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duum in seiner persönlichen Einzigartigkeit und Problematik
gerecht zu werden. Im Falle Friedrichs kommt hinzu, daß das
Thema des Todes außerhalb der ideologischen Diskussion steht
und daher verdrängt wird48. Bei Irma Emmrich führt die Be-
fangenheit in marxistischen Denkbahnen zum Beispiel dazu, daß
eine subtile Todesallegorie wie die >Rast bei der Heuernte« (Kat.
425) als Motiv aus der Welt der Arbeit49 und die Ruinen im Hin-
tergrund des Bildes im Sinne einer politischen Prognose gedeutet
werden, oder der Vordergrund im »Großen Gehege« (Kat. 599)
wird als »nichtkultiviertes Überschwemmungsland der Ebene«
und als »Sachverhalt im Sinne des Realismus«50 bezeichnet. Mit
dem Gebrauch der Kunst für Zwecke, die dem Künstler selbst
fernlagen, zeigt die 1964 erschienene Friedrich-Monographie
von Irma Emmrich ein Verhältnis zur Wissenschaftlichkeit, die
mit der Einstellung Eberleins vergleichbar ist. Berührungspunkte
bestehen auch in der Nachlässigkeit bei äußeren Fakten.
Die russische Wissenschaftlerin Antonina Isergina, die nicht in
gleicher Weise zur politischen Agitation angehalten war, kann
die von ihr 1956 publizierten Bilder der Eremitage ebenfalls
nicht anders als materialistisch-vordergründig begreifen. Sie trägt
sonst lediglich der Stimmung Rechnung. In einer falschen Ein-
schätzung des Verhältnisses von politischen und religiösen Gedan-
ken bei Friedrich liegt auch der Mangel der im übrigen wichtigen
Arbeit von Gerhard Eimer über Friedrich und die Gotik (1963),
deren Verdienst in einem nachdrücklichen Hinweis auf die ge-
dankliche Aussage in Friedrichs Kunst besteht. Ich selber habe
in meiner Dissertation von 1958 (1960 erschienen) diesen »poe-
tischen« Charakter nicht genügend berücksichtigt und die Ent-
wicklung Friedrichs zu einseitig aus einer inneren formalen Lo-
gik zu erklären versucht.
In den letzten Jahren ist die Ikonographie in der Kunst des

19. Jahrhunderts stärker beachtet worden, vermutlich nicht ohne
Zusammenhang mit neuen gegenständlichen Tendenzen und
einem wiedererwachten Sinn für Symbole in der gegenwärtigen
Kunst51. Die Motivforschung zum 19. Jahrhundert hat die Vor-
liebe für bestimmte Bildgegenstände auch bei Friedrich festge-
stellt, eine ungenügende Berücksichtigung seiner »Eigentümlich-
keit« hat hier jedoch nicht viel mehr als die Eingliederung von
Werken Friedrichs in Motivreihen ergeben. Die symbolische
Aussage der Motive wurde bisher nicht präzise genug erkannt.
Im ganzen hat die Friedrichforschung im vergangenen Jahrzehnt
im Zuge der zunehmenden Beachtung des 19. Jahrhunderts nicht
nur an Umfang, sondern auch an innerem Gewicht zugenommen.
Auch das Ausland hat wichtige Beiträge geliefert, vor allem die
skandinavische Kunstgeschichte52, die damit eine durch Andreas
Aubert begründete Tradition fortsetzt.
Die Ausstellung »The Romantic Movement«, 1959 in London,
hat Friedrich vor allem im angelsächsischen Bereich ein so großes
Publikum erworben, daß die Tate-Gallery 1972 die bisher um-
fangreichste Friedrich-Ausstellung veranstalten konnte. Auch
die volkstümliche Kunstpublizistik des Auslandes berücksichtigt
Friedrich. Versuche, den Künstler in die europäische Kunstge-
schichte einzugliedern, konnten jedoch bisher nicht überzeugen,
weil der prägende Anteil des Zeitgeistes an seiner Kunst gegen-
über dem der geistig-seelischen Konstitution bisher nicht klar
genug herausgearbeitet worden ist. Die Forschung ist für eine
solche Überschau noch nicht weit genug fortgeschritten.
Mit den »Caspar-David-Friedrich-Studien« von Werner Su-
mowski wurde 1970 erstmals ein umfangreiches Buch über den
Künstler vorgelegt, dessen wissenschaftliches Niveau den Maß-
stäben entspricht, die an die Behandlung klassischer Themen der
Kunstgeschichte von der Spezialforschung angelegt werden.

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