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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0140

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124 Erster Abschnitt. Die Altarbekleidung

durchaus vereinzelte Erscheinung, da es in demselben zu ihr kein Gegenstück gibt.
Die Altarbekleidung, welche Gregor IV. für S. Maria Maggiore anfertigen ließ,
halte nur vier Szenen, von denen zudem nur die drei ersten im Zusammenbang
miteinander standen. Daß übrigens schon früh Altarbekleidungen geschaffen wurden,
die reichlich mit szenischen Bildern ausgestattet waren, bekundet die endothis,
welche von Maximianus von Ravenna (546—556) für den Hochaltar seiner Kathedrale
geschaffen wurde und „die ganze Geschichte unseres Erlösers" enthielt7.

Eine etwas andere Erscheinung bieten die mit bildlichen Darstellungen
geschmückten Altarbekleidungen in der zweiten Hälfte des Mittel-
alt e r s bis gegen Ausgang des letzteren. Ihr BUderschmuck trägt nun durch-
gehends den Charakter von Zyklen, gleichviel ob es sich bei ihm um Einzel-
figuren oder um Szenen handelt, und zwar verhält es sich so nicht bloß bei
bestickten Altarbekleidungen dieser Art, sondern auch bei bemalten und bei
den mit plastischem Bildwerk ausgestatteten. Das mit bildlichen Darstellun-
gen geschmückte Frontale erscheint nunmehr als eine einheitliche Bildertafel,
die uns in drei Haupttypen entgegentritt.

Bei dem einen, dem minder häufigen, sind die Figuren bzw. Szenen alle
in einer, in zwei oder drei, selten in vier Reihen gleichwertig nebeneinander
angeordnet, wobei sie bald durch bloße Leisten oder durch Arkaden voneinander
geschieden werden, bald ohne Trennung nebeneinander stehen. Bei dem zweiten
Typus ist das Frontale in drei Abteilungen gegliedert, von denen die mittlere,
welche die ganze Höhe des Antependiums hat, das größere Hauptbild enthält,
während in den seitlichen, die in zwei oder drei Zonen gegliedert erscheinen, die
kleineren Nebendarstellungen angebracht sind. Das mittlere Feld ist von den
seitlichen stets durch vertikale Leisten oder Friese deutlich geschieden; die Bilder
der Seitenfelder sind, wie das Bildwerk beim ersten Typus gewöhnlich durch Leisten,
Säulchen oder Friese voneinander getrennt, doch sind sie auch wohl ohne trennendes
Zwischenglied aneinander gereiht. Der dritte Typus unterscheidet sich von
dem ersten nur dadurch, daß das Frontal in der Mitte ein rundes, ovales oder
rosettenförmiges Medaillon aufweist, das etwa die halbe Höbe des Frontales hat,
also nicht, wie das Mittelfeld des zweiten Typus, bis zu dessen oberen und unteren
Rand reicht, aber gerade wie dieses, das Hauptbild umschließt.

Die drei Typen bleiben bis in das 15. Jahrhundert gebräuchlich, doch
treten im spätem Mittelalter zwei andere neben sie, die eine Verein-
fachung des Bilderschmuckes des Antependiums bedeuten.

Bei dem einen bleibt dieses nach wie vor eine Bildertafel, doch zeigt es nur
mehr eine einzige Darstellung, die es ganz ausfüllt. Der zweite bedeutet eine
Rückkehr zur Gepflogenheit der älteren Zeit, wie wir sie aus dem Liber Pontiflcalis
kennenlernten. Man begnügt sich damit, in der Mitte des Antependiums eine
figürliche oder szenische Darstellung anzubringen. Der Dekor, mit dem man ihn
sonst noch versah, hatte lediglich ornamentalen Charakter. Es ist der Typus,
der in nachmittelalterlicher Zeit bald alle anderen fast vollständig ver-
drängt. Allerdings entstanden sogar noch in der Zeit des späten Barocks Ante-
pendien, die so ausgiebig mit Bildwerk ausgestattet waren, daß sie noch als
Bildertafeln gelten können, doch geschah das nur mehr selten. Auch zeigten sie
stets nur eine Reihe meist gleichwertig behandelter Darstellungen, verkörperten
also den ersten der vorhin genannten mittelalterlichen Typen in seiner einfachsten
Form. Die Regel war, daß man, wenn man überhaupt das Antependium mit Bild-
werk verzieren wollte, nur in seiner Mitte solches anbrachte. Höchstens daß sich

' Agnelli Liber Poiilifkalis ecel. Ravenn. n. SO (M. G. SS. rer. Langob. i
 
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