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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0023
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— 67 —

entweder: Ut . mi. ſol la. ſi . ut.
oder: Ut . fa. la . ut.
Es fällt uns ſchwer, einer dieſer beiden Combinationen
vor der andern den Vorzug zu geben. Wir bemerken nur noch,
daß in dem zweiten Falle das Geläute wegen des ſchweren
Gewichtes der zweiten, dritten und vierten Glocke weit koſt-
ſpieliger wird als im erſten Falle. Nach dieſer erſten Combi-
nation würde ſich das Geläute der Münſterkirche zu Aachen
vervollſtändigen laſſen, indem in der Höhe zwei Glocken mit
den Tönen g. as beigefügt würden, wonach dieſes Geläute
alsdann As c es ffg. as umfaßen würde. Nach der
zweiten Combination aber würde ſich das Geläute der hohen
Domkirche zu Cöln G. A. H. C. vervollſtändigen laſſen,
wenn demſelben noch zwei kleinere Glocken mit den Tönen: e.
g beigefügt würden. Das ganze Geläute würde dann die Ton-
folge: G. A. H. C.e.g, darſtellen und würde ſchwerlich
von irgend einem anderen Geläute an Tonfülle, Schönheit und
Majeſtät übertroffen werden.
Viele Kirchen haben urſprünglich ein ſchönes Geläute gehabt,
haben dieſen Schmuck aber im Laufe der Zeit verloren. Die
urſprüngliche Zahl der Glocken iſt noch vorhanden, die Glocken
ſtehen aber zu einander in keinem ſchönen Tonverhältniſſe. Jn
den wenigſten Fällen beruht dieſer Uebelſtand auf einer ur-
ſprünglich verfehlten Herſtellung des ganzen Geläutes; in der
Regel wird man finden, daß die vorhandenen Glocken aus ver-
ſchiedenen Zeiten herrühren, und es liegt die Vermuthnng nahe,
daß hier dem Geläute urſprünglich ein ſchönes Tonverhältniß
zu Grunde gelegen hat, welches aber durch das ſucceſſive Zer-
brechen einzelner Glocken geſtört worden iſt, indem man beim
Umgießen der zerbrochenen Glocken die richtige Tonhöhe ver-
fehlt hat. Dieſer Fall, wo zu einer oder mehrern vorhandenen
Glocken eine oder mehrere neu gegoſſen werden ſollen, wird
gewiß viel häufiger vorkommen, als die Anſchaffung eines
vollſtändigen neuen Geläutes. Jn dieſem Falle iſt die Aufgabe
für den Glockengießer viel ſchwieriger, als die kunſtgerechte
Anfertigung eines vollſtändigen neuen Geläutes. Jn dieſem
Falle muß daher von Seiten des betreffenden Kirchenvorſtandes
mit beſonderer Umſicht verfahren werden, ſowohl bei der Feſt-
ſtellung der neuen Glocken zu gebenden Töne als auch des mit
dem Glockengießer abzuſchließenden Contractes.
Wenn das Geläute früher in ſeinen Tonverhältniſſen regel-
mäßig war, möge es ein diatoniſches oder ein Dreiklangs-
Geläute geweſen ſein, und eine Glocke zerbricht, ſo muß ſorg-
fältig darauf geachtet werden, daß die neu zu gießende Glocke
ganz genan den nämlichen Ton bekomme, den die zerbrochene
gehabt hat. Wie in dieſem Falle der mit dem Glockengießer
abzuſchließende Contract abzufaſſen ſei, werden wir unten be-
merken.

