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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0164

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148 Zweiler Abschnitt. Die Altarvelen

VIERTES KAPITEL

DAS FASTENVELUM
I. ALTER DES GEBRAUCHES DES FASTENVELUMS

Auch an den Schranken, welche den Chor nach dem Schiff der Kirche zu
begrenzten, wurden bisweilen Vorhänge angebracht. Mehrfach werden Velen
dieser Art in der Vita Leos III. und anderer Päpste des 9. Jahrhunderts aufge-
führt. Ebenso begegnen uns solche, wenngleich nur vereinzelt in den Inven-
taren*. Im 12. Jahrhundert wird diese Art von Vorhang von Hugo von St. Vic-
tor5 und noch im späten 13. von Durandus erwähnt3. Zum Altar hatte dieses
Veium keine näheren Beziehungen. Es war ein Schmuck des Chores, doch
verfolgte es auch den praktischen Zweck, die in letzterem befindlichen, das
Offizium rezitierenden oder der Messe anwohnenden Geistlichen vor Störun-
gen und Zerstreuungen zu schützen* und sie bei dem langdauernden Gottes-
dienst gegen Zugluft und Wind zu sichern. Diese Art von Velum, an dessen
Stelle im 13. Jahrhundert diesseits der Alpen die Lettner zu treten begannen5,
kommt daher hier nicht in Betracht. Anders verhält es sich mit dem sogen.
Fastenvelum oder Hungertuch, das in der Fastenzeit vor dem
Altare aufgehängt wurde, um denselben den Blicken sowohl der Gläubigen
wie auch des im Chore befindlichen Klerus zu entziehen. Zwar war es nur
durch besondere liturgische Verhältnisse veranlaßt, bloß zu einer bestimmten,
eng begrenzten Zeit des Kirchenjahres in Verwendung, darum etwas andern
Charakters als die gewöhnlichen Vorhänge neben dem Altar und von gleicher
Art wie die Velen, welche in der Fastenzeit das Kreuz und die Heiligenbilder
verhüllten, nach Zweck und Bedeutung aber war es ein wirkliches Altar-
velum. An ihm können wir hier deshalb nicht stillschweigend vorübergehen.

Die ältesten Nachrichten über das velum quadragesimale da -
tieren aus der Wende des I. Jahrtausends, doch erscheint es in denselben
keineswegs als eine neue oder doch wenigstens als eine junge Einrichtung, so
daß die Annahme berechtigt ist, es sei damals schon eine mehr oder weniger
geraume Weile in Gebrauch gewesen.

Sie finden sich in den Consuetudines von St-Vannes zu Verdau (Ende des
10. Jahrhunderts), in den Consuetudines Farfenses (Anfang des 11. Jahrhunderts) und
in einer Predigt des Abtes Aelfric von Winchester (f 1006). In den ersten heißt es:

1 Vgl. z. E. das Privileg Ordonos H. für das et quod clerum a populo secernit... Es han-

Kloster Samos von 922 bei Florer XIV, 382: delt sieb hier um die drille Art. Tertium com-

Vellos principales quae inier veslivolum et muniter suspendilur sive interponitur velum

atlare dependent. Vorhänge dieser Art mögen vel mums inier clerum et populum, ne mutuo

auch schon die tribunalia quotidiana quae sunt se conspicere possint.

ante altare im Testament des hl. Aredius ge- * Ne mutuo se conspicere possint, sagt Du-

wesen sein (vgl. oben S. 25). randus, also um die Geistlichen im Chor so-

1 De sacram. 1. 2, p. 9, c. 7 (M- 176, 474): wohl störenden, neugierigen Blicken des Voi-

Cortina, quae est ante saneta i. e. inter popu- kes zu entziehen, als sie vor müßigem Hinein-

lum et clerum pendet, vetamen literae signi. schauen in die Kirche zu bewahren.

Beat, per quod iis qui sub lege erant, veritas i Schon Durandus kennt anscheinend den

adhuc evangelii tegebatur. Lettner: denn die Mauer, welche nach ihm an-

* Rationale 1. 1, c. 3, n. 35: Triplex genus statt Veten in einzelnen Kirchen Volk und

veli suspenditur in ecclesia videlicet quod Klerus schied, ist wobl nichts anderes als eben

Sacra operit, quod sacrarium a clero dividit der Lettner. Vgl. auch Sauer 173.
 
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