zeichnet. Während Rubens nur langsam, aber stetig sich zum Meister bildet, während
er die verschiedensten Eindrücke auf sich einwirken läßt und sie bewußt und be-
dächtig in sich verarbeitet und erst, als er bereits ein Menschenalter hinter sich hat,
seinen eigenen Stil voll ausgebildet hat, tritt uns Anton van Dyck, kaum zum Jüng-
ling gereift, schon als fertiger Meister entgegen, entwickelt er eine Leichtigkeit
und Kraft des Schaffens, wie kaum die rutiniertesten Dekorationsmaler auf der
Höhe ihrer Tätigkeit. Aber jeder starke Eindruck von außen wirkt übermächtig
Avvt^iwrf.' auf ihn ein und bringt ihn in eine neue Richtung, die er mit Begeisterung verfolgt,
j 1Www.cv* bis ein neuer Eindruck ihn wieder anders bestimmt. Statt der urwüchsigen männ-
lichen Kraft, statt des sprudelnden Lebens in den Werken von Rubens kennzeichnet
die Gemälde seines Schülers eine eigentümliche Nervosität, die sich anfangs in einer
romantischen Ungebundenheit kundgibt, bald aber einem empfindsamen, fast senti-
mentalen Zug Platz macht, mit dem sich ein akademisches Streben nach Formen-
schönheit und Eleganz verbindet. Dagegen hat van Dyck, ohne die Eigenart der
Phantasie seines großen Meisters zu besitzen, gerade durch seine Abhängigkeit
vom Modell als Bildnismaler die volle Erfassung und Respektierung der Individualität
voraus, und indem er seinen Porträts den Stempel des eigenen lebhaften Sinnes,
seines chevaleresken Wesens aufzudrücken verstand, hat er ihnen einen ganz anderen
Reiz verliehen. Als Porträtmaler steht van Dyck daher in den verschiedenen
Epochen seiner Tätigkeit, in denen auch seine Bildnisse sehr verschiedenartig er-
scheinen, den größten Meistern der Bildniskunst nahe oder selbst gleich.
Trotz dieses weiten Abstandes zwischen Meister und Schüler sind sich die Werke
beider Künstler während einer kurzen Zeit ihres Lebens so nahe verwandt, daß sie
nur schwer voneinander zu unterscheiden sind, so schwer, daß bis vor kurzem noch
die Mehrzahl der Gemälde van Dycks aus seiner ersten Epoche für Werke des Rubens
galten und sogar heute noch zum Teil als Meisterwerke seiner Hand bewundert
werden. Es erklärt sich dies aus jener Empfänglichkeit und Abhängigkeit der Natur
des van Dyck, welcher die Eigenäft von Rubens in den Jahren, in denen er sein
Mitarbeiter und dadurch auch sein Schüler war, fast zu der seinigen zu machen
wußte. Wenigstens in der Erscheinung gleichen sich diejenigen Bilder beider
Künstler, die etwa zwischen den Jahren 1617 und 1621 entstanden sind, zum Ver-
wechseln; doch sieht man näher zu und hat man erst einmal den Charakter der
Jugendwerke van Dycks richtig aufgefaßt, so spricht aus der künstlerischen Emp-
findung, aus der heraus sie gemalt sind, die verschiedene Künstlernatur. An solchen
durch gleichzeitige Zeugnisse beglaubigten Bildern fehlt es aber keineswegs.
Die neuere Urkundenforschung hat die Akten eines langwierigen Prozesses
in Antwerpen ans Tageslicht gebracht, der über die Frage der Echtheit einer Folge
van Dyckscher Brustbilder Christi und der Apostel geführt wurde. Freunde und
Schüler des Künstlers sagen dabei aus, daß van Dyck bereits im Jahre 1615 eine
solche Bilderfolge gemalt habe, die ein junger Schüler Herman Servaes kopierte.
