DAS ARCHITEKTURBILD
|| er Innenraum hat von Anbeginn in den Gemälden der nordischen Kunst
"*—"^eine große Rolle gespielt. Diese war auf ihn schon dadurch hingewiesen, daß
der Nordländer durch das Klima meist an das Haus gebannt ist, daß sein
Leben sich zum großen Teil hier abspielt; daher hat die nordische Kunst auch
den ausgeprägt innerlichen Charakter erhalten. Schon die großen Begründer
der niederländischen Schule, die Brüder van Eyck sowohl als Robert Campin (der
sogenannte Meister von Flemalle), haben auf die Ausführung der Innenräume,
ihre Ausstattung und Durchbildung, auf perspektivische Zeichnung und Be-
leuchtung besonderen Fleiß verwendet, wenn sie auch bis zur Erkenntnis ihrer
Gesetze noch nicht durchgedrungen sind. Was naive Naturbeobachtung dabei
zu erreichen imstande war, zeigen einige Kircheninterieurs von Jan van Eyck und
vor allem verschiedene Innenräume Campins, in denen die Beleuchtung bis zur
Wiedergabe der kompliziertesten Reflexe durchgebildet ist. Ihre Schüler und Nach-
folger folgen ihnen auf diesem Weg, voran die Holländer Ouwater und Geertjen
van St. Jans. Erst fast ein Jahrhundert nach den van Eycks entwickelt sich unter dem
Einfluß der in den Niederlanden eindringenden Formen der italienischen Renaissance
und ihrer barocken Mischung mit der heimischen Gotik ein phantastischer Deko-
rationsstil in den Innenräumen wie in der Außenarchitektur auf den Bildern der
Mabuse, Orley, des sogenannten Bles u. a. m., welche den gleichen Charakter auf-
weisen wie die Landschaften der Patinier und anderer Zeitgenossen. Aus diesem
sonderbaren MischstiJ wird die nordische Renaissance, und einer der ersten Meister
dieses malerischen Frühbarocks — wie der Stil auch heißen könnte —, Hans
Vredeman de Vries, ist auch der erste, den es reizt, besondere Architekturbilder
zu malen. Die wenigen erhaltenen Gemälde der Art sind aber noch mehr Entwürfe
des Künstlers für seine Bauten oder Dekorationsstücke zu ihrem Schmuck; er
entwirft daher zugleich die Plätze und Nachbarbauten im gleichen Stil, wie er sie
sich zur günstigen Wirkung seines Baues dachte und wünschte.
Das eigentliche Architekturbild: die Innenansichten von Kirchen, Palasträumen,
Höfen und Plätzen, die um ihrer selbst willen entstanden nnd nur mit unbedeutenden
Figürchen, meist von der Hand dritter Künstler, staffiert sind, hat, wie die selb-
ständige Landschaft der Niederländer, in Antwerpen seinen Ursprung und seine
erste Entwickelung gefunden; seit dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts durch
Hendrick Steenwijck, Vater und Sohn, und ihre Nachfolger in der Familie Neefs.
Von Antwerpen aus kam auch die Anregung dazu nach Holland, namentlich durch
den längeren Aufenthalt, welchen der Haager Stadtarchitekt Bartholomaeus van
Baßen, vielleicht ein Antwerpener von Geburt, und der jüngere Dirck van Delen
in Antwerpen nahmen. Seither entwickelt sich das Architekturbild in Holland un-
abhängig und in mannigfacher Weise.
Die Gruppe, welche sich um B. van Baßen scharte: die A. de Lorme, Badens,
D. van Delen, Jan van Vucht, malt noch mit Vorliebe malerische Innenräume oder
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|| er Innenraum hat von Anbeginn in den Gemälden der nordischen Kunst
"*—"^eine große Rolle gespielt. Diese war auf ihn schon dadurch hingewiesen, daß
der Nordländer durch das Klima meist an das Haus gebannt ist, daß sein
Leben sich zum großen Teil hier abspielt; daher hat die nordische Kunst auch
den ausgeprägt innerlichen Charakter erhalten. Schon die großen Begründer
der niederländischen Schule, die Brüder van Eyck sowohl als Robert Campin (der
sogenannte Meister von Flemalle), haben auf die Ausführung der Innenräume,
ihre Ausstattung und Durchbildung, auf perspektivische Zeichnung und Be-
leuchtung besonderen Fleiß verwendet, wenn sie auch bis zur Erkenntnis ihrer
Gesetze noch nicht durchgedrungen sind. Was naive Naturbeobachtung dabei
zu erreichen imstande war, zeigen einige Kircheninterieurs von Jan van Eyck und
vor allem verschiedene Innenräume Campins, in denen die Beleuchtung bis zur
Wiedergabe der kompliziertesten Reflexe durchgebildet ist. Ihre Schüler und Nach-
folger folgen ihnen auf diesem Weg, voran die Holländer Ouwater und Geertjen
van St. Jans. Erst fast ein Jahrhundert nach den van Eycks entwickelt sich unter dem
Einfluß der in den Niederlanden eindringenden Formen der italienischen Renaissance
und ihrer barocken Mischung mit der heimischen Gotik ein phantastischer Deko-
rationsstil in den Innenräumen wie in der Außenarchitektur auf den Bildern der
Mabuse, Orley, des sogenannten Bles u. a. m., welche den gleichen Charakter auf-
weisen wie die Landschaften der Patinier und anderer Zeitgenossen. Aus diesem
sonderbaren MischstiJ wird die nordische Renaissance, und einer der ersten Meister
dieses malerischen Frühbarocks — wie der Stil auch heißen könnte —, Hans
Vredeman de Vries, ist auch der erste, den es reizt, besondere Architekturbilder
zu malen. Die wenigen erhaltenen Gemälde der Art sind aber noch mehr Entwürfe
des Künstlers für seine Bauten oder Dekorationsstücke zu ihrem Schmuck; er
entwirft daher zugleich die Plätze und Nachbarbauten im gleichen Stil, wie er sie
sich zur günstigen Wirkung seines Baues dachte und wünschte.
Das eigentliche Architekturbild: die Innenansichten von Kirchen, Palasträumen,
Höfen und Plätzen, die um ihrer selbst willen entstanden nnd nur mit unbedeutenden
Figürchen, meist von der Hand dritter Künstler, staffiert sind, hat, wie die selb-
ständige Landschaft der Niederländer, in Antwerpen seinen Ursprung und seine
erste Entwickelung gefunden; seit dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts durch
Hendrick Steenwijck, Vater und Sohn, und ihre Nachfolger in der Familie Neefs.
Von Antwerpen aus kam auch die Anregung dazu nach Holland, namentlich durch
den längeren Aufenthalt, welchen der Haager Stadtarchitekt Bartholomaeus van
Baßen, vielleicht ein Antwerpener von Geburt, und der jüngere Dirck van Delen
in Antwerpen nahmen. Seither entwickelt sich das Architekturbild in Holland un-
abhängig und in mannigfacher Weise.
Die Gruppe, welche sich um B. van Baßen scharte: die A. de Lorme, Badens,
D. van Delen, Jan van Vucht, malt noch mit Vorliebe malerische Innenräume oder
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