EHEMALS LANDAUER-KAPELLE
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Vergleich des Stifterkopfes im Fenster mit dem der Zeichnung zeigt indessen, dass für das Glasgemälde eine andere
Vorlage zur Verfügung gestanden haben muss. Angesichts der frühen Vollendung des Kapellenbaus 1507 ist eine zeit-
nahe Verglasung aller Fenster auch aus praktischen Gründen anzunehmen.
Vorbemerkungzm Katalog: Abweichend von den Richtlinien des internationalen Corpus Vitrearum ist den 1945
zerstörten, doch in alten Aufnahmen und vorzüglichen Beschreibungen überlieferten Glasgemälden der Landau-
er-Kapelle ein Scheibenkatalog gewidmet. Dies gewährleistet zum einen den schnellen Zugriff auf die technischen
Daten und Inschriften, zum anderen kann am gegebenen Ort auf die jeweiligen ikonographischen und komposito-
rischen Besonderheiten dieses einstmals bedeutenden Zyklus eingegangen werden. Nicht zuletzt findet dies seine
Entsprechung in der Behandlung der ebenfalls seit 1945 allerdings nur teilweise verlorenen und in Fotos überlie-
ferten Scheiben des Benediktzyklus und der Äbtefolge aus dem Refektorium bzw. dem Kapitelsaal des Benedik-
tinerklosters St. Egidien (vgl. S. 341—375 bzw. S. 376-380). Als weitere Zutat werden die zum Teil ausführlichen
Beschreibungen der Farbigkeit (über die wir sonst nichts wüssten) sowie nützliche Beobachtungen zur technischen
Ausführung der einzelnen Felder bei Schmitz 1913, I, S. 145, zitiert.
EHEMALS BERLIN, KUNSTGEWERBEMUSEUM (KRIEGSVERLUST)
1-3. ANBETUNG DER DREIFALTIGKEIT Fig. 402
Schmitz 1913, II, Nr. 235-237.
H. jeweils 90 cm, B. 46 cm (Mitteltafel) bzw. 43 cm.
Inschriften: Auf dem durchlaufenden Inschriftsockel in go-
tischer Minuskel drei zweizeilige Distichen34:
Mittelfeld (Dreifaltigkeit): Totius fabrice pater et deitatis origo /
Plasma tuu(m) salva bonitate tuapte creatu(m) 1508.
[Der ganzen Schöpfung Vater und Ursprung der Gottheit / Er-
rette Dein Geschöpf, das durch Deine Güte geschaffen ist].
Rechtes Feld (Engelschöre): Nate patri consors, idea soliq(ue)
poliq(ue) / Quaeso Christe tuo miserere cruore rede(m)ptis.
[Sohn, dem Vater wesensgleich, Urbild des Himmels und der
Erde / Christus erbarme Dich der durch Dein Blut Erlösten],
Linkes Feld (Engelschöre): Spiritus amborum natiq(ue)
patrisq(ue) ligamen / Nostras divino mentes accende calore
1508.
[Geist beider, Band zwischen Sohn und Vater / Entzünde unse-
re Herzen mit himmlischer Glut].
Ikonographie, Komposition: Die auf drei Scheiben übergrei-
fende Komposition zeigte im Zentrum die Trinität in Gestalt
des Weltenherrschers mit Szepter und Reichsapfel, auf dem mit
Sternen übersäten Firmament thronend und die Erdkugel unter
den Füßen. Um das zeitlose Sein des dreifältigen Gottes zur
Anschauung zu bringen, griff der Entwerfer auf den Kopf mit
den drei Gesichtern zurück, ein seit alters in den verschiedens-
ten Religionen gebräuchliches Bild des höchsten Wesens, das
34 Transkription und Übersetzung der Verse folgen im Wesentlichen
dem Katalog des Kgl. Kunstgewerbemuseums von Schmitz 1913, II,
S. 13k, Nr. 235-243 (für hilfreiche Korrekturen des z.T. verballhornten
Wortlauts habe ich einmal mehr Dr. Michael Oberweis von der Arbeits-
stelle der Deutschen Inschriften an der Mainzer Akademie der Wissen-
schaften und der Literatur zu danken); dagegen birgt die Transkription
des frühen 18. Jh. in Hs. 16622, fol. 446t, im Germanischen National-
museum einige gravierende Lesefehler (vgl. Reg. Nr. 158).
35 Vgl. RDK, IV, 1958, Sp. 501-511 (Georg Troescher), und LCI, I,
1968, Sp. 53/f. (Herbert Schade). - Trotz des Verbots dieser Darstel-
lungsform 1628 und 1745 sind Dreifaltigkeitsbilder in Form des Drei-
gesichter- oder Dreikopftypus noch im 18. und 19. Jh. verbreitet.
