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Bode, Wilhelm
Die Meister der holländischen und vlämischen Malerschulen — Leipzig, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.15571#0138
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ADRIAEN UND ISAAK VAN OSTADE

F~^\ie Brüder Ostade, Adriaen und Isaak, haben, jeder in seiner Art, das
1 ^ Bauerngenre, wie es ein Jahrhundert vor ihnen Pieter Bruegel in genialer
Weise zu einem selbständigen Zweige der niederländischen Malerei ausge-
bildet hatte, in Holland zu einer neuen Blüte geführt. Während die oberen
Klassen ihr Heim noch abschlössen und der gesellschaftliche Verkehr sich in
engen Grenzen und steifen Formen bewegte, gaben sich die unteren Stände, nament-
lich die Bauern, auf Straßen und Plätzen, auf dem Felde und in den Kneipen, selbst
in ihren Hütten frei und ohne Scheu; die Wiedergabe ihres Lebens und Treibens
reizte daher die Künstler, seitdem für die Darstellung religiöser und anderer histo-
rischer Vorwürfe Verständnis und Interesse mehr und mehr abnahmen. In den
südlichen Provinzen, den spanischen Niederlanden, hinderte die spanische Herr-
schaft auch im 17. Jahrhundert noch das Aufkommen eines freien Bürgertums;
daher kommt das Sittenbild hier in der Schilderung der höheren Klassen über schüch-
terne Versuche nicht hinaus und beschränkt sich weiter auf die Darstellung der
unteren Stände, namentlich der Bauern. In den nördlichen Provinzen hatte dagegen
der Freiheitskampf ein freies, selbstbewußtes Bürgertum großgezogen, und mit der
Entwicklung der verschiedenen Stände hatte sich die Kunst auch der Schilderung
ihres Lebens bemächtigt und ein sehr reiches, mannigfaltiges Sittenbild der höheren
Klassen ausgebildet. Daneben erhielt sich aber auch hier die Schilderung des Bauern-
standes; ja während das vlämische Bauernbild, das durch die Rückkehr des in
Holland ausgebildeten Adriaen Brouwer nach Antwerpen noch einmal kräftig be-
/ lebt war, selbst in seinem hervorragendsten Meister David Teniers allmählich in
kleinliche Wiederholung typischer Szenen verfällt, entfaltet sich gleichzeitig in
Holland das bäuerliche Sittenbild zu einer neuen Blüte, welche der Ausdruck des
gesteigerten Wohlstandes und der zunehmenden Bildung der unteren Klassen in
den holländischen Freistaaten ist.

Von den beiden Brüdern Ostade, in denen diese Richtung zur höchsten künstle-
rischen Entwicklung gelangte, war Adriaen mehr als zehn Jahre älter als Isaak, der
als sein Schüler bei ihm aufwuchs. Während jener über fünfzig Jahre lang eine reiche
Tätigkeit entfalten konnte, war Isaak kaum länger als zehn Jahre künstlerisch tätig;
starb er doch schon, als er eben 28 Jahre alt war, also im gleichen jugendlichen Alter
wie Paulus Potter. Und doch hat auch er, gerade wie Potter, eine stattliche Zahl
von Gemälden in dieser kurzen Zeit geschaffen und hat, trotz dem starken Einfluß
seines Bruders, sich bald seine eigene Kunstweise herausgebildet, die in ihrer Art
der des Adriaen nichts nachgibt.

Adriaen van Ostade, ein Haarlemer Kind und stets dort ansässig, war von
kleinbürgerlicher Herkunft; er ist stets ein braver Bürger gewesen, weshalb die Ur-
kunden seiner Vaterstadt wenig von ihm zu erzählen wissen. Durch seinen Fleiß
und die Beliebtheit seiner Kunst, später auch durch eine reiche Heirat hat er es
ausnahmsweise zu ansehnlichem Wohlstand gebracht. Im Jahre 1634 wurde er
in die Gilde seiner Vaterstadt aufgenommen, 1636 verheiratete er sich, verlor aber
seine Frau schon 1642. Erst im Jahre 1657 vermählte er sich wieder. Diese zweite
Frau war aus einer angesehenen katholischen Familie von Amsterdam. Dadurch

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