Höhlen. Offenbar hat er im Harz mehr die Täler und Schluchten,
also das Beengende des Gebirges, als die Bergmassive gesehen89.
Die Harzreise, die Friedrich auf dem Rückweg nach Jena führte,
brachte eine neue Begegnung mit Goethe90. Ende des Jahres stellte
er, vielleicht als Ergebnis dieses Kontaktes, in Weimar neun
Gemälde aus, mehr als er jemals irgendwo zusammen gezeigt
hat91. Anscheinend wurde jedoch auf dieser Ausstellung vom
Weimarer Hof nichts gekauft. Im Herbst 1812 erwarb Friedrich
Wilhelm HI. von Preußen noch den »Morgen im Riesengebirge«
(Kat. 190) und die »Gartenterrasse« (Kat. 199). Im Juni desselben
Jahres wandte sich Friedrich, der durch die Kriegszeiten in Not
geraten war, vergeblich nach Weimar, um ältere Sepiazeichnun-
gen zu verkaufen, von denen er sich vorher nicht hatte trennen
wollen. Goethes Bemühungen, Käufer zu finden, blieben jedoch
erfolglos92.
Die Kriegszeiten drosselten durch die Verarmung auch die schöp-
ferische Kraft der Künstler. Friedrich, der in den Jahren 1810
und 1811 sehr produktiv gewesen war, malte nur noch wenig.
Zugleich läßt sich eine Verengung seiner Ausdrucksmöglichkei-
ten feststellen. Die naturnahen Darstellungen, beispielsweise
repräsentiert durch die »Böhmische Landschaft mit dem Mille-
schauer« (Kat. 188) oder die »Landschaft mit Eichen und Jäger«
(Kat. 192), verschwinden. Friedrich neigte immer mehr zu sym-
metrischen Kompositionen und zu dunkler Farbigkeit und setzte
die mit der Essener Regenbogenlandschaft (Kat. 183) eingeschla-
gene Richtung einer abstrakten architektonischen Landschaft
fort, deren phantastischer Charakter immer deutlicher zutage
trat und eine doktrinäre Verhärtung seines Denkens wider-
spiegelt.
Den Aufbau eines Bildraumes aus kulissenartig hintereinander
gestaffelten, jeweils symmetrisch gestalteten Schichten hat Fried-
rich, wie es scheint, in äußerster Konsequenz zuerst bei dem
Düsseldorfer »Kreuz im Gebirge« (Kat. 201) versucht und diese
Form als eine sakrale vereinzelt noch in der spätesten Zeit (Kat.
450) verwendet.
Nahezu gleichzeitig erscheint im CEuvre Friedrichs als Jenseits-
vision gotische Architektur, die zumeist phantastische neugotische
Züge hat und von den gotischen Ruinen, die die mittelalterliche
Vergangenheit bezeichnen, zu unterscheiden ist93. Die Dortmun-
der »Winterlandschaft« (Kat. 194) zeigt 1811 wohl zum ersten-
mal einen intakten und erfundenen gotischen Bau. Das Kompo-
sitionsprinzip, das Friedrich hier angewendet hat, ist jedoch noch
das des »Morgens im Riesengebirge« (Kat. 190). Ein Motiv im
Vordergrund als Zentrum der einen Bildhälfte ist gegen ein Mo-
tiv im Hintergrund als Zentrum der anderen aufgewogen, so daß
eine Art von Bildgleichung entsteht. Die Düsseldorfer Land-
schaft ist, wie es scheint, der darauf folgende Schritt, bei dem die
Achsialität der Architektur die gesamte Landschaft beherrscht.
Die Anordnung von Bäumen beispielsweise in der Form eines
Portals als Anspielung auf sakrale Architektur findet sich schon
in der »Wallfahrt bei Sonnenuntergang« von 1805 (Kat. 126).
