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Einfaches und Bekanntes darzustellen, wenn man verstanden sein will.
Ein Kiefernbäumchen ist uns jedenfalls verständlicher als ein Palm-
baum, den wir nie gesehen [Kat. 561]. Inzwischen hatte Friedrich doch
immer nur ein kleines Publikum, weil er, wennschon mittels bekannter
Formen, dennoch etwas zur Anschauung brachte, was die meisten Men-
schen fliehen, nämlich die Einsamkeit. Hätte mein Vater die Fremden,
die seine Werkstatt besuchten, nicht regelmäßig auf Friedrich verwie-
sen und überall Lärm für ihn geschlagen, so würde der bedeutendste
Landschaftsmaler seiner Zeit gehungert haben.
Dieser originelle Meister entstammte traditionell einem alten Grafen-
geschlecht, das, evangelischen Bekenntnisses wegen, vorzeiten aus sei-
nem Stammsitz Friedrichsdorf in Schlesien ausgewiesen, sich nach Pom-
mern gewandt und dort der Seifensiederei ergeben hatte. Auch unser
Friedrich war der Sohn eines Greifswalder Seifensieders, und von den
Eigenschaften seiner Ahnen hatten sich nur die inneren Werte tapferer
Wahrheitsliebe, stolzen Freiheitssinnes und einer hohen moralischen
Selbständigkeit auf ihn vererbt. Im übrigen war er so arm wie Kepler,
von dem der Dichter singt: »Er wußte nur die Geister zu vergnügen,
drum ließen ihn die Leiber ohne Brot«. Auch Friedrich kam aus seiner
bedrängten Lage nie heraus, weil er zu menschenscheu und unbeholfen,
vielleicht zu gut für diese Welt war. Namentlich nach dem Tode meines
Vaters gestaltete sich sein Leben immer trüber, aber der Adel seiner
Seele blieb ungebrochen. Die Felsenkoppe, die aus Nebeln nach der
Sonne schaut, das war sein Bild.
s-94
[Über Kerstings Bildnisse Kügelgens und Friedrichs in ihren Ateliers]
Friedrichs Atelier dagegen war von absoluter Leerheit, daß Jean Paul
es dem ausgeweideten Leichnam eines toten Fürsten hätte vergleichen
können. Es befanden sich nichts darin als die Staffelei, ein Stuhl und ein
Tisch, über welchem als einzigster Wandschmuck eine einsame Reiß-
schiene hing, von der niemand begreifen konnte, wie sie zu der Ehre
kam. Sogar der wohlberechtigte Malkasten nebst Ölflaschen und Farbe-
lappen war ins Nebenzimmer verwiesen, denn Friedrich war der Mei-
nung, daß alle äußern Gegenstände die Bilderwelt im Innern stören.
Ebenso verschieden als die Arbeitszimmer war denn auch das Aussehen
der beiden Arbeiter selbst. Mein Vater brünett mit glattrasiertem Kinn,
war stets sehr ordentlich gekleidet, während der hochblonde und kosa-
kenbärtige Friedrich sich bei der Arbeit mit einem langen, grauen
Reisemantel zu begnügen pflegte, der es zweifelhaft ließ, ob er sonst
noch etwas darunter habe; und wer ihn kannte, wußte, daß dies nicht
der Fall war.
S.171
Der treffliche Friedrich, aus dessen Landschaften immer tiefer Sinn
sprach, hatte in jener Zeit ein schönes Bild vollendet. Auf hohem Fel-
senkegel, der, aus dunkler Tiefe aufsteigend, in den heiteren Morgen-
himmel ragt, steht ein Kreuz. Daran klammert sich mit der einen Hand
ein Weib, während sie die andere hilfreich dem nachkletternden Manne
reicht [Kat. 190]. Das war ein rührendes Kapitel aus der Geschichte der
Menschheit und insbesondere die Geschichte meiner Eltern. Die Mut-
ter war vorangepilgert auf dem Glauhenspfade. Sie erreichte zuerst die
Höhe, da ihres Herzens Trost stand, und zog jetzt den Mann nach, den
sie liebte.
1872
USSING, J. L., Niels Lauritz Hoyens Levned. Kopenhagen 1872, I,
S. 46-48
[In Dänisch über Hoyens Dresdner Zeit 1822/23]
Hartmann war in Italien. In Frederik Mathaei fand er einen besonders
fleissigen Künstler, aber kalt, ohne Lebhaftigkeit und Erfindungsgabe;
man hatte ihm eine zu grosse Ehre erwiesen, ihn mit Eckersherg zu
vergleichen. Dagegen fühlte Hoyen ein grosses Gefallen an Caspar
David Friedrich; wir wollen ihn selber [= Hoyen] sprechen lassen:
»Friedrich wurde 1774 in Greifswald geboren, lebte aber in Kopenha-
gen in den neunziger Jahren (1795 ff.), wo er teils an der Akademie
lernte, teils Haas bei der Ausführung seiner norwegischen Prospekte
behilflich war. Von dort zog er über Berlin nach Dresden, wo er sich
seitdem aufgehalten hat. Erst spät fing er an in Ölfarben zu malen;
seine früheren Arbeiten waren alle in Sepia, die er ganz vorzüglich zu
meistern weiss. Viele Wertungen sind diesem Mann zuteil geworden;
eine wahrlich erschöpfende habe ich aber immer noch nicht gehört.

