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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 36.1935

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Lux, Koloman: Die königliche Burg Stephans des Heiligen in Esztergom, Gran (Ungarn)
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https://doi.org/10.11588/diglit.35025#0035
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dem Schutte ist eine große Anzahl mit
Bruchstücken von Freskogemälden ge-
zierter Quadersteine zum Vorschein ge-
kommen. Mit goldenen Glorien ge-
schmückte prachtvolle Köpfe, ferner ein
den Judaskuß darstellendes Gemälde-
sragment und viele schöne Architekturteile
reden von der einstigen Pracht des zer-
störten Kunstdenkmales.
Die Ausstattung der Apsis dürfte
die des Schiffes an Reichtum noch be-
deutend übertroffen haben. Hier ver-
zierte man die runde Wand mit sieben,
von doppelten schlanken Säulen getra-
gene rundbögige Nischen, über welche
sich ein mit monumentalen Fresken ge-
schmücktes Kugelgewölbe spannte.
Schöne Beleuchtung bot der Ka-
pelle ein über dem Haupteingang befind-
liches großes, mit 12 zierlichen marmor-
nen Doppelsäulchen reich ausgestattetes
Radfenster, dessen profilierte und mit
Laubwerk geschmückte Umrahmungs-
steine teils noch auf der ursprünglichen
Stelle, teils abgebrochen im Schutt vor-
gefunden wurden.
An den Hauptraum der Burgka-
pelle schloß sich gegen Norden eine ganz
kleine Nebenkapelle, welche an architek-
tonischem Reichtum mit der erwähnten
wetteiferte. Eine aus geschliffenem roten
Marmor hergestellte, dem Altar gegen-
überstehende Thronnische deutet auf die
ursprüngliche Benützung.
Ein ganz ähnlich ausgestatteter
Raum schloß sich auch in südlicher Rich-
tung dem Hauptraum der Burgkapelle
an. Dieser Raum dürfte aber nur ein
Durchgang zu den profanen Sälen des
königlichen Palastes gewesen sein. Weiter
gegen Süden folgt ein schmaler Gang,
aus welchem ursprünglich eine schön gestaltete steinerne Wendeltreppe zum obersten, jetzt nicht mehr existierenden
Stockwerk des Palastes führte.
Noch weiter führt ein kleiner Gang in einen großen, aber bis heute nur zum kleinen Teil freigelegten Saal,
an dessen Wand ein sehr interessanter Freskozyklus der Frührenaissance zu sehen ist, welcher die vier Haupttugenden
mit den Aufschriften Uruckentia, leinperantia, bortünäo und Institia darstellt. Die Fresken stammen aus dem
15. Jahrhundert und wurden im Aufträge des Erzbischofs I. Vitez durch den italienischen Maler Philippino Lippi
ausgesührt.
Aus diesem Saale führt ein Prachtportal in den Schlafsaal des königlichen bzw. erzbischöflichen Palastes. Dieser
Saal stammt aus dem 12. Jahrhundert und befindet sich über der schon erwähnten, vom Kardinal Simor geweihten
Sankt-Stephans-Kapelle. Das steinerne Kreuzgewölbe fehlt schon, nur die Ecksäulen und die daran sich lehnenden
Gewölberippenanläufe deuten auf die ursprüngliche Gestalt. Der Fußboden ist mit roten Marmorplatten bedeckt.
Die interessanteste Seite des Schlassaales ist die östliche Wand mit den doppelten romanischen Prunkportalen. Das
größere Portal führt zum erwähnten Renaissancesaal, das kleinere aus einen schmalen, jetzt finstern Gang, welcher
einstens zu einem auf die Donau schöne Aussicht bietenden Erker führte. Der Schlafsaal hatte ein kleines rundes
Fenster gegen die Donauseite und ein großes, in der Renaissancezeit zu einem zierlichen Erker ausgestaltetes Fenster
gegen den schmalen Schloßhof. Im Saal blieben auch noch spärliche Reste eines Kammes über. Der Saal zeigt
Spuren von Umgestaltungen zur Zeit der Renaissance, als man aus praktischen Gründen die wahrscheinlich mit
schönen Skulpturen versehenen Tympanons der Portale entfernt hat.

Abb. 52. Ausgegrabene Marmortreppe und Burgkapelleneingang in Esztergom. Im
Hintergrund Kuppel der erzbischöflichen Kathedrale.
 
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