Diese Apostelbilder sind uns ebenso wie die Kopien erhalten. Während letztere
aus Schleißheim neuerdings nach Burghausen in Bayern gekommen sind, ist die
ursprüngliche Folge kürzlich im Privatbesitz in Neapel wieder aufgetaucht und
durch den Kunsthändler J. Boehler in München an verschiedene Privatsammler
verkauft worden; nur der zugehörige Christus ist noch in Italien, in der Galerie
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er die verschiedensten Eindrücke auf sich einwirken läßt und sie bewußt und be-
dächtig in sich verarbeitet und erst, als er bereits ein Menschenalter hinter sich hat,
seinen eigenen Stil voll ausgebildet hat, tritt uns Anton van Dyck, kaum zum Jüng-
ling gereift, schon als fertiger Meister entgegen, entwickelt er eine Leichtigkeit
und Kraft des Schaffens, wie kaum die rutiniertesten Dekorationsmaler auf der
Höhe ihrer Tätigkeit. Aber jeder starke Eindruck von außen wirkt übermächtig
Avvt^iwrf.' auf ihn ein und bringt ihn in eine neue Richtung, die er mit Begeisterung verfolgt,
j 1Www.cv* bis ein neuer Eindruck ihn wieder anders bestimmt. Statt der urwüchsigen männ-
lichen Kraft, statt des sprudelnden Lebens in den Werken von Rubens kennzeichnet
die Gemälde seines Schülers eine eigentümliche Nervosität, die sich anfangs in einer
romantischen Ungebundenheit kundgibt, bald aber einem empfindsamen, fast senti-
mentalen Zug Platz macht, mit dem sich ein akademisches Streben nach Formen-
schönheit und Eleganz verbindet. Dagegen hat van Dyck, ohne die Eigenart der
Phantasie seines großen Meisters zu besitzen, gerade durch seine Abhängigkeit
vom Modell als Bildnismaler die volle Erfassung und Respektierung der Individualität
voraus, und indem er seinen Porträts den Stempel des eigenen lebhaften Sinnes,
seines chevaleresken Wesens aufzudrücken verstand, hat er ihnen einen ganz anderen
Reiz verliehen. Als Porträtmaler steht van Dyck daher in den verschiedenen
Epochen seiner Tätigkeit, in denen auch seine Bildnisse sehr verschiedenartig er-
scheinen, den größten Meistern der Bildniskunst nahe oder selbst gleich.
Trotz dieses weiten Abstandes zwischen Meister und Schüler sind sich die Werke
beider Künstler während einer kurzen Zeit ihres Lebens so nahe verwandt, daß sie
nur schwer voneinander zu unterscheiden sind, so schwer, daß bis vor kurzem noch
die Mehrzahl der Gemälde van Dycks aus seiner ersten Epoche für Werke des Rubens
galten und sogar heute noch zum Teil als Meisterwerke seiner Hand bewundert
werden. Es erklärt sich dies aus jener Empfänglichkeit und Abhängigkeit der Natur
des van Dyck, welcher die Eigenäft von Rubens in den Jahren, in denen er sein
Mitarbeiter und dadurch auch sein Schüler war, fast zu der seinigen zu machen
wußte. Wenigstens in der Erscheinung gleichen sich diejenigen Bilder beider
Künstler, die etwa zwischen den Jahren 1617 und 1621 entstanden sind, zum Ver-
wechseln; doch sieht man näher zu und hat man erst einmal den Charakter der
Jugendwerke van Dycks richtig aufgefaßt, so spricht aus der künstlerischen Emp-
findung, aus der heraus sie gemalt sind, die verschiedene Künstlernatur. An solchen
durch gleichzeitige Zeugnisse beglaubigten Bildern fehlt es aber keineswegs.
Die neuere Urkundenforschung hat die Akten eines langwierigen Prozesses
in Antwerpen ans Tageslicht gebracht, der über die Frage der Echtheit einer Folge
van Dyckscher Brustbilder Christi und der Apostel geführt wurde. Freunde und
Schüler des Künstlers sagen dabei aus, daß van Dyck bereits im Jahre 1615 eine
solche Bilderfolge gemalt habe, die ein junger Schüler Herman Servaes kopierte.
Diese Apostelbilder sind uns ebenso wie die Kopien erhalten. Während letztere
aus Schleißheim neuerdings nach Burghausen in Bayern gekommen sind, ist die
ursprüngliche Folge kürzlich im Privatbesitz in Neapel wieder aufgetaucht und
durch den Kunsthändler J. Boehler in München an verschiedene Privatsammler
verkauft worden; nur der zugehörige Christus ist noch in Italien, in der Galerie
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