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begegnen würde. Endlich war der ersehnte Augenblick da, aller Schmerz
war aus den reinen, schönen Zügen gewichen in verklärtem Glanze
lächelte das Auge sie an. Schön wie ein Engel lag er da und freute sich
ihrer Liebe. Marie war unendlich glücklich, als er die Augen zu sanf-
tem Schlummer schloß, wiederstand sie den Bitten der Ärzte nicht,
sich jetzt der Ruhe zu überlassen. Sie versank in einen tiefen Schlaf.
Plötzlich war es ihr, als berühre sie der Atem des Geliebten, als riefe
er ihr zu: »Lebe wohl Marie«. Sie fuhr auf. Sie konnte sich nicht er-
muntern. Angstvoll kleidete sie sich an und wollte zu ihm. Seine Tür
war verschlossen. Sie hörte die Stimmen der Ärzte im Nebenzimmer.
Verzweiflungsvoll riß sie an dem Schloß. Der Riegel sprang zurück.
Die Türe flog auf — da lag der blutige Leichnam unter dem Messer der
Ärzte auf dem Tische ausgestreckt. Dies war zuviel für die arme Ma-
rie! Mit einem Wehgeschrei sank sie zu Boden. Man trug sie auf ihr
Lager, das sie lebend nicht verließ. Ein hitziges Fieber ließ sie nicht
zum vollen Bewußtsein kommen. In den wirren Phantasien tauchte nur
immer der Abschiedsgruß des Geliebten auf. Meine Mutter war nun
allein unter den fünf Brüdern, der 6. war beim Schlittschuhlaufen er-
trunken. Man hatte den Verunglückten schon über dem Eise hervor-
gezogen als der Mann, der ihn hauptsächlich hielt, der Meerschaum-
pfeifenkopf in das Wasser fiel, er griff danach, der junge Mensch fiel
zurück und war verloren. Diese beiden Todesfälle erzählte meine Mut-
ter nur einmal, sonst sprach sie nie davon. Das Andenken daran griff
sie zu sehr an. Unterdess hatten die Haushälterinnen meines Großva-
ters das Interesse ihres Herrn nicht eben wahrgenommen. Als meine
Mutter das Hauswesen übernahm, war Mangel an allen Enden. Wäsche
war fast gar nicht da. Meine gute Mutter trug gern jede Entbehrung
um sie dem Vater weniger fühlbar zu machen. Fleißig, sehr fleißig
arbeitete meine Mutter und beschränkte sich auf das notwendigste,
denn nur langsam konnte dem Mangel abgeholfen werden, da das
Geld dem Geschäfte nicht entzogen werden konnte, auch die Söhne
größere Ausgaben notwendig machten. So kam es denn, als mein Vater
die Pfarre erhielt, mein Großvater nicht imstande war die Tochter aus-
zustatten . . . Mein Großvater blieb nicht immer so arm. Heinrich
einer der Söhne stand seinem Vater mit Eifer und Treue bei. Er hatte
in der Fremde seine Kenntnisse in seinem Fache bedeutend erweitert,
und seine wissenschaftliche Bildung führte ihn selbst auf Verbesse-
rungen. Der Himmel segnete seinen Fleiß; der Wohlstand der Familie
hob sich. Als der älteste Bruder bei dem Vater einziehen und das Ge-
schäft übernehmen wollte, trat Heinrich freiwillig zurück, kaufte am
Markt ein großes altertümliches Giebelhaus für 1100 rth und grün-
dete ein eigenes Geschäft. Seine Intelligenz und seine einfachen Sitten
nahm er mit auf den Weg, und der Segen folgte ihm. Immer war er
der Helfer der bedürftigen Familienglieder gewesen; doch vermied
er den Schein eines solchen und hielt selbst seinen Rat zurück, der
Meinung, jeden seine Kräfte prüfen zu lassen. Trotz der großen Sum-
men, die er jährlich zur Unterstützung verwandte, wurde er ein reicher
Mann, übergab seinem Sohn ein blühendes Geschäft, welches damals
36000 rth gerechnet wurde und reservierte sich ein Kapital, dessen
Zinsen er als Wohltäter den Bedürftigen still und besonnen wie immer
verwandte. In dieser Zurückgezogenheit beschäftigte er sich mit den
Wissenschaften, versuchte sich auch in der Dichtkunst, jedoch nicht
unter seinem Namen. Der einzige Sohn ist jetzt einer der reichsten
Fabrikbesitzer in Pommern. Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche
der Unterstützung des großmütigen Oheims bedurft hätten, und in
kleinen Geschenken, die so beliebt und belobt machen, seine Geldmit-
tel zu zerplittem, war nicht seine Sache. Meine Anerkennung seines
ehrenwerten Charakters stammt also nicht aus der Jugendzeit, in wel-
cher ich den ältesten Oheim, Adolf, so hoch verehrte. Dieser war mit
der ältesten Tochter des Dichters und damals berühmten Theologen
Brückner verheiratet.
