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Bode, Wilhelm
Die Meister der holländischen und vlämischen Malerschulen — Leipzig, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.15571#0301
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Die Jugendwerke des Künstlers, welche in Utrecht um die Mitte der zwanziger
Jahre entstanden sind, finden sich, wenig beachtet, meist in kleineren deutschen
Galerien und Privatsammlungen. Es sind einfache Fruchtstücke in der Art der älteren
Utrechter Maler Bartholomaeus Assteyn, Balthasar van der Ast und Abraham Bos-
schaert, bräunlich im Ton und fast nüchtern mit fester Farbe ausgeführt: Stilleben
mit wenigen Früchten, die wie zufällig in eine chinesische Schüssel oder auf einen
Teller ausgeschüttet sind. Beispiele dieser Fruchtschalen aus den Jahren 1624
bis etwa 1626 enthalten die Sammlungen Schubart in München (versteigert), Öder
in Düsseldorf und Glitza in Hamburg. In den folgenden Jahren, während eines
längeren Aufenthaltes in Leiden, schließt sich der Künstler der eigentümlichen
Richtung der älteren Leidener Stillebenmaler an, wie mehrere Darstellungen einer
,,Vanitas" lehren; eine davon aus dem Jahre 1628 im Mauritshuis im Haag, andere
in den Galerien zu Gotha (1629) und Leipzig. Innerhalb dieser Gruppe von Bildern,
die alle nur von geringem Umfang sind, läßt sich eine deutliche Entwickelung in der
Richtung einer geschickteren Anordnung, einer malerischen Behandlung und be-
sonders einer feineren Ausbildung von Ton und Helldunkel beobachten. Bestimmend
für diesen Fortschritt war offenbar der Einfluß des jungen Rembrandt, welcher
damals in Leiden seine ersten Schüler um sich versammelte und, wie diese, gelegent-
lich selbst eine Vanitas malte oder wenigstens retuschierte.

Die Übersiedelung des jungen de Heem nach Antwerpen um 1634—35 war
wiederum von einschneidender Bedeutung für den Künstler. Wie sehr er aber Hol-
länder blieb, empfindet man, wenn man seine Bilder neben denen des D. Seghers sieht.
Auch de Heems Blumenstücke und seine Fruchtkränze sind von reichster Färbung;
aber statt der kalten Tagesbeleuchtung und der hellen Lökalfarben bei Seghers
herrscht bei ihm ein ausgesprochenes Helldunkel, das die verschiedensten Farben
zu einem warmen Ton vereinigt; statt des dünnen Farbenauftrages und der deko-
rativen Behandlung^ bei diesem, welche den Einfluß von Rubens verraten, finden
wir bei de Heem jenes echt holländische liebevolle Eingehen auf die Natur, auf
die Eigenart jeder Pflanze und jeder Frucht, auf Form und Erscheinung und die
fleißigste Nachbildung der gewonnenen Eindrücke. Immerhin darf die vlämische
Schule stolz darauf sein, daß dieser berühmteste unter den holländischen Stilleben-
malern seine Eigenart erst in Antwerpen und gerade unter dem Einflüsse älterer
vlämischer Künstler voll ausgebildet hat. Bei seiner Empfänglichkeit für Eindrücke
von außen war aber dieser Aufenthalt und die Verwertung der gewonnenen Ein-
drücke in der Heimat bei zeitweiser Rückkehr zugleich für die glückliche Entwicke-
lung nicht nur seines eigenen Talents, sondern dieser ganzen Gattung der Malerei
in Holland und teilweise auch in den spanischen Niederlanden von Bedeutung,
wie sich daraus auch die auffallende Verwandtschaft der holländischen und vlä-
mischen Stilleben um die Mitte des 17. Jahrhunderts mit erklärt.

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