36 Schoch/Mende/Scherbaum, II, 2002, Nr. 230.
im Abendland erst seit dem 14. Jh. häufiger anzutreffen ist und
insbesondere, was hier nicht ohne Interesse ist, in der huma-
nistischen Rezeption besonders der italienischen Renaissance
Verbreitung fand35. Der Kreis der Engelschöre, überwiegend
geflügelte Puttenköpfe, wurde von zwei adorierenden Erzen-
geln angeführt, die sich recht gut mit den schwebenden Engeln
in Dürers Holzschnitt der Messe des Hl. Gregor von 1511 (Me-
der 226) vergleichen lassen36. Überfangen wurde die dreitei-
lige Komposition durch einen flachen Astwerkbogen, gebildet
aus zwei in der Mitte verbundenen Rebruten mit Weinlaub und
Trauben in den Zwickeln.
Farbigkeit, Technik, Stil: Schmitz 1913, I, S. 145: »Gottvater
und die Engelchöre im dreiteiligen Mittelfenster heben sich von
dem tiefblauen, mit dunklen Wolken bedeckten Himmel ab,
der in der Mitte nach unten zu aufgeklärt ist. Die Dalmatika
Gottvaters aus leuchtendem tiefrotem Glase mit goldgelbem
Saum gibt den kräftigsten Akzent; der Kopf aus blaßrosafar-
benem Glase mit braunem weichgemaltem Bart, mit fein her-
ausradierten Locken steht in einer viereckigen, in glänzendem
Silbergelb gemalten Glorie, die vom Kopf aus nach dem Rande
feingeritzte Strahlenbündel in den dunklen Überzug aussendet.
In dem streng symmetrischen Kopf ist eine ähnlich feierliche
Wirkung wie in dem um dieselbe Zeit entstandenen Münch-
ner Selbstporträt; die Form der Lippen, der Ansatz des Bartes,
die Locken sind verwandt. Das Reflexlicht in den Schatten,
die Spiegelung des Fensterkreuzes in der Kugel, die breite
Modellierung der großzügigen Falten, die über die lavierende
Untermalung gelegten dichten, den Formen folgenden Schraf-
fierungen, wie sie der Meister auch auf den zahlreichen sorgfäl-
tigen Detailstudien dieses Jahres für die Krönung Mariä beim
Helleraltar verwendet, machen bei der Mitteltafel seine Mitar-
beit möglich. Der in den genannten Zeichnungen angestrebte
Helldunkeleffekt [...] tritt in den aus tiefschwarzen Wolken-
massen herausradierten Cherubimköpfen der Fenster zutage,
deren Haar und Flügel zum Teil (durch Gelbhintermalung)
grün gefärbt sind«.
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum
4JI
Vergleich des Stifterkopfes im Fenster mit dem der Zeichnung zeigt indessen, dass für das Glasgemälde eine andere
Vorlage zur Verfügung gestanden haben muss. Angesichts der frühen Vollendung des Kapellenbaus 1507 ist eine zeit-
nahe Verglasung aller Fenster auch aus praktischen Gründen anzunehmen.
Vorbemerkungzm Katalog: Abweichend von den Richtlinien des internationalen Corpus Vitrearum ist den 1945
zerstörten, doch in alten Aufnahmen und vorzüglichen Beschreibungen überlieferten Glasgemälden der Landau-
er-Kapelle ein Scheibenkatalog gewidmet. Dies gewährleistet zum einen den schnellen Zugriff auf die technischen
Daten und Inschriften, zum anderen kann am gegebenen Ort auf die jeweiligen ikonographischen und komposito-
rischen Besonderheiten dieses einstmals bedeutenden Zyklus eingegangen werden. Nicht zuletzt findet dies seine
Entsprechung in der Behandlung der ebenfalls seit 1945 allerdings nur teilweise verlorenen und in Fotos überlie-
ferten Scheiben des Benediktzyklus und der Äbtefolge aus dem Refektorium bzw. dem Kapitelsaal des Benedik-
tinerklosters St. Egidien (vgl. S. 341—375 bzw. S. 376-380). Als weitere Zutat werden die zum Teil ausführlichen
Beschreibungen der Farbigkeit (über die wir sonst nichts wüssten) sowie nützliche Beobachtungen zur technischen
Ausführung der einzelnen Felder bei Schmitz 1913, I, S. 145, zitiert.
EHEMALS BERLIN, KUNSTGEWERBEMUSEUM (KRIEGSVERLUST)
1-3. ANBETUNG DER DREIFALTIGKEIT Fig. 402
Schmitz 1913, II, Nr. 235-237.
H. jeweils 90 cm, B. 46 cm (Mitteltafel) bzw. 43 cm.
Inschriften: Auf dem durchlaufenden Inschriftsockel in go-
tischer Minuskel drei zweizeilige Distichen34:
Mittelfeld (Dreifaltigkeit): Totius fabrice pater et deitatis origo /
Plasma tuu(m) salva bonitate tuapte creatu(m) 1508.
[Der ganzen Schöpfung Vater und Ursprung der Gottheit / Er-
rette Dein Geschöpf, das durch Deine Güte geschaffen ist].
