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IV.
Die interessanteste Frage aber, die nun
noch übrig bleibt, ist die, wie wir gesehen
haben, bereits vor Menghin ausgestellte Ver-
mutung, daß dis Erdställe als Flucht-
bauten aufzufassen wären und daß
sie daher in die Kategorie der Wehr-
bauten gehören. Die gelegentlichen Äuße-
rungen früherer Zeit zu diesem Punkt beruhen
im wesentlichen auf der allgemeingültigen
Argumentation, daßHöhlen eben immer schon
im Kriegsfall als Versteck gedient hätten. Zu
einer eingehenderen Beweisführung kam erst
Menghin, der vor allem auf seine Erfahrung
Hinweisen konnte, daß auch schon der Volks-
tradition nach die Erdställe immer nur als
Fluchtanlagen aufgefaßt wurden und daß
außerdem erweisbar noch in: 18. Jahrhundert
Erdställe auf dem Marchfeld bei Wien als
Fluchtanlagen im Kriegsfall gedient haben Z.
Nichtsdestoweniger aber erscheint diese Abb. 84. Roggenstein. Aufschluß am Burgberg, der das von den Erdstallanlagen be-
Frage, inwieweit die Erdställe tatsächlich als vorzugte tertiäre Material gut erkennen läßt.
Wehranlagen im oben umschriebenen Sinne
aufzusassen sind, noch einer eingehenden Forschung bedürftig. Nachdem das Problem der zeitlichen Einordnung
endgültig gelöst worden ist, wird es zweifelsohne gelingen, auch hierüber Klarheit zu schaffen.
Hock hat in seiner mehrfach hier bezogenen Arbeit neuerdings den Charakter der Erdställe als Flucht-
gänge bestritten und glaubt, in ihnen nicht sehr viel mehr als bloße Depots für Wertgegenstände und dergleichen
erblicken zu dürfen. Dies schließt freilich noch nicht aus, daß Erdställe auch Menschen zu längerem Aufenthalt gedient
haben und bewußt zu dem Zweck angelegt worden sind, der Bevölkerung rasch zugängliche Schlupfwinkel zu bieten.
Es muß immerhin aufsallen, daß die Erdstallanlagen auch da, wo sie nur noch schlecht erhalten gefunden worden sind,
mit ausgezeichnet funktionierenden Ventilationseinrichtungen versehen zu sein Pflegen, so daß wohl geschlossen werden
darf, daß dieser Aufwand für die Frischluftzufuhr nur der Absicht entsprang, eben auch Menschen einen Aufenthalt
von längerer Dauer zu ermöglichen. Die zahlreichen Lichtnischen weisen außerdem darauf hin, daß die Räume zum
Aufenthalt bestimmt waren, denn hätten sie nur als Sachdepot gedient, dann hätte die Beleuchtung durch eine bei der
Begehung getragenen Lampe ja schließlich auch genügt. Der starke Rußansatz, der überdies an diesen Lichtnischen
regelmäßig festgestellt werden kann, beweist,
daß sie einer intensiven Beflammung aus-
gesetzt waren. Auch sei noch darauf auf-
merksam gemacht, daß einzelne Erdstall-
anlagen in einwandfrei beabsichtigter Weise
mit Brunnen kombiniert sind, also auch
vorab schon auf Frischwasserversorgung
Wert gelegt worden ist.
Von besonderem Interesse ist nun
in diesem Zusammenhang auch der vor
allem von Reinecke für Süddeutschland
betonte Umstand, daß Erdställe in Ver-
bindung mit Burgen und Kirchen
Vorkommen. Es wäre an sich freilich ver-
fehlt, unterirdische Ganganlagen, wie sie sich
bei Burgen und anderen Wehrbauten selbst-
verständlich finden, glattweg mit Erdställen
parallelisieren zu wollen, aber z. B. bei
der Burg von Julbach bei Simbach
am Inn handelt es sich einwandfrei um
ein Erdstallsystem, ebenso wie Wohl auch
y Menghin, Wiener Prähistorische Zeit-
schrift Seite 105. Abb. 85. Erdställe von Roggenstein. Verschütteter Stolleneingang.
IV.
Die interessanteste Frage aber, die nun
noch übrig bleibt, ist die, wie wir gesehen
haben, bereits vor Menghin ausgestellte Ver-
mutung, daß dis Erdställe als Flucht-
bauten aufzufassen wären und daß
sie daher in die Kategorie der Wehr-
bauten gehören. Die gelegentlichen Äuße-
rungen früherer Zeit zu diesem Punkt beruhen
im wesentlichen auf der allgemeingültigen
Argumentation, daßHöhlen eben immer schon
im Kriegsfall als Versteck gedient hätten. Zu
einer eingehenderen Beweisführung kam erst
Menghin, der vor allem auf seine Erfahrung
Hinweisen konnte, daß auch schon der Volks-
tradition nach die Erdställe immer nur als
Fluchtanlagen aufgefaßt wurden und daß
außerdem erweisbar noch in: 18. Jahrhundert
Erdställe auf dem Marchfeld bei Wien als
Fluchtanlagen im Kriegsfall gedient haben Z.
Nichtsdestoweniger aber erscheint diese Abb. 84. Roggenstein. Aufschluß am Burgberg, der das von den Erdstallanlagen be-
Frage, inwieweit die Erdställe tatsächlich als vorzugte tertiäre Material gut erkennen läßt.
Wehranlagen im oben umschriebenen Sinne
aufzusassen sind, noch einer eingehenden Forschung bedürftig. Nachdem das Problem der zeitlichen Einordnung
endgültig gelöst worden ist, wird es zweifelsohne gelingen, auch hierüber Klarheit zu schaffen.
Hock hat in seiner mehrfach hier bezogenen Arbeit neuerdings den Charakter der Erdställe als Flucht-
gänge bestritten und glaubt, in ihnen nicht sehr viel mehr als bloße Depots für Wertgegenstände und dergleichen
erblicken zu dürfen. Dies schließt freilich noch nicht aus, daß Erdställe auch Menschen zu längerem Aufenthalt gedient
haben und bewußt zu dem Zweck angelegt worden sind, der Bevölkerung rasch zugängliche Schlupfwinkel zu bieten.
Es muß immerhin aufsallen, daß die Erdstallanlagen auch da, wo sie nur noch schlecht erhalten gefunden worden sind,
mit ausgezeichnet funktionierenden Ventilationseinrichtungen versehen zu sein Pflegen, so daß wohl geschlossen werden
darf, daß dieser Aufwand für die Frischluftzufuhr nur der Absicht entsprang, eben auch Menschen einen Aufenthalt
von längerer Dauer zu ermöglichen. Die zahlreichen Lichtnischen weisen außerdem darauf hin, daß die Räume zum
Aufenthalt bestimmt waren, denn hätten sie nur als Sachdepot gedient, dann hätte die Beleuchtung durch eine bei der
Begehung getragenen Lampe ja schließlich auch genügt. Der starke Rußansatz, der überdies an diesen Lichtnischen
regelmäßig festgestellt werden kann, beweist,
daß sie einer intensiven Beflammung aus-
gesetzt waren. Auch sei noch darauf auf-
merksam gemacht, daß einzelne Erdstall-
anlagen in einwandfrei beabsichtigter Weise
mit Brunnen kombiniert sind, also auch
vorab schon auf Frischwasserversorgung
Wert gelegt worden ist.
Von besonderem Interesse ist nun
in diesem Zusammenhang auch der vor
allem von Reinecke für Süddeutschland
betonte Umstand, daß Erdställe in Ver-
bindung mit Burgen und Kirchen
Vorkommen. Es wäre an sich freilich ver-
fehlt, unterirdische Ganganlagen, wie sie sich
bei Burgen und anderen Wehrbauten selbst-
verständlich finden, glattweg mit Erdställen
parallelisieren zu wollen, aber z. B. bei
der Burg von Julbach bei Simbach
am Inn handelt es sich einwandfrei um
ein Erdstallsystem, ebenso wie Wohl auch
y Menghin, Wiener Prähistorische Zeit-
schrift Seite 105. Abb. 85. Erdställe von Roggenstein. Verschütteter Stolleneingang.