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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 29.1928

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Nr. 5/6
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Heck, Johannes: Schloß Rheydt
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https://doi.org/10.11588/diglit.35079#0127
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103

Ein mächtiges Platanenpaar schmückt den
Eingang. Am Tor dient ein alter Steigbügel
als Klopfer. Die Durchfahrt ist von drei Kreuz-
gewölben überspannt. Der Schloßhof wies ur-
sprünglich vier Trakte aus, die ein unregelmäßi-
ges Viereck bildeten. Der älteste Teil ist der
nordwestliche Wohnflügel, der unter dem Dach
durch im Stichbogen geschlossene Blenden belebt
ist. Ein Teil des Wohnflügels ist im Dreißig-
jährigen Kriege zerstört worden, ebenso zwei
Trakte, die den Schloßhof umzogen und wahr-
scheinlich niedriger gehalten waren, um dem
Hauptgebäude nicht das Licht zu nehmen. Den
Hauptschmuck des ganzen Schlosses bildet die
Loggia (Abb. 90). Wir sehen auch hier: nicht die
Baugliederung ist die Hauptsache, sondern das
Malerische. Dem dient zunächst die Gestaltung
des Daches mit den fünf abgewalmten Sattel-
dächern und Mansardenfenstern, ferner das feine
vierseitige Ecktürmchen, geschmückt mit einer
Blendbalustrade und der ins Achteck übergeführ-
ten Haube, ferner die Loggia mit Balustrade und
toskanischen Säulenstellungen, die Medaillons in
den Zwickeln mit ihren leeren Schildern, die bei-
den Friese, die jonischen Pilaster, die von Frucht-
kränzen umschlossenen behelmten Köpfe u. a. m. Besonders kennzeichnend für den niederländischen Einschlag sind
die Kartuschen mit ihren als Metallbeschlag gedachten, zum Teil aufgerollten Bändern und lateinischen und deutschen
Inschriften. Eine derselben lautet: „Was sol ein Stat, darin kein Man und ein Man, darin kein Hertz ist."
Der Architrav über der Durchfahrt trägt zwei Bibelsprüche. Über dem ihn tragenden Pilaster befindet sich eine
groteske menschliche Maske mit herausgestreckter Zunge. In den Zwickeln schauen aus Medaillons zwei einander
zugekehrte menschliche Köpfe hervor.
Die Bogenhalle ist mit acht gedrückten Kreuzgewölben überspannt. Ihre in Form von Früchten herabhängenden
Schlußsteine find mit Ringen zum Tragen von Blumenkörben versehen und von je vier Tier- oder Menschenköpfen
umgeben.
Über einen Brückensteg gelangen wir auf den zwischen 22—50 Schritt breiten Wall mit seinen fünf Bastionen,
die durchschnittlich 120 m voneinander entfernt liegen und stumpfwinklig vorfpringen. Im Innern befanden sich
gewölbte Hohlräume, durchschnittlich 2,5 aa hoch und 2,8—3,4 m breit. Von ihrer Mitte aus führten Seitengänge
nach den beiden Flanken der Bastion mit je einer nach innen abgeschrägten Schießscharte, um den Graben zu be-
streichen. Zur Verstärkung der Verteidigung hatte man mehrfach zwei Reihen Schießscharten übereinandergelegt
und für die obere Schützenstellung eine besondere Balkenlage hergerichtet. Verdeckte Unterstände dienten zum Schutz
der Mannschaften, da die eigentlichen Verteidigungsräume anscheinend oben offen waren; man mußte bei der starken
Rauchentwicklung auf einen raschen Abzug des Pulverdampfes bedacht sein. Die Hohlgänge sind mit Vorratsnischen
versehen. Die Wälle sind nicht immer gradlinig. In der gemauerten inneren Böschung befanden sich wahrscheinlich
Eingangstore zu den Bastionen. Die Zufuhr erfolgte vielleicht von der Vorburg aus oder wurde mittels Fähre
bewerkstelligt. Bastion I und II sind freigelegt und zugänglich. Bastion I ist wahrscheinlich bei der Schleifung der
Werke durch die Spanier 1622 oder bei der teilweisen Zerstörung der Burg durch die Hessen 1648 gesprengt worden.
Bei Bastion III ist die zurückgezogene Flanke bemerkenswert, die durch das Bollwerksohr, Orillon genannt,
gedeckt wurde.
Die mit Brombeergestrüpp bewachsenen Ruinen der Bastion IV bieten einen besonders romantischen Anblick.
Bastion V deckte den Zugang zur Torburg und wurde deshalb bei der Schleifung der Werke besonders bedacht.
Die ganze Anlage ist ein bemerkenswertes Beispiel italienisch-niederländischer Bastionsbefestigung. Etwas
Ähnliches ist am Niederrhein nur noch in Jülich mit seiner von dem Bolognesen Pasqualini erbauten Zitadelle anf-
zuweisen. Die Freilegung der Bastionen und Wiederherstellung der Festungsgräben erfolgte 1919.
Wir wenden uns zurück und betreten die Jnnenräume des Schlosses. Im Turmzimmer füllt uns das gotische
Deckengewölbe mit seinen breiten Stuckrippen auf, deren Verzierung aus Fruchtgewinden besteht. Am Fenster das
bereits erwähnte spätgotische schmiedeeiserne Gitter. Die Möbel des „Großen Zimmers" sind im nordischen Barock
gehalten. Ein Renaissanceschrank stammt aus dem Kloster Neuwerk. Im Rittersaal hängen die Totentafeln der
letzten Bylandts. Erwähnenswert sind die handgemalten Delfter Kacheln des Kamins.
Im übrigen sind die Wände der Schloßräume mit alten Ölgemälden geschmückt, meist Porträts der verwandten
 
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