Rechtes Feld (Engelschöre): Nate patri consors, idea soliq(ue)
poliq(ue) / Quaeso Christe tuo miserere cruore rede(m)ptis.
[Sohn, dem Vater wesensgleich, Urbild des Himmels und der
Erde / Christus erbarme Dich der durch Dein Blut Erlösten],
Linkes Feld (Engelschöre): Spiritus amborum natiq(ue)
patrisq(ue) ligamen / Nostras divino mentes accende calore
1508.
[Geist beider, Band zwischen Sohn und Vater / Entzünde unse-
re Herzen mit himmlischer Glut].
Ikonographie, Komposition: Die auf drei Scheiben übergrei-
fende Komposition zeigte im Zentrum die Trinität in Gestalt
des Weltenherrschers mit Szepter und Reichsapfel, auf dem mit
Sternen übersäten Firmament thronend und die Erdkugel unter
den Füßen. Um das zeitlose Sein des dreifältigen Gottes zur
Anschauung zu bringen, griff der Entwerfer auf den Kopf mit
den drei Gesichtern zurück, ein seit alters in den verschiedens-
ten Religionen gebräuchliches Bild des höchsten Wesens, das
34 Transkription und Übersetzung der Verse folgen im Wesentlichen
dem Katalog des Kgl. Kunstgewerbemuseums von Schmitz 1913, II,
S. 13k, Nr. 235-243 (für hilfreiche Korrekturen des z.T. verballhornten
Wortlauts habe ich einmal mehr Dr. Michael Oberweis von der Arbeits-
stelle der Deutschen Inschriften an der Mainzer Akademie der Wissen-
schaften und der Literatur zu danken); dagegen birgt die Transkription
des frühen 18. Jh. in Hs. 16622, fol. 446t, im Germanischen National-
museum einige gravierende Lesefehler (vgl. Reg. Nr. 158).
35 Vgl. RDK, IV, 1958, Sp. 501-511 (Georg Troescher), und LCI, I,
1968, Sp. 53/f. (Herbert Schade). - Trotz des Verbots dieser Darstel-
lungsform 1628 und 1745 sind Dreifaltigkeitsbilder in Form des Drei-
gesichter- oder Dreikopftypus noch im 18. und 19. Jh. verbreitet.
36 Schoch/Mende/Scherbaum, II, 2002, Nr. 230.
im Abendland erst seit dem 14. Jh. häufiger anzutreffen ist und
insbesondere, was hier nicht ohne Interesse ist, in der huma-
nistischen Rezeption besonders der italienischen Renaissance
Verbreitung fand35. Der Kreis der Engelschöre, überwiegend
geflügelte Puttenköpfe, wurde von zwei adorierenden Erzen-
geln angeführt, die sich recht gut mit den schwebenden Engeln
in Dürers Holzschnitt der Messe des Hl. Gregor von 1511 (Me-
der 226) vergleichen lassen36. Überfangen wurde die dreitei-
lige Komposition durch einen flachen Astwerkbogen, gebildet
aus zwei in der Mitte verbundenen Rebruten mit Weinlaub und
Trauben in den Zwickeln.
Farbigkeit, Technik, Stil: Schmitz 1913, I, S. 145: »Gottvater
und die Engelchöre im dreiteiligen Mittelfenster heben sich von
dem tiefblauen, mit dunklen Wolken bedeckten Himmel ab,
der in der Mitte nach unten zu aufgeklärt ist. Die Dalmatika
Gottvaters aus leuchtendem tiefrotem Glase mit goldgelbem
Saum gibt den kräftigsten Akzent; der Kopf aus blaßrosafar-
benem Glase mit braunem weichgemaltem Bart, mit fein her-
ausradierten Locken steht in einer viereckigen, in glänzendem
Silbergelb gemalten Glorie, die vom Kopf aus nach dem Rande
feingeritzte Strahlenbündel in den dunklen Überzug aussendet.
In dem streng symmetrischen Kopf ist eine ähnlich feierliche
Wirkung wie in dem um dieselbe Zeit entstandenen Münch-
ner Selbstporträt; die Form der Lippen, der Ansatz des Bartes,
die Locken sind verwandt. Das Reflexlicht in den Schatten,
die Spiegelung des Fensterkreuzes in der Kugel, die breite
Modellierung der großzügigen Falten, die über die lavierende
Untermalung gelegten dichten, den Formen folgenden Schraf-
fierungen, wie sie der Meister auch auf den zahlreichen sorgfäl-
tigen Detailstudien dieses Jahres für die Krönung Mariä beim
Helleraltar verwendet, machen bei der Mitteltafel seine Mitar-
beit möglich. Der in den genannten Zeichnungen angestrebte
Helldunkeleffekt [...] tritt in den aus tiefschwarzen Wolken-
massen herausradierten Cherubimköpfen der Fenster zutage,
deren Haar und Flügel zum Teil (durch Gelbhintermalung)
grün gefärbt sind«.
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum