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umspielt und belebt, der schummerigen Winkel, in denen die Romantik, so alt und so jung, heimlich lebt, träumt
und ihre Lieder und Zaubersprüche singt und raunt.
Aber auch ruhige Objektivität kann an der Tatsache der großen Wirkung nicht vorübergehen, welche Runkel
auf einen jeden empfänglichen Beschauer ansübt, und des Interesses, das die Burg durch ihre Anlage und ihre
Schicksale auch bei dem kühl urteilenden Wissenschaftler und Techniker erweckt. Die wunderbare Gabe unserer Vor-
fahren, die Natur und das Gebilde der Menschenhand miteinander in Harmonie zu bringen, beides zu organischer
Einheit zu verschmelzen, diese so tausendfältig bewährte Gabe, dieser Drang zum Großen, zum Monumentalen -
das alles hat auch den Bau der Burg Runkel geleitet. Es hat insbesondere noch durch die Errichtung der über dem
rechten Lahnufer, von Weinpflanzungen nmkränzt, aus steiler Höhe gelagerten Burg Schadeck — Runkel zwar an
Schönheit und Majestät zu keiner Zeit zu vergleichen — ein Doppelgebilde geschaffen, das ungewollt sich mit dem
Bilde der Landschaft zu wahrer Größe zusammenschloß.
Ehe wir aber nach der Runkeler Burg hinaufsteigen, lassen wir noch ihr Bild auf uns wirken, wie es sich am
schönsten vom rechten Ufer des Flusses darbietet. Kehrt doch der uralte Kern der Burg seine Breitseite dieser Rich-
tung zu. Welch eine Wucht dieser Massen düsteren Gemäuers, das von der Höhe, gleichsam aus dem lebendigen
Fels geboren, emporsteigt mit charaktervollem, zweckbewußt bewegtem, licht- und schattenreichem Relief, festungs-
artig, ein rechtes Kastell der Vorzeit, überragt von drei annähernd gleich hohen starken Türmen. Sie enden oben in
breiten Platten, nicht mit Spitzen. So bietet das Ganze, trotz der großen Zahl vertikaler Linien, doch den Eindruck
schwer lastender Horizontalität. Anders zeigt sich die Burg auf einer Abbildung des 17. Jahrhunderts. Doch erweist
sich dieses Bild, das von dem heutigen erheblich abweicht, bei näherer Prüfung als in wesentlichen Teilen unrichtig.
Ein Hauptunterschied gegen den jetzigen Zustand besteht darin, daß der mittlere Turm einen achteckigen Aufsatz
mit Kuppelhaube aufweist, wodurch eine stark wirkende Vertikale entsteht. Immerhin zeugt das Bild von der
Bedeutung des Baues in der Zeit der Renaissance.
Runkel ist sehr alten Ursprunges^. Die Sage verlegt die Gründung der Burg gar ins 8. Jahrhundert und
schreibt sie einem von Karl des Großen Kriegshelden zu, der, in der Schlacht bei Roncesvalles dem Tode entronnen
und glücklich in seine Heimat an der Lahn zurückgekehrt, hier eine Veste erbaut und ihr den Namen nach jenem
Schlachtorte gegeben habe.
) Siehe Bodu Ebhardt, Deutsche Burgen. 1896 ff.
umspielt und belebt, der schummerigen Winkel, in denen die Romantik, so alt und so jung, heimlich lebt, träumt
und ihre Lieder und Zaubersprüche singt und raunt.
Aber auch ruhige Objektivität kann an der Tatsache der großen Wirkung nicht vorübergehen, welche Runkel
auf einen jeden empfänglichen Beschauer ansübt, und des Interesses, das die Burg durch ihre Anlage und ihre
Schicksale auch bei dem kühl urteilenden Wissenschaftler und Techniker erweckt. Die wunderbare Gabe unserer Vor-
fahren, die Natur und das Gebilde der Menschenhand miteinander in Harmonie zu bringen, beides zu organischer
Einheit zu verschmelzen, diese so tausendfältig bewährte Gabe, dieser Drang zum Großen, zum Monumentalen -
das alles hat auch den Bau der Burg Runkel geleitet. Es hat insbesondere noch durch die Errichtung der über dem
rechten Lahnufer, von Weinpflanzungen nmkränzt, aus steiler Höhe gelagerten Burg Schadeck — Runkel zwar an
Schönheit und Majestät zu keiner Zeit zu vergleichen — ein Doppelgebilde geschaffen, das ungewollt sich mit dem
Bilde der Landschaft zu wahrer Größe zusammenschloß.
Ehe wir aber nach der Runkeler Burg hinaufsteigen, lassen wir noch ihr Bild auf uns wirken, wie es sich am
schönsten vom rechten Ufer des Flusses darbietet. Kehrt doch der uralte Kern der Burg seine Breitseite dieser Rich-
tung zu. Welch eine Wucht dieser Massen düsteren Gemäuers, das von der Höhe, gleichsam aus dem lebendigen
Fels geboren, emporsteigt mit charaktervollem, zweckbewußt bewegtem, licht- und schattenreichem Relief, festungs-
artig, ein rechtes Kastell der Vorzeit, überragt von drei annähernd gleich hohen starken Türmen. Sie enden oben in
breiten Platten, nicht mit Spitzen. So bietet das Ganze, trotz der großen Zahl vertikaler Linien, doch den Eindruck
schwer lastender Horizontalität. Anders zeigt sich die Burg auf einer Abbildung des 17. Jahrhunderts. Doch erweist
sich dieses Bild, das von dem heutigen erheblich abweicht, bei näherer Prüfung als in wesentlichen Teilen unrichtig.
Ein Hauptunterschied gegen den jetzigen Zustand besteht darin, daß der mittlere Turm einen achteckigen Aufsatz
mit Kuppelhaube aufweist, wodurch eine stark wirkende Vertikale entsteht. Immerhin zeugt das Bild von der
Bedeutung des Baues in der Zeit der Renaissance.
Runkel ist sehr alten Ursprunges^. Die Sage verlegt die Gründung der Burg gar ins 8. Jahrhundert und
schreibt sie einem von Karl des Großen Kriegshelden zu, der, in der Schlacht bei Roncesvalles dem Tode entronnen
und glücklich in seine Heimat an der Lahn zurückgekehrt, hier eine Veste erbaut und ihr den Namen nach jenem
Schlachtorte gegeben habe.
) Siehe Bodu Ebhardt, Deutsche Burgen. 1896 ff.