mi.. aa.re ut mire utfa re Kut .fa . mi
ut.re. mi.fa ut. mi. fa re min. ut .fa .re
ut . fa re. mi ut . mi . re.fa re. mi . ut. fa
mi fa.ut.re fa.xe fa ut re. mi
ut.re. fa. mireeut mi. fa re.fa. mi. ut
mi. re. fa ut fare ut mi re . fa ut. mi
re. mi. fa. ut mi. ut . re fa ut . fa.mi. reut
Dieſes ſind nur die noch unverarbeiteten Elemente einer
Melodie. Ein vierſtimmiges Glockengeläute aber verarbeitet dieſe
Elemente zu einem Ganzen, behandelt ſie mit rhythmiſcher Frei-
heit und melodiſcher Mannigfaltigkeit, unterbricht die diatoniſche
Reihenfolge der Töne ſehr wirkſam durch Harmonieen und
Diſſonanzen, welche ſich in anmuthiger Weiſe auflöſen, und
breitet über das Ganze den eigenthümlichen Zauber und die
Erhabenheit aus, die dem Glockentone eigen iſt. Darum halten
wir das hier beſchriebene vierſtimmige Gelänte für größere
Kirchen, deren Mittel die Anſchaffung zulaſſen, für das empfehlens-
wertheſte.
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die dieſem Geläute zu
gebende Tonhöhe nach den Umſtänden verſchieden gewählt
werden kann, und gilt in dieſer Beziehung das Nämliche, was
oben beim dreiſtimmigen Geläute bemerkt worden iſt.
Soll einem Geläute mit dem harten Dreiklange ut . mi.
ſol noch eine vierte Glocke beigefügt werden, ſo gibt man am
füglichſten dieſer vierten Glocke den Ton la. Es kommt alsdann
in dieſes an ſich unmelodiſche Geläute ein melodiſches Element hin-
ein, welches die Wirkſamkeit des Ganzen bedeutend hebt. Ein ſol-
ches Tonverhältniß ut. mi. ſol. la liegt dem Geläute der Mün-
ſterkirche in Aachen zu Grunde. (As .c. es . f.)
Einem Geläute mit dem weichen Dreiklange Re . fa . la.
iſt eine vierte Glocke in zweckmäßiger Weiſe nicht wohl beizu-
fügen, es ſei denn, daß die Mittel geſtatteten, eine ſchwerere
Glocke anzuſchaffen, welche zu dieſem Geläute den Ton Ut gäbe,
wodurch alſo ein Geläute mit den Tönen ut re . fa la
herauskäme, welches immer noch eine ſchöne Wirkung hervor-
bringen würde, wenn es auch den früher angegebenen Combi-
nationen entſchieden nachzuſtellen wäre.
Soll endlich ein noch reicheres Geläute, etwa für eine Dom-
kirche, angeſchafft werden, ſo empfehlen wir dafür als das
Höchſte und Schönſte eine Combination von ſechs Glocken. Jn
dieſem Falle darf aber die diatoniſche Reihenfolge nicht aus-
ſchließlich zu Grunge gelegt werden, ſondern es muß eine Ver-
bindung des Diatoniſchen mit dem Dreiklangsgeläute Statt
finden. Bei ſechs gleichzeitig läutenden Glocken von verſchiedener
Größe werden nämlich faſt immer zwei oder gar mehrere Glocken
zuſammenklingen, alſo Harmonieen bilden und die melodiſche
Grundlage des Geläutes verwirren und verdunkeln. Sechs in
diatoniſcher Ordnung nach einander folgende Glocken würden
auf dieſe Weiſe mehr Diſſonanzen als Conſonanzen bilden, und
die melodiſche Auflöſung der Diſſonanzen wäre nicht mehr
wahrzunehmen. Ordnet man aber die Töne eines ſolchen Ge-
läutes ſo, daß in demſelben ein diatoniſches Geläute von vier
Tönen mit einem Dreiklangsgeläute verbunden iſt, dann hat
man eine ſchöne Melodie und eine harmoniſche Begleitung zu
derſelben, und hat unſerer Anſicht nach das Höchſte erreicht,
was durch das Glockengeläute einer Kirche zu erreichen iſt.
1.

War aber das Geläute früher in ſeinen Tonverhältniſſen
mangelhaft, und es zerbricht eine der Glocken, ſo muß dieſe
Gelegenheit benutzt werden, um dem Geläute jetzt ein möglichſt
regelmäßiges und ſchönes Tonverhältniß zu geben. Als Regel
gilt in dieſem Falle, daß man der neu zu gießenden Glocke
eine ſolche Tonhöhe gebe, daß das Geläute dadurch auf eines
der oben als gut und regelmäßig bezeichneten Tonverhältniſſe ge-
bracht, oder doch einem ſolchen möglich nahe gebracht werde.
Sollte dieſer Zweck durch das Umgießen einer zerbrochenen Glocke
nicht erreicht werden können, ſo ſollte man auch einen höheren
Koſtenaufwand nicht ſcheuen, wenn er nur möglicher Weiſe zu
erſchwingen iſt, um mit der zerbrochenen auch noch eine der
übrig gebliebenen nicht zerbrochenen Glocken umgießen zu laſſen,
wenn ſich auf dieſe Weiſe ein ſchönes Geläute herſtellen läßt.
Jn dieſem Falle iſt ja eine vielleicht in langer Zeit nicht wieder-
kehrende Gelegenheit vorhanden, um mit der Hälfte der Koſten
(die andere Hälfte muß ja ohnehin verausgabt werden, um dem

Ehe wir zum zweiten Hauptpuncte übergehen, müßen wir
in Betreff der zuletzt erwähnten Verbindung eines melodiſchen
Glockengeläutes mit einem harmoniſchen noch Folgendes nachtragen.
Zwei Fälle ſind hier möglich. Entweder legt man den Drei-
klang in die Tiefe, und baut auf denſelben den melodiſchen
Tetrachord, oder man legt dieſen Tetrachord in die Tiefe
und bant auf denſelben den reinen Dreiklang. Das Geläute
wird demnach folgende Tonverhältniße haben.
 
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