Friedrich verfolgte mit der architektonisch angelegten Landschaft
nach 1811 nur konsequent einen früheren Ansatz. Auch die An-
lage eines Bildes von einem Grundriß her, die mit letzter Klar-
heit zuerst in Arbeiten nach der Rügenreise von 1806 zu beob-
achten ist, entspricht diesem architektonischen Denken. Carus
erwähnt es, allerdings erst 1819 bei dem »Klosterfriedhof im
Schnee« (Kat.256), tadelnd in einem Brief an Regis: ». . . über-
haupt ist in ihm, wie ich glaube, die Neigung zur Architektur
herrschend und beeinträchtigt die Freiheit der Landschaftsnatur
viel zu sehr94.«
Die Gotik bedeutete in der Kunst Friedrichs, wie auch gleich-
zeitig bei Schinkel und anderen Neugotikern, zunächst wohl ein
nationales Element, das nicht zufällig gleichzeitig mit den ersten
patriotischen Ideen auftrat95. Ob der »Adler über dem Nebel-
meer« (Kat. 157) - von dem Schubert berichtet, Friedrich habe
ihn mit Deutschland verglichen, das sich aus dem Unglück em-
porkämpfen werde96 - schon 1806 entstanden und tatsächlich ein
politisches Bild ist, kann bezweifelt werden. Auch vor den »Zwei
Männern in Betrachtung des Mondes« (Kat. 263), einem eindeu-
tig religiösen Bild, hat Friedrich eine auf die Tagespolitik zie-
lende Bemerkung gemacht, die nicht als Interpretation gemeint
war, wenn er sagte: »Die machen demagogische Umtriebe«97.
Eine feindselige Haltung gegenüber Frankreich scheint sich zu-
erst, freilich sehr versteckt, in der »Gartenterrasse« (Kat. 199) zu
äußern, wo am Beispiel des Französischen Gartens der religions-
feindliche Rationalismus der Franzosen kritisiert ist. Die Partei-
nahme des Malers für den Englischen Garten war in dem ver-
schollenen Gegenstück (Kat. 200) vorgetragen.
Mit aller Offenheit sprach Friedrich sein patriotisches Gefühl
dann in den beiden Fassungen des »Arminiusgrabes« (Kat. 205,
206) und im »Chasseur im Walde« (Kat. 207) aus. Friedrich deu-
tete in diesen Bildern ursprünglich religiös gemeinte Symbole in
patriotische um, ein Vorgang, der sich zwanglos vollziehen
konnte, weil Patriotismus und Frömmigkeit in eins gesetzt und
Napoleon als der Antichrist verdammt wurde. Der Winter im
»Chasseur im Walde« wird zum Gleichnis für die gegenwärtige
Not, dem aber ein Frühling als Symbol für die Befreiung folgen
sollte. Die Tannen, die sonst gläubige Christen bedeuten, bezeich-
nen hier die Patrioten, die durch ihr Zusammenstehen dem Feind
den Untergang bereiten werden. Es ist bemerkenswert, daß
Friedrich hier die Fichte als Symbol des Helden verwandte, nicht
die Eiche, die allgemein als Sinnbild des Heldischen und zugleich
als ein nationales Symbol galt. In diesem Sinne begegnet die Eiche
in der patriotischen Kunst allenthalben98. Friedrich hat lediglich
in dem Hamburger »Arminiusgrab« (Kat. 205) durch abgeschla-
gene Eichenäste auf die Gefallenen hingewiesen. Die Eiche als
Sinnbild einer heidnisch-heroischen Lebenshaltung war für ihn
mit negativen Wertvorstellungen verbunden. Vielleicht ist es
auch kein Zufall, daß Friedrich im Sommer 1813, als er sich we-
gen der Kampfhandlungen aus Dresden in die Sächsische Schweiz
zurückzog, hauptsächlich Fichtenstudien zeichnete99 und eine von
ihnen mit der Aufschrift versah: »Rüstet Euch heute zum neuen
Kampf Teutsche Männer Heil Euren Waffen!«100 Die Veranke-
rung des politischen Denkens im Religiösen hat Friedrich - trotz
der blinden Intoleranz, die er zum Beispiel gegenüber seinem
Bruder Christian an den Tag legte, als dieser 1808 nach Paris
ging101 - doch vor dem zügellosen Haß bewahrt, der sich in Kleists
»Hermannsschlacht« äußert. Charakteristisch für ihn ist das Ver-
halten, das er in einem Brief an Luise Seidler vom 2.5.1814
selbst schildert102: Er hatte ein Bild gemalt, mit dem er die Va-
terlandsverräter verdammen wollte. Es zeigte unter anderem
einen auf ein Rad geflochtenen Leichnam. Dieses Bild übermalte
er jedoch, weil es ihm zu ekelhaft erschien (Kat. 214). Eine un-
mittelbare Verbindung zwischen den patriotischen Bildern
Friedrichs und Kleists genanntem Drama erscheint schon aus die-
sem Grunde unwahrscheinlich, ganz abgesehen davon, daß Fried-
richs künstlerische Äußerungen später erfolgten103.
