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Das Wandtafelzeichnen.

strahlt, daß er kaum beseitigt zu werden braucht. Geübte Zeichner wischen" so gut wie
gar nicht, während unerfahrene gar mit dem nassen Tuch oder Schwamm in der Zeichnung
herumfahren. Das ist nun freilich eine fast ebenso große Barbarei, als wenn man in
einer Kohlezeichnung naß wischen wollte.

Mit dem nassen Schwamm wird die Tafel vor dem Unterricht so lange abgewaschen,
bis die letzten Kreidespuren gründlich entfernt worden sind. Bei Beginn der Arbeit muß
die Tafel vollkommen trocken sein und während des Zeichnens vor der geringsten
Feuchtigkeit sorgfältig behütet werden. Muß ein störender Strich unbedingt beseitigt
werden, so nimmt man ein ganz trockenes, weiches Tuch und übergeht ihn mit leichtem
Tupfen. Dafür steht die Zeichnung nach der Beendigung auch in klaren, weißen, festen
Strichen ohne häßliche, graue Wischstellen auf dem dunklen Grunde.

Gute Wandtafeln findet man heute überall, doch kann jede Tafel einmal in die
Hände eines Anstreichers kommen, der sie mit ungeeigneter Farbe übermalt. Den
idealsten Zeichengrund bieten Wandtafeln aus gepreßtem Holzstoff, der vor dem Pressen
schwarz eingefärbt worden ist. Ihre Oberfläche bleibt auch nach jahrelangem Gebrauch-
leicht rauh und tief dunkel, so daß sie nie gestrichen zu werden brauchen. Einen
guten Zeichengrund bieten auch dunkle Linoleumplatten, solange sie vollständig plan
gespannt sind.

Alle Versuche, einen hellgrauen Zeichengrund für die Wandtafel zu schaffen, auf
den mit weißen und dunklen Strichen gezeichnet werden kann, sind leider, soweit meine
Kenntnis reicht, gescheitert. Ob man Holz mit grauem Anstrich, ob Glas- und Aluminium-
tafeln mit durch Sandgebläse angerauhten Oberflächen benutzte, der Erfolg war immer
derselbe. Anfängliche Begeisterung wich sehr schnell, wenn sich herausstellte, daß die
Reinigung solcher Platten nicht mit der wünschenswerten Vollkommenheit möglich ist.

Solange brauchbare Wandtafeln nur mit „schwarzem" Grunde hergestellt werden
können, bleibt das Wandtafelzeichnen aber in seinen Ausdrucksmitteln praktisch beschränkt.
Theoretisch ist es natürlich ebenso gut möglich, Halbtöne durch Auftragen von Weiß
auf schwarzen Grund wie von Schwarz auf weißen zu erhalten. Man kann also auch an
der Wandtafel „malerisch" arbeiten, wird aber bald finden, daß die weiße Tafelkreide,
besonders in den Mitteltönen, nur eine recht eingeschränkte Tonskala hergibt. Auch die
farbigen Tafelkreiden wirken nur in den leuchtendsten Tönen gut.

Solche Erfahrungen bringen den Lehrer bald dahin, Licht und Schatten in Tafel-
zeichnungen nur ausnahmsweise wiederzugeben.

Der einfache Kontur, der, wie wir früher gesehen haben, eine bloße Abstraktion
ist, hat als solche malerische Qualitäten nicht, d. h. es ist für die Beurteilung der Zeichnung
belanglos, ob weiße Striche auf schwarzem oder schwarze auf weißem Grunde stehen.
Sowie aber Lichterscheinungen wiedergegeben werden, hört diese Neutralität natürlich auf.

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß Tafelzeichnungen, an denen die Schattentöne
mit weißer Kreide „schattiert" sind, während die Lichtseite den dunklen Tafelgrund behält,
völlig unsinnig sind. Aber auch malerisch richtige Zeichnungen mit weißen Glanzlichtern,
hellen Licht- und dunklen Schattenseiten können auf den unfertigen Schüler, der mit
dunklen Strichen auf weißem Papier arbeitet, nur zu leicht verwirrend wirken. Dann
entstehen im Schülerhefte Zeichnungen mit schwarzen Glanzlichtern und dunkel schraffierten
Lichtseiten.
 
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