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das neue Leben empor. Stark und entschlossen setzt es den Fuß aufs
Menschenland und schaut mit majestätischem Ernst aus großen Augen in die
Welt hinein. Ein gewaltiger, ernster Wille, der sich aus dem Tode losge-
rungen — noch zeigt das Antlitz die Spuren des Riesenkampfes — schickt
sich an, die Welt zu erobern. So schildert uns dies Bild die Auferstehung
als die größte reformatorische Tat der Weltgeschichte, von einem übermensch-
lich starken Willen getan. — Da konnte von Konzessionen an gefällige
Schönheit nicht die Rede sein.
Wir betrachten noch eine kleine Reihe künstlerischer Nachdichtungen der
Erzählungen von den Erscheinungen des Auferstandenen.
Eins der schönsten Bilder aus Dürers kleiner Holzschnittpassion,
Christus als Gärtner, ist ganz von dem poetischen Zauber erfüllt, der uns
aus diesen Ostererzählungen so wundersam berührt. „Sie meinte, es sei
der Gärtner." So stellt ihn der Künstler naiv vor uns hin mit großem,
aufgekremptem Hut und der Schaufel über der Schulter. Vor ihm kniet
Magdalena, und hinter Jesus über den Bergen geht die Sonne aus und
überströmt mit ihren Strahlen die Landschaft, daß sie in Hellem Glanze
aufleuchtet. Aus diesem kräftigen Holzschnitt mit seinen einfachen, starken
Kontrasten tönt es uns wie ein altes schönes Volkslied entgegen:
Frühmorgens, da die Sonn' aufgeht,
Mein Heiland Christus aufersteht.
Ganz ins Seelische aufgelöst und mit größter psychologischer Feinheit
behandelt schauen wir dieselbe Szene in dem Gemälde Rembrandts zu
Braunschweig. Selten ist das „noli me tLNZere" mit so zartfühlendem
Verständnis nacherlebt worden. Wie fein ist das sehnende Hinstreben der
Magdalena und die Zurückhaltung Christi wiedergegeben, der mit leiser
Hand den Verkehr in ein neues Stadium hinüberleiten will. Welche Ver-
geistigung in dieser Christusgestalt! Dazu die geheimnisvolle Naturstimmung,
Üie so harmonisch zusammenklingt mit dem Zwiegespräch zweier Seelen,
dem wir lauschen dürfen. Wie unzart und äußerlich wirkt dagegen das
bekannte Bild Tizians, auf dem Christus sich gegen die Zudringlichkeit der
Magdalena schützen zu wollen scheint.
Mit ganz anderen Kunstmitteln arbeitet Rembrandt in der Radierung:
Jesus erscheint seinen Jüngern. Die Reproduktion ist hier nicht imstande,
einen Begriff von der wunderbaren Wirkung des Originals zu geben. Hier
schafft der Künstler, der die symbolische Sprache des Lichts hat reden lassen,
wie sonst niemand. Alle Erdenschwere ist aufgehoben, und in der mystischen
Lichtsphäre, die sich uns hier öffnet, verschwindet zunächst die Sichtbarkeit
mit ihren Einzeleindrücken. Das Auge wird fast geblendet von der Licht-
flut, die das Bild übergießt, und aus der sich ein anfänglich kaum lösbares
Gewirre von Linien heraushebt, bis wir zuerst die hohe Gestalt des Auf-
erstandenen auftauchen sehen, und dann die Iüngergestalten eine nach der
anderen sich für das Auge zusammenschließen. Wollten wir auf das Ein-
zelne eingehen, würden wir Rembrandt auch als Meister physiognomischer

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