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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg: Sebalder Stadtseite — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.52871#0323
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320

EHEMALS AUGUSTINERKLOSTER ST. VEIT


Fig. 252. Der Hl. Augustinus verteilt die Ordensregel. Rotterdam,
Museum Boijmans Van Benningen, Inv. Nr. MB 1953/T19.
Der originalgroße Glasmalerei-Karton aus der Werkstatt Albrecht
Dürers, um 1498/1500, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit als Vorlage
für ein heute verlorenes Glasgemälde im Augustinerkloster gedient.
Das schmale Hochformat der Komposition entspricht u.a. den Pro-
portionen der Chorschlussfenster in der oberen Kress’schen Kapelle
des Kreuzgangs, die auch dem Hl. Augustinus geweiht war
(vgl. oben S. 316 und Fig. 247).

Zwar passt das Höhenmaß des Kartons recht gut zu der aus
demChorfenster nord II stammenden Abendmahlsscheibe
(876 mm), doch diese ist fast 10 cm breiter. Schließlich
sind auch in den Ansichten der alten Klostergebäude,
die 1872 ins Germanische Nationalmuseum übertra-
gen worden waren und nach der Zerstörung im Zweiten
Weltkrieg abgebrochen wurden, nicht mit hinreichender
Sicherheit passende Fensteröffnungen auszumachen, zu-
mal wir die absoluten Maße nicht kennen. Allenfalls die
Fenster der Kressischen Doppelkapelle im Kreuzgang,
deren dem Hl. Augustinus geweihte obere Kapelle eine
partielle Farbverglasung mit Butzen und »gemalten Fens-
tern, welche verschiedene Heilige vorstellen20«, besessen
hatte, zeigen im Chorschluss annähernd hochrechtecki-
ge Proportionen21. Gerade an diesem besonderen Ort im
Augustinerkloster darf man freilich mit gutem Grund
das ehemalige Vorhandensein einer entsprechenden Dar-
stellung des Ordenslehrers erwarten, denn in welchem
weniger ordensspezifischen Kontext würde eine derart
ungewöhnliche Szene wie die gemeinsame Lektüre (der
Ordensregel?) sinnvoll untergebracht werden können22.
Über den Verbleib der erwähnten Glasgemälde nach dem
Abbruch der Kirche 1816 ist bislang nichts bekannt ge-
worden. Lediglich im Fall eines Scheibenfragments der
Himmelfahrt Christi aus dem frühen 15. Jahrhundert,
das sich heute in einem der Chorfenster der Wehrkirche
St. Georg zu Kraftshof eingesetzt findet, besitzt die - im
Übrigen pauschal für alle Figuren- und Wappenschei-
ben der Kraftshofer Kirche behauptete23 - Herkunft aus
der 1412/13 errichteten Kressischen Doppelkapelle im
Kreuzgang des Nürnberger Augustinerkloster schon der
Zeitstellung wegen einige Wahrscheinlichkeit24 25.

20 Murr 2i8oi, S. 85.
21 Vgl. Deneke/Kahsnitz 1978, Abb. S. 39 oben.
22 Der Hinweis von Flechsig, II, 1931, S. 433, auf den Holzschnitt
eines Missale Romanum, das die Nürnberger Augustiner 1491 in
Nürnberg drucken ließen (Weimar, Landesbibliothek; vgl. Winkler,
I, 1936, Anhang Taf. XIX), bestätigt diese Vermutung. Wenn auch im
Detail nicht sehr verwandt, zeigt er doch den Hl. Augustinus lehrend
im Kreise adorierender Mönche und Laien, wobei einer der Zuhörer
die gleiche Kappe trägt wie die Mönche des Rotterdamer Kartons.
2^ Kurzinventar 2i97//82, S. 370.
24 Vgl. Scholz 2002,1, S. 270.
25 Da auch einzelne Stücke der 1832 versteigerten Farbfenster aus
dem Tücher'sehen Haus in der Grasersgasse nach Wilton in die dor-
tige Pfarrkirche gelangten, liegt hier vielleicht ein möglicher gemein-
samer Handel vor; die betreffenden Scheiben der Tucher-Kapelle hatte
seinerzeit ein Kunsthändler Gottfried aus München erworben, der
sie dann möglicherweise zusammen mit dem Abendmahl nach Eng-
land weiterverkaufte; vgl. die handschriftliche Aufstellung der verstei-
gerten Tucher-Scheiben mit Angabe der Käufer vom 1. August 1833
(StadtAN, Petz Archiv, E 31).
 
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