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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0258

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242 Vierter Abschnitt. Das Altarciborium und der Altarbaldachin

Auch das 19. Jahrhundert sah Altarciborien entstehen, besonders in
Deutschland, wo die Wiederbelebung und Verjüngung, welche dort die kirchliche
Kunst seit der Mitte des Jahrhunderts feierte, auch zur Errichtung neuer Aitar-
eiborien führte. Was in Italien an solchen geschaffen wurde, lehnte sich in Stil und
Aufbau meist an die Ciborien der Renaissance an. Ich nenne z. B. das Hochaltar-
eiborium in S. Lorenzo in Damaso zu Rom, in S. Nicola in Carcere, S. Paolo (das
Giborium in S. Paolo wurde in den letzten Jahren wieder abgebrochen) und in
S. Pancrazio daselbst. Ciborien im Slil und in der Anlage mittelalterlicher Ciborien
wurden dort erst in jüngerer Zeit hergestellt, teilweise unter Verwertung von noch
vorhandenen Fragmenten alter Ciborien und veranlaßt durch dieselben. So wurden
in S. Angelo in Formis und in S. Savino zu Canosa Altarciborien mit achtseitigem
Pyramidendach in der Art der Ciborien der römischen Marmorarii des 12. Jahr-
hunderts erbaut, in S. Giovanni Proflamma zu Foligno und in S. Lorenzo zu Orviefo
Altarüberbauten mit vierseitigem Zeltdach von der Art der mit Zeltdach versehenen
Ciborien des 8. und 9. Jahrhunderts.

Die Altarciborien, welche in Deutschland entstanden, folgten stilistisch
der Gotik oder dem romanischen Stil. Im Aufbau zeigen sie stets Bogen als Ver-
bindung der als Stützen dienenden Säulen; ihr Dach ist in der Regel viergiebelig
und meist über der Mitte mit einem turmartigen Aufsatz ausgestattet. Es gibt
schöne, vortrefflich gelungene Werke unter ihnen, für die Geschichte des Ciboriums
aber sind sie, wie überhaupt die Altarciborien des 19. Jahrhunderts, von keiner
Bedeutung. Neues, Originales bieten sie nicht.

DRITTES KAPITEL

NEBENARTEN DES CIBORIUMS

I. DAS HALBCIBORIUM UND DAS NISCHENCIBORIUM
1. Das Halbciborium. Neben dem gewöhnlichen Ciboriuni, das
nicht nur den Altar, sondern wenigstens auch den an diesem tätigen Priester
und die oberen Altarstufen überdeckt und fast immer im Grundriß ein Qua-
drat bildet, begegnet uns eine Abart desselben, welche nur den Altar über-
dacht. Ich möchte diese deshalb Halbciborium nennen; eine Bezeich-
nung, die auch darum entsprechend ist, weil die Ciborien dieser Form der
vorderen Hälfte eines gewöhnlichen Ciboriums gleichen.

Das Halbciborium ist eine italienische Eigentümlichkeit. Aber
auch in Italien kommt es erst in der späteren Gotik vor. Es mag allerdings
auch schon früher solche Ciborien daselbst gegeben haben, doch hat sich
von diesen nichts erhalten. Besonders beliebt war das Halbciborium in der
Zeit der Hochrenaissance. Das Barock kehrt sich bald von ihm ab; in der
Zeit des Hochbarocks erscheint es schon völlig aufgegeben, obwohl es eine
ebenso zweckmäßige wie würdige und wirkungsvolle Form des Altarüber-
baues darstellte. Zur Anwendung kam es nur bei Seitenaltären, für die es
freilich besonders geeignet war. Es war ein vorzüglicher Schmuck für den
Altar, ließ sich leicht seiner Umgebung anpassen, bot genügenden Schutz
sowohl für den Altar wie die auf ihm sich vollziehende heilige Handlung,
nahm wenig Raum ein, trat darum auch wenig störend in die Kirche hinein
und war bei der Messe in keiner Weise hinderlich; alles Umstände, die es
besonders dann empfahlen, wenn ein Altar vor der Wand eines Seitenschiffes
 
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