seine Abkunft von der vlämischen Landschafterschule des

16. Jahrhunderts, insbesondere von seinem Lehrer Gilles van Coninxloo, durch die
Versatzstücke, die er meist im Vordergrunde anbringt: eine ragende Felswand in
einer Ecke mit einer kahlen*Tanne, die sich gespenstisch von der hellen Luft ab-
hebt, seltener ein dunkles Stück Terrain oder dergleichen. Darin wie in der Behand-
lung der Felsen erinnert er an ältere Mitschüler, wie R. Savery, der gleich ihm die
Alpen zu seinem Hauptstudienfeld gewählt hatte. Sehr eigentümlich ist er in der Zeich-
nung der Bäume. Seine verkrüppelten und vertrockneten Tannen — es sollen wohl
Lärchen sein — gleichen schlanken Puppen von Heu. Sie tragen nur vereinzelte
kurze Äste mit Nadeln und sind mit Moosen wie mit Bärten behangen. In dieser
Form kehren sie auf fast allen seinen Radierungen mit Berglandschaften wieder.
Die Verwandtschaft dieser phantastischen Bildungen mit den Bäumen auf den
Bildern deutscher Kleinmeister, namentlich Altdorfers, ist gewiß nicht rein zufällig;
zeigen doch auch seine Farbendrucke und seine Technik den Anschluß an diese
Künstler, die er, wie wir sahen, gelegentlich auch kopierte. Wo Segers Laubbäume
anbringt, charakterisiert er sie meist durch derbe, kleine Tupfen, die an die Pointille-
Manier moderner Impressionisten erinnern. Nur in seiner ersten Zeit gibt er die
Blätter noch vereinzelt, wie in dem „Großen Baum". Bei diesen markanten Eigen-
tümlichkeiten wird er jedoch nie einförmig oder gar Manierist; seine hohe Achtung
vor der Natur und der Ernst seines Naturstudiums, in dem er alle Landschafter
seiner Zeit übertrifft, lassen ihn fast in jedem Blatte neu und naturwahr erscheinen;
und doch schafft er dank seiner reichen Phantasie und meisterhaften künstlerischen
Anordnung aus jeder treuen Naturstudie ein abgerundetes Bild.

Eine so starke künstlerische Sprache, wie sie aus diesen Landschaftsradierungen
spricht, müßte auch in den Gemälden des Künstlers markant zum Ausdruck kommen.
Daß ein Künstler von solchem auf das Malerische gerichteten Streben, mit dem er
in seinen Drucken auf Wirkungen ausgeht, die sonst nur ein Gemälde erreicht, auch
gemalt hat, können wir von vornherein annehmen. Daß es wirklich der Fall ist,
ja daß Segers für seine verhältnismäßig kurze Lebenszeit eine nicht unbeträchtliche
Zahl von Landschaftsbildern malte, beweisen uns die Nachlaßinventare und Ver-
steigerungskataloge aus der Zeit des Künstlers und aus den späteren Jahren des

17. Jahrhunderts. So besaß der Amsterdamer Kunsthändler Johannes de Renialme
im Jahre 1640 nicht weniger als sechsunddreißig seiner Gemälde. Wahrscheinlich
hatte er damals den Nachlaß des einige Zeit vorher verstorbenen Künstlers an sich
gebracht, denn fünfzehn Jahre später zählt ein anderes Verzeichnis seines Bilderbe-
standes nur noch acht Bilder von Segers auf.

Ein bezeichnetes Gemälde des Künstlers kennen wir seit längerer Zeit, die
Flachlandschaft der Berliner Galerie, welche mit der Galerie Suermondt erworben
wurde. Die Bezeichnung Hercules Segers, die bei einer Reinigung des Bildes unter
der falschen Bezeichnung J. v. Goyen zutage kam, verrät dieselbe Hand wie die
Unterschrift unter den Urkunden, die den Künstler betreffen. Das Bild ist aber auch

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