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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0640

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624 Sechster Abschnitt. Reliquienaltar und Sakramentsaltar

auf die Mensa zu stellen. Höchstens wird man die Pyxis, in der sich das-
selbe befand, in ein Gehäuse oder Kästchen gelegt und in diesem auf den
Altar gesetzt haben.

Wie wir uns die Sache zu denken haben, zeigt eine interessante Miniatur des
Wyscherader Evangeliars in der Universitätsbibliothek zu Prag (Ende des 11. Jahr-
hunderts). Sie stellt die Szene der Verkündigung dar und ist in drei rundbogige
Arkaden aufgeteilt. Unter der Arkade zur Linken steht der Engel Gabriel, unter der-
jenigen zur Rechten thront Maria, über der der Hl. Geist herabschwebt. Unter der
mittleren sieht man einen Altar, hinter dem zwei Stangenkreuze angebracht sind.
Auf der Mensa, auf der anscheinend ein Tuch ausgebreitet ist, erheben sich vorne
zwei mit Kerzen versehene Leuchter, in der Mitte aber steht ein kleiner, turmförmi-
ger, mit kegel- oder zeltdachförmigem Deckel ausgestatteter Behälter, in dem wir
zweifellos eine Pyxis zu erblicken haben, nicht ein Reliquiar. Dem Geheimnis der
Menschwerdung, das durch die Szene der Verkündigung dargestellt wird, ist unter
der mittleren Arkade das eucharistische Geheimnis, das Gegenstück und die Frucht
des Geheimnisses der Menschwerdung, gegenübergesetzt. In Marias Schoß nahm bei
der Verkündigung derjenige Wohnung, der, unter Brotesgestalt verborgen, auf dem
Altar in der Pyxis zugegen ist1.

Um das Ende des 13. Jahrhunderts versichert uns, wie wir bereits hörten,
Durandus, daß man in verschiedenen Kirchen das Allerheiligste in einer
arca oder einem tabernaculum hinten auf dem Altar aufstelle2.

Wie diese Tabernakel beschaffen waren, zeigen einige noch vorhandene Bei-
spiele. Aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammt ein heute als Reliquienbehäl-
ter dienendes derartiges Tabernakel im Schatz der Pfarrkirche zu Siegburg. Von
rechteckigem Grundriß, ist es 28 cm breit und 21 cm tief. Seine Höhe beträgt ein-
schließlich des Zeltdaches 41 cm. Das Tabernakel hat in späterer Zeit verschiedene
Veränderungen und Erneuerungen erfahren. Über seine Bestimmung gibt die Niello-
inschrift Auskunft, welche oben und an den Seiten die seine rechte Schmalseite bil-
dende Tür umzieht und lautet: Hostia vitalis qualis fuit in cruce talis — Sub fidei
tituto claret in hoc loculo3.

Limusiner Emailarbeiten aus dem frühen 13. Jahrhundert sind die Tabernakel in
S. Sepolcro zu Barletta, im Bargello zu Florenz, im Nationalmuseum zu München und
im Kunstgewerbemuseum zu Prag. Tafel 344 gibt das Tabernakel zu Barletta wieder.
Es hat zwei von Ecke zu Ecke gehende, einander durchkreuzende Satteldächer, über
deren Mitte ein zeit dach förmiger Helm aufsteigt, mißt 23 cm im Geviert, hat eine
Höhe von 38 cm und hat als Füße vier mit vergoldetem Kupferblech bekleidete
Würfel. Auf seiner Vorderseite ist der thronende Christus dargestellt, in den
Zwickeln der ihn umgebenden Mandorla sind die Evangelisten Symbole angebracht.
An der rechten und linken Seite stehen unter je zwei rundbogigen Arkaden ebenso
viele Apostel. Die Rückseite enthält das Türchen. Es ist mit der Figur des hl. Petrus
geschmückt, öffnet sich nach unten und bildet darum, aufgeklappt, eine Art von
Tisch. Von den vier rautenförmigen Flächen des Helmes des Daches zeigf die
vordere das Bild eines Königs mit Buch (David?), die übrigen eine Engelsfigur.
Das Tabernakel wird noch heute am Gründonnerstag zur Aufbewahrung des Aller-
heiligsten benutzt.

1 Abb. in Mitt V (1860) 16; in Farbe bei nebst Abb. TU. XLVH sowie Kimstdenkm. der

F. J. Lehner, Die böhmische Malerschule des Rheinprovinz, Kr. Siegburg (Düsseldorf 1907) 213

11. Jahrhunderts, TU. 16. nebst Abb. Wenn es dort heißt, der Inschriften-

1 Vgl. oben S. 585. streuen stamme seinem Inhalt nach wohl »»■

einem Tragaltar, so ist das irrig. Loculus De

deutet nicht Tragaltar, sondern Schrein, Taber-
 
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