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also das Beengende des Gebirges, als die Bergmassive gesehen89.
Die Harzreise, die Friedrich auf dem Rückweg nach Jena führte,
brachte eine neue Begegnung mit Goethe90. Ende des Jahres stellte
er, vielleicht als Ergebnis dieses Kontaktes, in Weimar neun
Gemälde aus, mehr als er jemals irgendwo zusammen gezeigt
hat91. Anscheinend wurde jedoch auf dieser Ausstellung vom
Weimarer Hof nichts gekauft. Im Herbst 1812 erwarb Friedrich
Wilhelm HI. von Preußen noch den »Morgen im Riesengebirge«
(Kat. 190) und die »Gartenterrasse« (Kat. 199). Im Juni desselben
Jahres wandte sich Friedrich, der durch die Kriegszeiten in Not
geraten war, vergeblich nach Weimar, um ältere Sepiazeichnun-
gen zu verkaufen, von denen er sich vorher nicht hatte trennen
wollen. Goethes Bemühungen, Käufer zu finden, blieben jedoch
erfolglos92.
Die Kriegszeiten drosselten durch die Verarmung auch die schöp-
ferische Kraft der Künstler. Friedrich, der in den Jahren 1810
und 1811 sehr produktiv gewesen war, malte nur noch wenig.
Zugleich läßt sich eine Verengung seiner Ausdrucksmöglichkei-
ten feststellen. Die naturnahen Darstellungen, beispielsweise
repräsentiert durch die »Böhmische Landschaft mit dem Mille-
schauer« (Kat. 188) oder die »Landschaft mit Eichen und Jäger«
(Kat. 192), verschwinden. Friedrich neigte immer mehr zu sym-
metrischen Kompositionen und zu dunkler Farbigkeit und setzte
die mit der Essener Regenbogenlandschaft (Kat. 183) eingeschla-
gene Richtung einer abstrakten architektonischen Landschaft
fort, deren phantastischer Charakter immer deutlicher zutage
trat und eine doktrinäre Verhärtung seines Denkens wider-
spiegelt.
Den Aufbau eines Bildraumes aus kulissenartig hintereinander
gestaffelten, jeweils symmetrisch gestalteten Schichten hat Fried-
rich, wie es scheint, in äußerster Konsequenz zuerst bei dem
Düsseldorfer »Kreuz im Gebirge« (Kat. 201) versucht und diese
Form als eine sakrale vereinzelt noch in der spätesten Zeit (Kat.
450) verwendet.
Nahezu gleichzeitig erscheint im CEuvre Friedrichs als Jenseits-
vision gotische Architektur, die zumeist phantastische neugotische
Züge hat und von den gotischen Ruinen, die die mittelalterliche
Vergangenheit bezeichnen, zu unterscheiden ist93. Die Dortmun-
der »Winterlandschaft« (Kat. 194) zeigt 1811 wohl zum ersten-
mal einen intakten und erfundenen gotischen Bau. Das Kompo-
sitionsprinzip, das Friedrich hier angewendet hat, ist jedoch noch
das des »Morgens im Riesengebirge« (Kat. 190). Ein Motiv im
Vordergrund als Zentrum der einen Bildhälfte ist gegen ein Mo-
tiv im Hintergrund als Zentrum der anderen aufgewogen, so daß
eine Art von Bildgleichung entsteht. Die Düsseldorfer Land-
schaft ist, wie es scheint, der darauf folgende Schritt, bei dem die
Achsialität der Architektur die gesamte Landschaft beherrscht.
Die Anordnung von Bäumen beispielsweise in der Form eines
Portals als Anspielung auf sakrale Architektur findet sich schon
in der »Wallfahrt bei Sonnenuntergang« von 1805 (Kat. 126).
