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GEMEINDE BAYRISCHZELL

Das abgelegene Hochgebirgstal der oberen Leitzach bei Bay-
rischzell stand im 11. Jh. unter Vogteihoheit der Sulzbacher
und ihnen verwandter Grafen v. Kastl sowie der Falkenstei-
ner. Sie erschlossen es von ihren Höfen bei Aibling aus und
Haziga, Witwe des Grafen Hermann v. Kastl (gest. nach
1050), in zweiter Ehe vermählt mit Pfalzgraf Otto I. v. Schey-
ern-Wittelsbach, gründete 1076 eine «cella», eine Eremiten-
klause, beim späteren Bayrischzell. Danach wurde eine erste
Kapelle, «Margarethenzell», geweiht und 1079 ein förmliches
Kloster gegründet, das um 1080 durch das Reformkloster Hir-
sau besiedelt wurde. Der Gründung in dem rauhen, von Ber-
gen gesäumten Hochtal war kein Erfolg beschieden, das Klo-
ster wurde 1085 zunächst nordwestlich nach Fischbachau,
dann 1104 auf den Petersberg bei Dachau, schließlich 1120
nach Scheyern verlegt.
Das Dorf Zell oder Margarethenzell, seit 1835 amtlich Bay-
rischzell, 800 m hoch in einem Wiesenboden gelegen, bestand
seit der mittelalterlichen Besiedlung bis in die Neuzeit nur aus
den fünf Höfen des Zeller-, des Peter-, des Steffl-, des Marx-
und des Unterlarchbauern sowie der Kirche. Erst 1605 kam
mit dem Kooperatorhaus ein weiteres, um 1750 mit dem «Al-
ten Wirt» ein siebtes Anwesen hinzu. Das malerische Bild ei-
nes rein bäuerlichen kleinen Gebirgs- und Kirchdorfes be-
wahrte Bayrischzell bis in die 1880er Jahre.
Das Gemeindegebiet, das seit dem frühen 19. Jh. aus drei wei-
teren Dörfern, Osterhofen, Geitau und Dorf, einigen Weilern,
17 Einöden und einer großen Zahl von Almen besteht, 1812
377 Einwohner, 1910 aber 1717 zählte, wird vom Wendelstein
(1838 m), vom Hochmiesing (1888 m), vom Seebergkopf
(1538) m und dem Großen Traithen (1853 m) eingefaßt und
ist nur gegen Schliersee geöffnet. Zwischen den Bergen er-
streckt sich das im Mittelalter gerodete, bis 1968 mehrfach we-
gen häufiger Hochwassergefahr regulierte Tal, das sich süd-
lich von Bayrischzell als Ursprungtal bis zur Tiroler Landes-
grenze beim Ursprungpaß (838 m) fortsetzt. Die Straße nach
Schliersee, bis 1825 nur ein Karrenweg, und nach Tirol, aus-
gebaut erst 1923, mußten mehrfach verlegt werden.
Grundherr war mit Ausnahme von Geitau bis zur Säkularisa-
tion die Propsteihofmark Fischbachau des Klosters Scheyern.
Die humusarmen Talböden taugten nur für Viehhaltung, und
für ihre gute Rinderzucht waren und sind die Bauern «in der
Zell» bekannt. Um die Möglichkeiten dafür zu erweitern,
wurden seit dem Mittelalter, bevorzugt auf Bergsätteln, in ge-
rodeten Flächen, Almen angelegt. Diese Hochgebirgsweiden,
die zwischen 80 und 100 Tagen im Jahr «bestoßen» werden,
bilden mit ihren historischen Hütten und Einfriedungen eine
spezifische Kulturlandschaft, der aus heutiger Sicht die Auf-
merksamkeit der Denkmalpflege gelten muß, zumal regelmä-
ßig überall dort, wo diese Almbereiche mit touristischen Ein-
richtungen, wie Lifts und Gaststätten, überzogen werden,
Kulturlandschaft und zugehörige Baudenkmäler gestört oder
zerstört werden. Im Gemeindegebiet befanden sich bis zur
Mitte des 19. Jhs. 90 Almen; u.a. durch staatliche Aufforstun-
gen seit etwa 1860 hat sich die Zahl auf heute rund 55 redu-
ziert.
Kirchplatz 1. Kath. Pfarrkirche St. Margareth, barocker Neu-
bau von 1733/34, erweitert 1786, Westturm spätgotisch, im
Kern romanisch.
Die Kirche ist das bedeutendste Baudenkmal der Gemeinde.
Der unter Erhaltung des mittelalterlichen Turms errichtete,
durch Pilaster gegliederte Frührokokobau entstand seit 1733
unter den Äbten Maximilian Rest (gest. 1734) und Placidus
Forster von Scheyern. 1786 nach Westen erweitert.

Bayrischzell, Ansicht von Westen mit Kirche


Bayrischzell, Kirche von Nordosten


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