[Auszug aus dem Tagebuch von Heinrich Crola im Besitz des Harzer
Geschichtsvereins in Quedlinburg, mitgeteilt von Johannes Spitzmann]
[Crola lernte C. D. Friedrich 1827 kennen] Der alte Landschaftsma-
ler Friedrich protegierte mich in jeder Weise. Nie sagte er mir ein
Lob über die Arbeiten, welche ich ihm zeigte. Schweigend betrachtete
er sie eine Zeitlang, dann pflegte er über Kunst und Leben Wahrhei-
ten im allgemeinen zu sagen, wo er es dann mir überließ die besondere
Anwendung auf mich selbst zu machen. Doch wurde mir durch Per-
sonen, die sein Vertrauen besaßen, versichert, wie er über mein Stre-
ben und dessen Zukunft mit Achtung gesprochen, und nur für den

Gemütsteufel in mir Besorgnis hege. Das Bild dieses Mannes, seine
Häuslichkeit, der Friede, die Ordnung und sittliche Wohlfahrt, die
Genügsamkeit und stille Heiterkeit, welche über dessen Andenken
ruht, erfüllt mich noch heute mit Hochachtung. So steht er mir in sei-
ner schönen Menschlichkeit höher als dies mit seiner Künstlerschaft
der Fall ist, und hieraus schließe ich, daß Leben und Kunst nicht so
unbedingt in Eins zusammenfallen, als man sich gewöhnt hat, dies
voraus zu setzen. In seinen Kunstleistungen war er oft mystisch, un-
klar, autodidaktisch, das Sonderbare, Geschmacklose bis zum Eigen-
sinn liebend.
An seinem inneren Menschen habe ich aber solche Unregelmäßigkeiten
nie bemerkt, das Rechtschaffene, Tugendhafte und Liebevolle aber
destomehr. Er wurde in der 20er Jahren dieses Jahrhunderts für einen
großen Künstler gehalten und in der Tiefe seines Seelen- und Gemüts-
lebens war er es gewiß auch, aber eine entschiedene Abneigung gegen
den Kulturgang seiner Zeit ließ ihn sich isolieren, wodurch er noch bei
Lebzeiten in eine unverdiente Vergessenheit geriet. So hielt er auch
alles von sich ab, was mit dem sogen. Fortschritt der Zeit irgendwie
in Verbindung stand, und baute sich Jean-Paulisch in eine selbstge-
schaffene Welt ein, in welcher er sich Herr und Meister fühlte und aus
welcher heraus er auch viel Prophetisches über die traurige Zukunft
unsrer Zeitrichtung für Kunst und Weltleben voraussagte. In der Zeit
und unter den Menschen, da ich dies über den achtungswürdigen Mann
niederschreibe [1847/48] muß ich selbst seine Sonderbarkeiten und
Einseitigkeiten als Merkmale innerer Tüchtigkeit und Lauterkeit be-
trachten. Ehre seinem Andenken das nun im Frieden Gottes ruht.
