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beeindruckt. So schreibt er voller Wärme am 25. April 1812:
»Wie selten ist das Vollendete!«13 Als erstaunliche Tatsache und
als Beweis für ein Schwanken von Goethes Urteil gegenüber
Friedrich muß jedoch bemerkt werden, daß Goethe, wie Kletzl
nachgewiesen hat14, von Kreuzlandschaften Friedrichs zu eige-
nen Landschaftszeichnungen mit Kreuzen inspiriert worden ist.
Im Unterschied zu Goethes Haltung gegenüber Friedrich ist oft
Kleists entschiedenes Eintreten für den Künstler mit seinem Auf-
satz über den »Mönch am Meer« gerühmt worden15. Die sprach-
liche Wucht ist Friedrich kongenial, es ist aber zu bedenken, daß
die großartige Wirkung, die manche dunkle Stellen des Textes
machen, Ergebnis der Flüchtigkeit sind, mit der Kleist den iro-
nisch gehaltenen Aufsatz Brentanos überarbeitet hat. Sätze von
Kleist stehen ohne logischen Bezug neben Wendungen Brenta-
nos16. Kleist ist von der Kühnheit der Darstellung gepackt, emp-
findet besonders die schmerzhafte Weite des Raumes und versteht
die Landschaft sofort als eine Aussage über den Tod. Hier ist der
Bezugspunkt zwischen Kleist und Friedrich, aber in einer uns
kaum verständlichen Weise sieht Kleist im »Mönch am Meer«
eine illusionistische Wirkung und greift zur Erklärung seines
Eindrucks zu dem antiken Topos, die Tiere würden von dieser
Malerei getäuscht werden. Hinzu kommt die Assoziation einer
märkischen Gegend, wodurch deutlich wird, wie sehr Kleist auf
seine eigene Welt fixiert war und wie schwer es ihm deshalb
sein mußte, auf Friedrichs Aussage einzugehen. So bemerkt er
die religiöse Thematik und den allegorischen Charakter der
Landschaft nicht. Auch die Besprechung des »Mönch am Meer«
und der »Abtei im Eichwald« im »Journal für Kunst, Kunst-
sachen, Künsteleien und Moden« von 1810 hebt den Effekt der
Täuschung hervor, den die Bilder machen, und schließlich lobt
Johanna Schopenhauer bei der »Abtei im Eichwald« die »1;reue
Nachbildung der Natur« und »glaubt, den Schnee unter den Trit-
ten knistern zu hören«17.
Dagegen hat Theodor Körner in seinen beiden, 1815 erstmals
veröffentlichten Sonetten über die »Abtei im Eichwald« von 1810
den allegorischen Gehalt dieses Bildes betont und richtig ge-
deutet.
Es waren also sehr unterschiedliche Eindrücke, die die zeitgenös-
sischen Betrachter vor den Werken Friedrichs empfingen. Das
Verfahren, genau durchgebildete, aufgrund von Naturstudien
gemalte Einzelheiten in einen erdachten Raum zu stellen, wurde
kaum durchschaut. Ramdohr hat hier den schärfsten Blick be-
wiesen. Im allgemeinen wurde das exakt aus der Naturstudie
übernommene Detail als Hinweis auf die Absicht des Künstlers
genommen, eine illusionistische Wirkung zu erzielen. Bezeich-
nend für diese Einstellung ist die Anekdote über Friedrich Wil-
helm III., die Schadow überliefert18: Danach hat der König 1812
im »Morgen im Riesengebirge« (Kat. 190) die überzeugende
Wiedergabe eines Natur eindrucks gesehen und vermutlich des-
halb das Bild erworben. Für den Herzog August von Sachsen-
Gotha-Altenburg war der Mangel an Naturtreue das Kriterium,
zwei Jahre zuvor die Gemälde Friedrichs abzulehnen, in denen
der allegorische Gehalt mit aller Deutlichkeit auf Kosten eines
abbildhaften Eindrucks vorgetragen wurde19. Anscheinend hat
der Herzog später sein Urteil revidiert, als er eine Variante des
Tetschener Altars (Kat. 308) in Auftrag gab.
Die Entwicklung des Stiles zu einer starren, feierlichen Form
hat auch bald bei der Kunstkritik Einwände hervorgerufen, zu-
erst 1812 im »Journal des Luxus und der Moden« anläßlich der

Dresdener Ausstellung, schroffer dann 1814 in der »Zeitung für
die elegante Welt« anläßlich der Berliner Ausstellung. Christian
August Semler ist es vermutlich, der 1819 im Kunstblatt die Sym-
metrie einer Komposition rügt. Als nach den Freiheitskriegen
die Staffage eine größere Bedeutung erlangte, versuchte die Kri-
tik bisweilen, die Bilder novellistisch auszudeuten. Von dem ver-
schollenen Bild »Söller vor dem Domplatz« gibt es mehrere
Besprechungen mit dieser Tendenz. Besonders verfehlt ist das
Gedicht über dieses Gemälde von Theodor Winkler20. Auch ein
Dichter vom Rang Fouques hat in einem 1822 verfaßten Sonett
über die »Frau am Fenster« (Kat. 293) das Bild völlig mißdeu-
tet21, indem er den religiösen Sinn verkannte und sich durch den
Reiz der Frauengestalt zu einem Liebesgedicht inspirieren ließ,
das wohl als ein Kompliment an Caroline Friedrich gemeint war.
Besser gelungen ist ein Sonett über ein verschollenes Bild mit
einem Schwan22. Im selben Jahr hat Agnes Franz die Todes- und
Auferstehungssymbolik eines Seestückes, vermutlich des Lenin-
grader »Mondaufgangs am Meer« (Kat. 281), einfühlsam in
einem Gedicht benannt. Unter den Schriftstellern, die sich nach
1815 über Friedrich geäußert haben, verdient noch Otto Hein-
rich Graf von Loeben eine Erwähnung. Er hat in den »Lotos-
blättern« von 1817 Friedrichs Ausrichtung auf etwas Jenseitiges
mit behutsamen Worten beschrieben.
Carl Töpfer dagegen trifft die Intention Friedrichs nicht, wenn
er ein Erlebnis in der Berliner Akademieausstellung von 1810
vor dem »Mönch am Meer« und der »Abtei im Eichwald« schil-
dert und in der geistigen Kraft des Kunstwerkes das Hilfsmittel
zur Befreiung aus irdischer Trübsal sieht23. Ein ähnliches Un-
verständnis der religiösen Aussagen Friedrichs verrät die aus-
führliche Besprechung der Hamburger Ausstellung von 1826
durch Töpfer.
Die Kunstkritik unternahm im allgemeinen nur noch geringe
Anstrengungen, in die Kunst Friedrichs einzudringen. Mit dem
Auftreten Dahls in Dresden 1818 war eine Kontrastfigur vor-
handen, die dazu beitrug, die Denkschemata zu vereinfachen.
Friedrich wurde als der Idealist, Dahl als der Naturalist be-
zeichnet.
Die Leere in vielen Bildern Friedrichs wird entweder als Appell
an das Ahnungsvermögen akzeptiert - zweimal, im »Leipziger
Kunstblatt« von 1817 und in der »Wiener Zeitschrift« von 1820
assoziiert man »ungeschriebene Zeilen«, die um so mehr sagen -
oder es wird über den Mangel an Sichtbarem gespottet. Vor al-
lem der verschollene Tondo mit einer Eule auf der Dresdener
Ausstellung von 1820 (Kat. 267) verwirrt die Betrachter. Man
betrachtet das Bild als Rätsel; es wird auf die Vielfalt der Deu-
tungsmöglichkeiten verwiesen. Die »Blätter für literarische Un-
terhaltung« von 1826 stellen anläßlich der Ausstellung des
Lebensalterzyklus in Sepia (Kat. 338-344) fest, diese Zeichnungen
könnten »Kunsthieroglyphen oder Rätselspiele heißen, die ein
jeder erklären kann, wie er will«.
Einerseits wird Friedrich vorgeworfen, er sei zu sehr in einer
Manier befangen, andererseits wird aber auch die Ausweitung
seines Stils in den vedutenhaften Bildern manchmal kritisiert;
so mißfallen dem Rezensenten der Wiener Zeitschrift von 1823
das Bilderpaar »Ländliche ebene Gegend« und »Landschaft mit
Windmühlen« (Kat. 302 und 303) als »prosaisch«. Die Wahl un-
gewöhnlicher Bildmotive zur Versinnbildlichung neuer Gedan-
ken bezeichnet man wiederum als Originalitätssucht. Vor allem
das »Eismeer« von 1824 (Kat. 311) wurde mit Tadel bedacht.

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