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Bode, Wilhelm
Die Meister der holländischen und vlämischen Malerschulen — Leipzig, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.15571#0216
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wie die jenes römischen Malers, der sein Nebenbuhler ist in der Darstellung der licht-
durchströmten Landschaft: und doch kennen ihn wenige, kennt ihn das Publikum
auf dem Kontinent nur aus ungenügenden Beispielen seiner Kunst. Ist doch der
Künstler in den öffentlichen Sammlungen außerhalb Englands fast überall schwach
vertreten, denn die wenigen ausgezeichneten Bilder in den kontinentalen Museen,
in Petersburg, in Budapest und Montpellier, liegen schon jenseits der Grenzen des
Bereiches, welches das kunstliebende Publikum zu besuchen pflegt. Seine hervor-
ragendsten Gemälde befinden sich aber in wenig zugänglichen oder abseits liegenden
Privatsammlungen: in den englischen Schlössern des Mr. Holford, des Herzogs
von Bedford, der Lords Ellesmere und Leconfield, in den Galerien der Familie Roth-
schild, in der Sammlung Six zu Amsterdam, neuerdings auch in mehreren ameri-
kanischen Privatsammlungen; in Deutschland auch in den Galerien L. Koppel,
v. Carstanjen, Huldschinsky, v. Pannwitz und so fort. Der Versuch, einmal die besten
Werke zu vereinigen, wie es mit denen Rembrandts erfolgreich geschehen ist, ist sogar
in London fehlgeschlagen: in der Cuyp-Ausstellung im Burlington-House 1903 waren
nur ganz wenige wirklich vorzügliche Gemälde des Künstlers vereinigt. Ein richtiges
Bild von der Bedeutung des Meisters gewinnt man nur, wenn man jene Privatgalerien
aufsucht; aber auch die vielen mehr untergeordneten, verschiedenartigen Bilder,
die namentlich über die Sammlungen des Kontinents zerstreut sind, vermögen
wenigstens das Bild dieses eigentümlichen Künstlers zu vervollständigen, für dessen
Würdigung auch die Kenntnis des Menschen, wie sie sich aus den wenigen, aber
deutlich sprechenden Urkunden ergibt, nicht ohne Bedeutung ist.

Fromentin meint, daß der Künstler, solange er lebte, in keinem besonderen
Ansehen stand. Dank der neueren Forschung wissen wir, daß gerade das Gegenteil
der Fall war. Aelbert Cuyp nahm in seiner Vaterstadt Dordrecht eine Stellung ein,
wie wenige andere Maler in Holland. Er hatte die verschiedensten Ehrenämter
inne, war wohlhabend und besaß ein Gut außerhalb der Stadt. Freilich sein Name
galt nur in der engeren Heimat. Aber eben deshalb, weil er gezwungen war, sich
in kleinem Kreise zu betätigen, entwickelte sich seine Eigenart am vollkommensten.
Er war im wörtlichen Sinne ein geborener Künstler, Sohn und Enkel eines Malers,
umgeben von nahen Verwandten, die derselben Zunft angehörten und als Maler
sich in der verschiedensten Weise betätigten. Als Schüler seines Vaters Jacob Gerrits
Cuyp, den wir vornehmlich als tüchtigen Bildnismaler kennen, hat er jung das Hand-
werk gründlich gelernt. Er versucht sich gleich auf den verschiedensten Gebieten.
Wir sehen ihn gelegentlich Porträts malen, dann große Viehstücke, in denen die
Tiere noch mit einer gewissen Schüchternheit und Steifheit porträtartig wiederge-
geben sind; vornehmlich stellt er aber die Landschaft rings um Dordrecht dar,
mit dem Turm der Stadt in der Ferne. Erst spät kommt er über allem Malen dazu,
seinen Hausstand einzurichten: im achtunddreißigsten Jahre nimmt er eine Frau,
eine Witwe aus einer wohlhabenden und angesehenen Patrizierfamilie Dordrechts.
Im Genuß der reichen Mittel, die ihm aus seinem väterlichen Vermögen, wie nament-
lich aus dem seiner Frau zur Verfügung stehen, läßt er sich jetzt öfters mit öffent-
lichen Ämtern betrauen, zu denen ihn seine persönliche Tüchtigkeit und sein Cha-
rakter befähigen. Daneben kann er das Landleben mit vollem Behagen genießen
und ungestört im Freien seine Studien machen, seitdem er das kleine Landgut Dord-

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