Seine Grundprinzipien sind zweifellos, dass der Künstler die vollsten
und tiefsten Gefühle seines Herzens aussprechen müsse, und alles sich
auf Fach und Gruppierung Beziehende müsse in der Kunst tot und
machtlos sein; jeder Gegenstand, der Gefühl erweckt, sei der Bearbei-
tung würdig; nicht die Gegenstände selber, sondern nur die mangel-
hafte Bearbeitung mag unbedeutend sein; hat aber der Künstler etwas
anderes darzustellen, als das, was mit seinem Gefühl übereinstimmt,
würde er ein Lügner sein und seine Arbeit eine Unwahrhaftigkeit, also
ein unechtes Kunstwerk. Betrachtet man seine Arbeiten unter diesem
Gesichtspunkt, so fallen die meisten Äusserungen von Wiederholung
von sich selber, Leere etc. völlig aus; doch fehlerlos werden seine Arbei-
ten dadurch nicht. Ebenso habe ich ihn hier in Dresden scharf getadelt
gehört; gewöhnlich endet man mit der Floskel, dass er poetisch sei, ein
Wort, das die lieben Herrn hinschleudern, wie in öhlenschläger’s
»Correggio« das Wort »Talent«. Poesie ist gemeinsam für alle Künstler.
Friedrich’s Kennzeichen sind die Wahrhaftigkeit, mit der er die Natur
darstellt, und seine tiefe Naturanschauung, die innige Liebe, mit der er
die Natur darstellt. Meine, schon in meinem Geburtslande so dunkel
geahnte Idee, wie die Landschaftsmalerei beeindrucken könnte und
müßte, ist ihm eine feste Überzeugung geworden, denn in seinen Arbei-
ten habe ich nicht nur die Natur im hohen Grad lebend und treu dar-
gestellt gefunden, sondern ebenso dies mehr verborgene Naturleben,
wodurch jede Naturerscheinung uns in eigentümlicher Weise anspricht,
und es kommt uns vor, als ob alle unsere Empfindungen, alle unsere
Ahnungen von der grossen, weiten Natur beantwortet werden, genau wie
unser Ruf vom Echo wiederholt wird. Diejenigen aber, welche glauben,
dass er ein einseitiger Mystiker sei und nur traurige Nachtstücke oder
Nebelbilder male, die irren sich schwer. Ich habe Mondlichtbilder von
ihm gesehen mit ungewöhnlicher Wahrhaftigkeit und schwärmerischer
Wehmut ausgeführt, aber ebenso habe ich freundliche Sonnenblitze,
heitere, intensive Morgenbilder etc. gesehen. Es ist die Wiedergabe der
Luftpartien, welche besonders den Bildern Leben verleiht. Die schwere,
bläuliche Winterluft, die befruchtende, dunstgefüllte Frühlingsluft,
den klaren Morgenhimmel, das wunderlich magische in den Wirkun-
gen des Mondlichtes, den sich leicht und luftig erhebenden Fluss- und
Morgennebel, habe ich mit verblüffender Wahrhaftigkeit gesehen. So
der weiche, reine Schnee, die durchsichtigen Eismassen, das betaute,
frische Moos, das Sonderbare bei der Flucht der Vögel, das alles zeugt
hinlänglich, dass er nicht nur ein empfindungsvoller, sondern auch ein
darstellender Künstler ist. Jede von seinen Arbeiten formt sich zu einem
Ganzen; daraus entsteht die machtvolle Wirkung, wenn man erst mit
seiner anscheinend einfachen Darstellungsform vertraut geworden ist.
Wie sonderbar es auch klingen mag, es ist doch wahr, dass jede von
seinen Landschaften voller Religiosität ist, und es ist eben sein tiefes
Gefühl der endlosen Liebe, welche Gott in der Natur offenbart hat,
die ihn dazu gebracht hat, Landschaften als Altarbilder auszuführen.
Sein Künstlerleben ist ein herrlicher Beweis seiner eigenen Grund-
sätze; keine Mode, keine Not haben ihn dazu gebracht, seine Über-
zeugung zu verlassen. Seine Umstände sind höchst bedrängt gewesen;
lange hat es gedauert, bis er anerkannt wurde, und dennoch ist er ruhig
seinen Weg gewandert; so dürfte es jeder Künstler tun. Sein Charakter
ist in hohen Massen liebenswürdig. Ich bin viel mit ihm zusammen
gewesen. Jedes Mal, wenn ich in seine Malerstube eintrat, wurde es
mir wohl zu Mute, denn es ist in seinem Gesicht, in seinem ganzen We-
sen etwas unsäglich Wohltuendes. Er hat mir seine eigenen Betrach-
tungen über einige seiner Malereien vorgelesen; sie sind voller Gefühl,
voller Poesie.

1873
KLETKE, Hermann, Kunst und Leben. Aus Friedrich Försters Nach-
laß. Berlin 1873, S. 79, 80
[Begegnung mit Christian Förster, Karl Förster und Friedrich 1809]
Den anderen Herrn auf der Terrasse der bretternen Saloppe hatte ich,
wegen seines hochblonden Haares, seiner blauen Augen, seiner zart-
weißen Hautfarbe und wegen der englischen Worte — es war jedoch,
was ich damals noch nicht kannte, plattdeutsch, — welche er in seine Rede
mischte, für einen Engländer gehalten. Jetzt erfuhr ich, daß es ein ehr-
licher Pommer und dazu noch der Landschaftsmaler Friedrich aus
Greifswald war. Als ich nach Beendigung meiner akademischen Studien

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