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Licht und Schatten.

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machen, da du sonst verhüllen würdest, woran die Finsternis tätig ist, nämlich den Körper,
den sie dem Licht entgegen wendet, gleichsam, um sich dahinter zu schützen."

Diese schöne Darstellung, der wir nichts hinzufügen können, zeigt trefflich, mit
welcher dramatischen Wucht das Spiel von Licht und Schatten den Maler ergreifen kann.
Für die naturwissenschaftliche Illustration, die die Deutlichkeit nicht hinter die Schönheit
zurückstellen ■ darf, kann die rein malerische Auffassung aber nur mit Einschränkungen
zugelassen werden. Sie kann nicht die Umrisse der Körper an der Schattenseite bis zur
Bedeutungslosigkeit schwächen, da sie auf die charakterisierende Sprache des Konturs nicht
verzichten kann. Wir müssen also die Gegenstände so aufstellen, daß ein Schlagschatten
nicht entsteht.

Mit Rücksicht auf den weißen Papiergrund, auf den die Illustration gedruckt wird,
wählen wir einen weißen Hintergrund, der so weit hinter dem Gegenstande befestigt ist,
daß er durch Schatten nicht beeinflußt wird.

Bei der Aufstellung des Objektes und des Hintergrundes ist das Universalstativ
ausgezeichnet brauchbar. Die schlagschattenlose Aufstellung erfordert unter Umständen
die Zuhilfenahme einiger feinen Drähte. Man kann auch einfach auf den Kochring des
Stativs eine Glasplatte und auf diese den Gegenstand legen.

Die auf unseren Tafeln abgebildeten Objekte sind stets so zum Lichte gestellt,
daß es von links her einfällt. Diese Beleuchtung kann geradezu als die normale bezeichnet
werden, da wir sie uns an unseren Arbeitsplätzen im Zimmer, in Schulen usw. stets zu
verschaffen suchen. Nur in besonderen, seltenen Ausnahmefällen sollte man von dieser
Beleuchtung der Objekte absehen, da sich die peinlichsten Wirkungen ergeben können,
wenn auf einer Buchseite mehrere Abbildungen züsammengestellt werden müssen, die in
verschiedener Beleuchtung gezeichnet worden sind.

Werden diese Vorschriften befolgt, so tritt der Kontur in seiner ganzen Aus-
dehnung gleichberechtigt neben die Schattengrenze und spricht, wie wir früher gesehen
haben, an der Schattenseite, wo das Objekt dunkel gegen den hellen Hintergrund steht,
noch stärker, als an der Lichtseite.

Wer als Anfänger in das Studium der Beleuchtungserscheinungen eintritt, muß,
so sicher er auch schon die Federzeichnung beherrschen mag, auf ihre Anwendung ver-
zichten, nicht, weil die Technik, sondern weil die Auffassung neue Schwierigkeiten macht.
Werden größere Objekte gezeichnet, so benutzt man die Zeichenkohle. Sie liefert
nicht allein nach Bedarf feine und breite Striche, sondern läßt sich auch mit dem Finger
gleichmäßig verwischen und mit einem Stückchen Feuerschwamm leicht entfernen.

Der Erfolg der Arbeit wird von vornherein in Frage gestellt, wenn der Zeichner
nicht seinen Abstand vom Objekte so groß wählt, daß er es ,,mit einem Blicke" (siehe
S. 12) übersehen kann und nicht auch die Zeichenfläche in genügender Entfernung vom
Auge aufstellt.

Den Gang der Arbeit nach einem einfachen Objekte will die Zeichnung des Renntier-
geweihes auf unserer Tafel 28 so gut verdeutlichen, wie es durch eine Federzeichnung
geschehen kann. — Schon beim Festlegen der Konturen wird der Umriß dort, wo er mehr
spricht, auch stärker betont. Fortwährend blinzelnd, sucht der Zeichner verwirrende
Kleinigkeiten im Vorbilde auszuschalten und die Schattengrenze in ihrem, hier ziemlich
einfachen Verlaufe zu erkennen. Sie wird durch einen Strich festgelegt, der dort fest ist,

Bruns, Zeichenkunst. o
 
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