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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg: Sebalder Stadtseite — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.52871#0013
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HINWEISE FÜR DEN BENUTZER

Zur Technik mittelalterlicher Glasmalerei: Ein mittelalterliches Glasgemälde setzt sich aus drei Bestandteilen
- Farbglas, Malfarbe und Bleinetz - zusammen. Das Bleinetz verbindet die einzelnen Farbgläser miteinander und legt
zugleich das lineare Gerüst der Bildkomposition fest. Die Bemalung der Farbgläser ermöglicht die Differenzierung
und Modellierung des farbigen Lichtes und präzisiert die bildliche Darstellung.
Die mittelalterlichen Farbgläser bestehen aus einem Gemenge von zwei Teilen Buchenholz und Farnasche (Pottasche)
und einem Teil Sand (Silizium), das bei etwa 1200 C miteinander verschmilzt. Zur Färbung der flüssigen Glasmas-
se (Fritte) wurden verschiedene Metalle (Kupfer, Eisen, Mangan, Kobalt, u.a.) hinzugefügt, deren Oxidation eine
bestimmte Färbung bewirkt. Manche Gläser zeigen einen schichtenförmigen Aufbau, bestehen also aus mehreren
Überfängen; hierzu wurde der Glaszylinder während des Blasens in verschiedene Fritten getaucht. Rotes Glas wurde
in der Regel als Überfangglas hergestellt, gelegentlich auch aus unvollständig vermischter weiß-roter Fritte als Hafen-
mischglas. Das in Zylindern geblasene Farbglas ergab nur kleine Glastafeln, die eine Fläche von bis zu einem Viertel
Quadratmeter erreichten. Die Glastafeln waren uneben, in der Stärke ungleich und mit Unreinheiten (Bläschen, Buk-
keln) durchsetzt, hervorgerufen durch die unvollständige Oxidation der färbenden Metalle.
Im Mittelalter kannte man als Glasmalfarbe zunächst nur das Schwarz- oder Braunlot, das sich durch Aufbrennen
mit dem Farbglas verbindet. Hierzu wurde der Farbsubstanz (Eisenhammerschlag, Kupferoxid) zerstoßenes Bleiglas
beigemischt, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das Grundglas besitzt, da dieses beim Brand seine Form nicht
verändern soll. Das Schwarzlot wurde als Kontur- und Überzugsfarbe verwendet und vermochte das Grundglas nur
in seiner Transparenz zu verändern. Eigentliche Malfarben, mit denen der Farbton des Grundglases verändert werden
kann, sind Silbergelb und Eisenrot, die erst seit dem frühen 14. bzw. dem späten 15. Jahrhundert in Gebrauch kamen.
Zudem ist es möglich, den farbigen Überfang eines Farbglases mechanisch (durch Ausschliff) oder mit chemischen
Mitteln (Ätztechnik) zu entfernen und damit kleinteilige Farbwechsel (z. B. Muster oder Wappenbilder) ohne störende
Bleiruten innerhalb ein und desselben Glasstücks zu erzielen.
Das H-Profil mittelalterlicher Bleiruten ist hochstegig und besitzt in der Regel schmale Flanken, durch die die Gläser
gehalten und miteinander verbunden werden. Auf Grund ihrer Biegsamkeit können sie auch komplizierten Glaszu-
schnitten angepasst werden.
Die Arbeit des Glasmalers begann damit, dass er das auszuführende Glasgemälde in natürlicher Größe auf einer weiß
grundierten Holztafel, auf Leinwand oder Pergament, später auf Papier, aufriss und damit die Größe der einzelnen
Gläser und den Bleiriss festlegte. Als zweiter Arbeitsgang folgte der Zuschnitt der Gläser mit Spreng- und Kröseleisen;
mittelalterliche Farbgläser weisen daher zumeist unregelmäßige Bruchkanten auf. Die Bemalung besteht in der Regel
aus drei Schichten, einem flächig aufgetragenen lichten Wasserton, einem modellierenden oder schattierenden Halbton
und einer mehr oder weniger deckenden Kontur. Sie wurde in der Regel auf der Innenseite aufgetragen, häufig aber
durch schattierende Lasuren auf der Außenseite verstärkt. Die Struktur der Bemalung konnte der Glasmaler dadurch
differenzieren, dass er sie in negativer Technik mit dem Stoffballen, dem trockenen Pinsel, Pinselstiel, Federkiel oder
der Nadel durch Wischen, Stupfen oder Radieren teilweise wieder entfernte. Danach wurden die Gläser gebrannt und
abschließend verbleit.
Zur Erhaltung mittelalterlicher Glasmalereien: Glasgemälde waren stets der Zerstörung durch Hagel,
Sturm und Steinwürfe ausgesetzt. Im Mittelalter wurden sie regelmäßig gepflegt und ausgebessert, in nachmittelal-
terlicher Zeit jedoch zunehmend vernachlässigt. Unermessliches ging durch den Bildersturm, die Kriege des 17. Jahr-
hunderts, das Lichtbedürfnis der Aufklärung und nicht zuletzt durch die Verschleuderung kirchlichen Kunstgutes im
Zuge der Säkularisation zugrunde. Erst mit der romantischen Begeisterung für die Kunst des Mittelalters nahm man
sich der Glasmalerei wieder an. Dabei führten die umfangreichen Wiederherstellungsmaßnahmen im 19. Jahrhundert
vielfach zu einer weitgehenden Umstellung und Neuordnung der überlieferten mittelalterlichen Bestände und damit
zur Verunklärung ursprünglicher Zustände, deren Rekonstruktion auf der Grundlage schriftlicher und bildlicher
Überlieferung sowie der sorgfältigen Autopsie der Fenster eine wesentliche Aufgabe des Corpus Vitrearum ist. Heute
sind die Farbfenster überall dort, wo keine Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, unausweichlich vom Zerfall
bedroht.
Mittelalterliche Farbgläser sind einem natürlichen Alterungsprozess unterworfen. Seit der Industrialisierung wird
dieser Zersetzungsprozess durch Schadstoffe in der Atmosphäre (vor allem Schwefeldioxid) beschleunigt. Die in
Verbindung mit Feuchtigkeit entstehende Schwefelsäure schädigt die Glasoberfläche (bis zu geschlossenen Korrosi-
 
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