[Auszug aus einem Tagebuch von Karl Friedrich Frommann aus Jena
über eine Reise nach Dresden vom 13. 8. - 28. 9. 1810. 24. 9. 1810. Mit-
teilung von Hans Geller an K. W. Jähnig. Der Aufbewahrungsort des
Originals ist unbekannt]
Vormittags Besuch bei Friedrich, Ansicht verschiedener seiner Ge-
mälde. Vier kleine aus dem Fenster genommen und dargestellt [Kat.
177-180]. Mehrere andere auch in Sepia [Kat. 131, 132, 174-176?], alle
in seinem Charakter, zwei ganz große Oel-Landschaften, die eine im
Winter mit sechs oder acht kahlen Bäumen, um eine Kapelle, in deren
Hintergrund eine Doppellampe ein schönes Licht macht und wo der
Nebel sich im Vor-, Mittel und Hintergrund magisch hinzieht [Kat.
169]. Die andere die Ostsee mit schön blinkenden Wellen beim letzten
Viertel des Mondes und dem schwach blitzenden Morgenstern . . . [un-
leserliches Wort] i. Dunkel mit eigenem . . . [unleserliches Wort] [Kat.
168]. Schwaches Aufträgen der Farben: Welche Dauer werden diese
feinen Oelgemälde haben? Anlage einer anderen großen Landschaft
aus dem schlesischen Riesengebirge. Aus dem Standpunkt der Schnee-
berge genommen, wo eine weibliche Figur den Maler selbst auf der
höchsten Höhe am Kreuz liegend zu sich herauf zieht; das untere Ge-
birge soll fast ganz in Wolken liegen und ein durchgehender Sonnen-
strahl, das Kreuz, den Mann erleuchten [Kat. 190]. Noch geht er schwan-
ger mit 3 ähnlichen Bildern, in denen er immer die Hauptrolle spielt.
Kleines Medaillon von ihm in Marmor-Alabaster vom Bildhauer Kühn.
Ganze originelle Natur des Meisters, doch weniger rauhe Außenseite
als ich mir gedacht.
[Brief von Gustav Heinrich Naeke an Dr. Ludwig Putt rieh, Dresden
9.6. 1811. Mitteilung von Hans Geller an K. W. Jähnig. Der Aufbe-
wahrungsort des Originals ist unbekannt]
Die kleinen Bilder, die Friedrich jetzt gemalt hat, gefallen mir sehr.
Das erste, eine mit Schnee bedeckte flache Gegend mit trüben, schwe-
ren Wolkenhimmel, vorn ein paar entlaubte Baumstämme, weiter hin
die Stöcke von einigen abgehauenen Bäumen, und ein Mann auf Krük-
ken, der in die Ferne sieht [Kat. 193]. Das Gegenstück: ebenfalls eine
Winterlandschaft mit Schnee, die Gegend aber nicht so flach als die
erste, ziemlich vorn einige junge grüne Fichten, unter denen ein Cru-
zifix steht, vor demselben liegt ein Mann (ich glaube derselbe vom
vorigen Bilde) mit auf gehoben en Händen, ganz im Vordergrund liegen
zwei Krücken, wovon eine, soviel ich mich erinnere, zerbrochen ist. Der
Hintergrund ist ganz neblig, doch schimmert halb unsichtbar der Gip-
fel einer Kirche durch den Nebel. Oben im Himmel ein rötlicher Schein
[Kat. 194]. Die beiden anderen, von denen ich eine fertig, das andere
angefangen gesehen habe, gefallen mir noch mehr. Auf dem ersten ist
im Vordergrund dickes Gesträuch und zwei große Eichen, weiter hin
noch einige Bäume, über alles dies geht ein Wolkenschatten. Hinter

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