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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 29.1928

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Nr. 5/6
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Heck, Johannes: Schloß Rheydt
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https://doi.org/10.11588/diglit.35079#0125
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seines Schwagers Florenz Hattard von Bötzelaer hielten auf dessen Wunsch
holländische Truppen das Schloß sieben Jahre besetzt, überließen es aber
1621 kampflos den Spaniern Spinolas, die bei ihrem vertragsmäßigen
Abzug einen nicht genauer zu bestimmenden Teil der Befestigungen schleif-
ten. 1636 kam das Schloß unter Übergehung der katholischen Nachkommen
des Oheims der letzten Bylandts an den reformierten Abkömmling des
Urgroßonkels, Rolmann von Bylandt, was zu einem Erbstreit führte, der
erst 1701 zugunsten der katholischen Linie entschieden wurde.
1636 nötigte Wolfgang Wilhelm von Jülich-Berg, der hervorragende
Gegenspieler des Großen Kurfürsten, durch List und Gewalt die ab-
trünnige Unterherrschaft zur Anerkennung seiner Oberhoheit.
In: Hessenkrieg erstürmte Oberst Rabenhaupt die Burg, hielt sie
vier Jahre besetzt und zerstörte im letzten Jahre des Dreißigjährigen
Krieges den südöstlichen und nordöstlichen Flügel vollständig, den nord-
westlichen teilweise, vielleicht auch die nordwestliche Kaserne und sprengte
die Bastionen. Was stehen blieb, ist in: wesentlichen noch heute er-
halten.
Die katholische Linie der Bylandts, die 1701 zur Herrschaft gelangte,
starb 1794 mit Karl Kaspar von Bylandt-Schwarzenberg aus, der vor den
Franzosen auf das rechte Rheinufer geflüchtet war.
Im 19. Jahrhundert war das Schloß in Händen verschiedener
- Familien, bis es am 1. April 1917 mit dem zugehörigen Grundbesitz von
Abb. 89. Schloß Rheydt, Erdgeschoß, Grundriß. 337 Morgen in den gemeinsamen Besitz der Stadt Rheydt und des Ver-
eins für Volkswohl in München-Gladbach überging. Zweck dieser Erwer-
bung war in erster Linie die Erhaltung dieses kunstgeschichtlichen Baudenkmals. Am 4. August 1917 trat ein Schloß-
verein ins Leben, der sich die würdige Instandsetzung und Erhaltung des Schlosses zur Aufgabe machte und dessen
Erster Vorsitzender zur Zeit der Oberbürgermeister iw. Graemer von Rheydt ist.
Beim Ableben des letzten Herrn von Bylandt war Rheydt ein Ort von 2800 Einwohnern. In: Jahre 1827
erhielt ein Teil, 1856 das ganze Gebiet Stadtrechte. Die Bevölkerung stieg von 9000 in: Jahre 1856 auf 46000 in:
Jahre 1928. Heute ist Rheydt nach München-Gladbach der größte und wirtschaftlich weitaus entwickeltste Platz des
niederrheinischen Textilbezirks. In städtebaulicher Hinsicht galt es, sechs Honschaften zusammenwachsen zu lassen.
Daher lugen noch überall neben zinstragenden Miethäusern die alten Fachwerkbauten zwischen wohlgepflegten Obst-
gärten hervor. Neben ragenden Schornsteinen, den Zeugen der blühenden Industriestadt, beweisen stattliche Kirchen,
mustergültige Schulbauten, ein prächtiges Rathaus, Parkanlagen und Spielplätze den Gemeinsinn seiner Bürger.
Und nun zum Schlosse selbst. Auf schmalem Zusahrtswege nähern wir uns der wiederhergestellten Zugbrücke.
Der wuchtige Torbau zeigt kleine, viereckige und runde Quadern mit reicher facettenartiger Profilierung; zwei
Halbpfeiler mit kräftiger Bossengliederung tragen den schweren Architrav. Im Gemäuer der Torburg zeuge::
eingemauerte Steinkugeln vom Hessenkrieg 1644—1648. Die Baulichkeiten des äußeren Burghofes sind zun: Teil
neu und dienen einem Wirtschaftsbetrieb, der sich großer Beliebtheit erfreut, besonders seitdem städtische Kraftwagen
einen geregelten Verkehr zum Stadtinnern unter-
halten. Die Vorburg wird von zwei Ecktürmen flan-
kiert. Das rundbogige Portal weist zwei kräftige, stark
verjüngte Halbsäulen auf mit dorischem Kapital. Ein
kleiner Dachreiter schmückt den Bau. In der Durch-
fahrt Konsolen, die ehemals drei Kreuzgewölbe trugen.
Die Vorburg war mit Galerien und Wehrgängen
ausgestattet.
Der rechte Flügel diente als Kaserne für etwa
100 Söldner.
Ein Wassergraben, der in jüngster Zeit wieder-
hergestellt wurde, trennt uns vom Herrenhanse.
Es ist kein Wehrbau. Die starke Nmwallung mit
den fünf Bastionen gestattete es, das Wohnhaus künst-
lerisch auszngestalten. Zwar die strenge Gesetzmäßig-
keit, die Klarheit und Reinheit in der Raumgestaltung,
die das italienische Vorbild, der toskanische Palastbau,
bietet, suchen wir vergebens, wie fast überall nördlich
der Alpen. Das Schloß ist nicht aus einem einheit-
lichen PlanhervorgegangenLlnderSüdwesteckestehend, Abb. 90. Schloß Rheydt, Gartenseite von Osten.
 
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