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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 36.1935

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Lincke, Julius: Die Wiederinstandsetzung der Nürnberger Kaiserburg im Jahre 1934: (vorläufiger Auszug aus einer eingehenden Abhandlung über die Wiederinstandsetzungsarbeiten)
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https://doi.org/10.11588/diglit.35025#0015
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Abb. 19. Nürnberg. Blick auf die Burg über den Stadtgraben.

das Vorhandene einer „Schönheitskur" unterziehen zu müssen. Die so oft in vielen Schichten aufgelegte „Schminke"
erschwerte die dem Umbau vorausgehende Planung ungemein. Konnte man doch kaum mehr hoffen, unter ihr
etwas vom Ursprünglichen vorzufinden. Um so erfreulicher war es, daß während der Arbeit sich alle Rätsel von selbst
lösten und eine ganze Reihe von Wiederentdeckungen der Lohn für ein langsames, stückweises Vordringen waren.
Eine Genugtuung und ein Beweis für das richtige Vorgehen war es auch, daß das, was aus praktischen Grün-
den neu hinzugefügt werden sollte, meist bei der Durchführung der Arbeit an wiederaufgedeckten Spuren oder beim
Durchforschen alter Abbildungen als schon einmal vorhanden befunden wurde. So haben sich bei der Gestaltung
des Burghofes die Planungen, die aus Forderungen des jetzigen lebendigen Verwendungszweckes entstanden sind,
letzten Endes fast völlig mit dem gedeckt, was auf dem Stich von Erasmus aus dem 17. Jahrhundert als ursprüng-
lich zu sehen ist. Die äußere Aufgangstreppe, die in gebrochener Schräge die Hofwand des Pallas mitten durchschnitt
und dem Hauptbau dadurch jede große Wirkung nahm, ist wieder verschwunden und an ihre Stelle der alte Lauben-
gang getreten, von dem aus die hohen Herrschaften einmal ritterlichen Spielen im Burghof zugesehen haben mögen.
Die Treppe ist in den Rittersaal verlegt worden, wo sie, wie es sich bei den Arbeiten herausstellte, schon einmal zum
darüberliegenden Dürnitz hinaufgeführt hatte. Während man vor dem Umbau über die Hoftreppe geradenwegs in
die oberen Gemächer gelangte und die unteren Räume so völlig unberücksichtigt liegen blieben, ist durch die neue
Treppenanordnung das Ganze wieder zu einem lebendigen Gefüge zusammengeschlossen worden, wie überhaupt
die neue Folge der Räume eine fast unmerkliche, fein ausgewogene Steigerung in deren Wirkung ergeben hat. Vom
Ausgang der Hosküche führt eine neue Steintreppe zum Dürnitz, der in Zukunft bei festlichen Gelegenheiten als
Speisesaal dienen wird. Als kürzeste Verbindungsmöglichkeit zwischen ihm und der Küche war sie wohl unbedingt
erforderlich. Zugleich ist aber ein über alles Erwarten malerisches Bild durch diese neue Anordnung entstanden. Un-
nötige gotisierende Einbauten im Burghof und ein Wehrgang, der nicht wehrhaften Zwecken, sondern nur als Ver-
bindungsweg für die Hausverwaltung erstellt worden war, sind gefallen. Der Hof hat dadurch an Weiträumigkeit
gewaltig gewonnen und ist wieder ein Burghof, hinter dessen hohen Mauern man sich geborgen fühlt. Aller klein-
licher Zierrat an den Holzgalerien ist verschwunden. Derbe und echte Zimmermannsarbeit ist an seine Stelle ge-
treten. Das leuchtende Mennigrot, mit dem früher alles Holzwerk gestrichen war, wurde wieder aufgefrischt und
ergänzt. So wirken die Bretterschürzen der Wehr- und Laubengänge in ihrer einfach frohen Farbe wie Teppiche,
die zu Festlichkeiten ausgehängt sind. Das Mürbe und Verwitterte der alten grauroten Sandsteine und Ziegel-
mauern steht in einem feinen Gegensatz zu der lebendigen Farbe der Holzteile.
Diese kräftige Farbgebung fand sich allerorts wieder. So war es die erste große und freudige Überraschung,
als im Rittersaal unter einer langweiligen, dunkelbraunen Stabbretterdecke eine Eichenbalkendecke von seltener Wucht
und Großartigkeit zum Vorschein kam. Auch hier war die Kraft der mächtigen Balken noch gehoben durch die Kraft
 
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