Friedrich verfolgte mit der architektonisch angelegten Landschaft
nach 1811 nur konsequent einen früheren Ansatz. Auch die An-
lage eines Bildes von einem Grundriß her, die mit letzter Klar-
heit zuerst in Arbeiten nach der Rügenreise von 1806 zu beob-
achten ist, entspricht diesem architektonischen Denken. Carus
erwähnt es, allerdings erst 1819 bei dem »Klosterfriedhof im
Schnee« (Kat.256), tadelnd in einem Brief an Regis: ». . . über-
haupt ist in ihm, wie ich glaube, die Neigung zur Architektur
herrschend und beeinträchtigt die Freiheit der Landschaftsnatur
viel zu sehr94.«
Die Gotik bedeutete in der Kunst Friedrichs, wie auch gleich-
zeitig bei Schinkel und anderen Neugotikern, zunächst wohl ein
nationales Element, das nicht zufällig gleichzeitig mit den ersten
patriotischen Ideen auftrat95. Ob der »Adler über dem Nebel-
meer« (Kat. 157) - von dem Schubert berichtet, Friedrich habe
ihn mit Deutschland verglichen, das sich aus dem Unglück em-
porkämpfen werde96 - schon 1806 entstanden und tatsächlich ein
politisches Bild ist, kann bezweifelt werden. Auch vor den »Zwei
Männern in Betrachtung des Mondes« (Kat. 263), einem eindeu-
tig religiösen Bild, hat Friedrich eine auf die Tagespolitik zie-
lende Bemerkung gemacht, die nicht als Interpretation gemeint
war, wenn er sagte: »Die machen demagogische Umtriebe«97.
Eine feindselige Haltung gegenüber Frankreich scheint sich zu-
erst, freilich sehr versteckt, in der »Gartenterrasse« (Kat. 199) zu
äußern, wo am Beispiel des Französischen Gartens der religions-
feindliche Rationalismus der Franzosen kritisiert ist. Die Partei-
nahme des Malers für den Englischen Garten war in dem ver-
schollenen Gegenstück (Kat. 200) vorgetragen.
Mit aller Offenheit sprach Friedrich sein patriotisches Gefühl
dann in den beiden Fassungen des »Arminiusgrabes« (Kat. 205,
206) und im »Chasseur im Walde« (Kat. 207) aus. Friedrich deu-
tete in diesen Bildern ursprünglich religiös gemeinte Symbole in
patriotische um, ein Vorgang, der sich zwanglos vollziehen
konnte, weil Patriotismus und Frömmigkeit in eins gesetzt und
Napoleon als der Antichrist verdammt wurde. Der Winter im
»Chasseur im Walde« wird zum Gleichnis für die gegenwärtige
Not, dem aber ein Frühling als Symbol für die Befreiung folgen
sollte. Die Tannen, die sonst gläubige Christen bedeuten, bezeich-
nen hier die Patrioten, die durch ihr Zusammenstehen dem Feind
den Untergang bereiten werden. Es ist bemerkenswert, daß
Friedrich hier die Fichte als Symbol des Helden verwandte, nicht
die Eiche, die allgemein als Sinnbild des Heldischen und zugleich
als ein nationales Symbol galt. In diesem Sinne begegnet die Eiche
in der patriotischen Kunst allenthalben98. Friedrich hat lediglich
in dem Hamburger »Arminiusgrab« (Kat. 205) durch abgeschla-
gene Eichenäste auf die Gefallenen hingewiesen. Die Eiche als
Sinnbild einer heidnisch-heroischen Lebenshaltung war für ihn
mit negativen Wertvorstellungen verbunden. Vielleicht ist es
auch kein Zufall, daß Friedrich im Sommer 1813, als er sich we-
gen der Kampfhandlungen aus Dresden in die Sächsische Schweiz
zurückzog, hauptsächlich Fichtenstudien zeichnete99 und eine von
ihnen mit der Aufschrift versah: »Rüstet Euch heute zum neuen
Kampf Teutsche Männer Heil Euren Waffen!«100 Die Veranke-
rung des politischen Denkens im Religiösen hat Friedrich - trotz
der blinden Intoleranz, die er zum Beispiel gegenüber seinem
Bruder Christian an den Tag legte, als dieser 1808 nach Paris
ging101 - doch vor dem zügellosen Haß bewahrt, der sich in Kleists
»Hermannsschlacht« äußert. Charakteristisch für ihn ist das Ver-
halten, das er in einem Brief an Luise Seidler vom 2.5.1814
selbst schildert102: Er hatte ein Bild gemalt, mit dem er die Va-
terlandsverräter verdammen wollte. Es zeigte unter anderem
einen auf ein Rad geflochtenen Leichnam. Dieses Bild übermalte
er jedoch, weil es ihm zu ekelhaft erschien (Kat. 214). Eine un-
mittelbare Verbindung zwischen den patriotischen Bildern
Friedrichs und Kleists genanntem Drama erscheint schon aus die-
sem Grunde unwahrscheinlich, ganz abgesehen davon, daß Fried-
richs künstlerische Äußerungen später erfolgten103.
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