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Bode, Wilhelm
Die Meister der holländischen und vlämischen Malerschulen — Leipzig, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.15571#0344
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gekommen, so war Rubens als der Sohn eines hohen Staatsbeamten aufs sorgfältigste
wissenschaftlich geschult, zum Hof dienst vorbereitet und hatte sich, nachdem
er zum Künstler ausgebildet war, in allen Kulturländern Europas gründlich um-
gesehen. War der holländische Meister äußerlich wenig ansehnlich, ein eckiger
Charakter, nur für seine Kunst, seinen Genius und seinen beschränkten Freundes-
kreis lebend, so war der junge Vlame eine schöne, ansehnliche Erscheinung, von
den besten Formen und bezaubernder Liebenswürdigkeit, in allen Sprachen bewandert,
der Vertraute seines Fürstenpaares, der verzogene Günstling an allen Höfen, im
wissenschaftlichen Verkehr mit den ersten Gelehrten Europas. Während Rembrandts
äußere Verhältnisse immer mehr zurückgingen, so daß er schließlich bankrott
und vereinsamt als ein Ausgestoßener im Judenviertel von Amsterdam sein Leben
beschloß, verstand Rubens Menschen und Verhältnisse sich dienstbar zu machen,
die höchsten Ehren und ein fürstliches Vermögen zu erwerben; er besaß ein präch-
tiges Stadthaus in Antwerpen und ein Schloß und Gut auf dem Lande, war mit Glück
und Liebe überschüttet und teilte sie gleichmäßig wieder aus. In Rembrandts Leben
ist mehr Schatten als Licht; Trübsal, Not und Enttäuschungen waren ihm im Über-
maß beschieden: bei Rubens ist eitel Lust und Freude, und doch hat das Glück,
das ihn zu seinem Liebling erkoren hatte, ihn nicht übermütig gemacht. Er blieb
bescheiden und mäßig, freundlich und gefällig gegen jedermann; trotz der Gunst-
bezeigungen und verlockenden Anerbietungen der mächtigsten Fürsten war er seiner
Heimatstadt Antwerpen treu und fand hier im rastlosen Schaffen inmitten seines
Familien- und Freundeskreises sein wahres Glück, seine volle Befriedigung. Der
'. Künstler war Katholik, überzeugter Anhänger der römischen Kirche und besonders
befreundet mit angesehenen Mitgliedern des Jesuitenordens, aber keine Zeile seiner
zahlreichen Bücher, keine Nachricht deutet darauf, daß er in seinen religiösen An-
sichten irgendwie unduldsam gewesen wäre; das lag seinem innersten Wesen fern.

Der Ausdruck dieses lichten Glanzes, dieses strahlenden Glückes ist Rubens'
Kunst. Sie ist ebenso allseitig, so überwältigend in der Macht und Lebendigkeit
seiner Darstellungen, so überraschend in der Fülle und Mannigfaltigkeit seiner
Erfindung, so berauschend in der lichten Farbenpracht. Es ist zwar eine äußere
Pracht, eine sinnliche Wucht, der die Tiefe und die Herzlichkeit abgeht, die uns aus
dem Helldunkel von Rembrandts-Gemälden unwiderstehlich packt, aber sie ist so
bewunderungswert, so gewaltig, so hinreißend und zugleich so einschmeichelnd, daß
sie auf jeden wirken muß, auch wenn er die Formen Rubensscher Gestalten nicht
liebt und das ungeheure Wissen und Können, das sich in seinen Kompositionen
und seiner malerischen Behandlung versteckt, nicht zu ermessen vermag.

Rubens war ausschließlich Maler. Er verstand zwar zu radieren, und es ist
noch eine Radierung von ihm bekannt. Er war auch für Architektur lebhaft inter-
essiert, hat selbst die Paläste Genuas gezeichnet und publiziert, sein Stadthaus in
Antwerpen und die barocken Prachtrahmen für seine Altarbilder entworfen; er
hätte zweifellos auch als Bildhauer sich mit größtem Erfolg betätigen können, aber
der Quell seiner schöpferischen Gedanken sprudelte so mächtig, daß es ihn zu der
raschesten Betätigung drängte, und diese boten ihm nur Pinsel und Palette. Als
Maler hat es ihm kein anderer gleichgetan; in der Zahl seiner Schöpfungen, in ihrem
Umfang und ihrer Mannigfaltigkeit ist er ebenso unerreicht wie in dem Reichtum

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