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GEMEINDE WEYARN

Die Lage und Umgrenzung der Gemeinde Weyarn ist durch
die Flußläufe der Mangfall und Leitzach bestimmt. Vom Fuß
des Fentberges ab folgt die Grenze der Mangfall bis über das
nördliche Mangfallknie; ca. 1 km südlich von Niederaltenburg
wendet sie sich in direkter Linie der Leitzach zu, die sie etwa
300 m vor der Mündung in die Mangfall erreicht, danach bil-
det die Leitzach die Grenze bis auf die Höhe des Seehamer
Sees. Dieser Grenzverlauf ergibt eine halbinselförmige, lang-
gestreckte Umrißform für das Gemeindegebiet, das sich nur
im Südwesten verbreitert, weil dort bei der Gebietsreform
Ortsteile der ehern. Gemeinde Gotzing hinzukamen und die
Taubenberghöhe bis zu einer Lage von ca. 870 m Höhe mit-
einbezogen wurden. Nach der Eingliederung der ehern. Ge-
meinde Holzolling mißt die Gemeindefläche jetzt 45,43 qkm.
Außerdem erbrachte die Gebietsreform eine Änderung des
Gemeindenamens von Wattersdorf zu Weyarn, wodurch das
einstige Augustinerchorherrenstift wieder namengebend
wurde, obwohl auch Wattersdorf als Sitz einer ehedem klei-
nen Herrschaft mit unterdessen abgegangenem Landschlöß-
chen als Gemeindename nicht ungerechtfertigt war.
Das Landschaftsbild ist vielgestaltig, geprägt von der Morä-
nenablagerung der letzten Eiszeitgletscher, in welche sich die
drei Hauptflüsse des Landkreisgebietes eingesenkt haben: ne-
ben den schon genannten Wasserläufen der Mangfall und
Leitzach berührt das Gemeindegebiet im Süden auch noch
das Tal der Schlierach, die bei Reisach in die Mangfall mün-
det. Auch der im Gemeindegebiet liegende Seehamer See ist
eine Hinterlassenschaft der Eiszeit. Die Grundwasserströme
der Mangfall und Schlierach sowie die Hangquellen des Tau-
benbergs, die im Gemeindegebiet gefaßt werden, bilden seit
1883 die Hauptlieferanten für die Trinkwasserversorgung der
Stadt München; die rund 100 m Gefälle bis München ermög-
lichen einen natürlichen Abfluß ohne Pumpwerke. Durch die
Inbetriebnahme des Leitzachkraftwerkes in Vagen (1911-13;
Gemeinde Feldkirchen-Westerham, Landkreis Rosenheim)
hat die Stadt München die Wasservorkommen noch in einer
zweiten Weise nutzbar gemacht. Zu diesem Zweck wird der
Seehamer See als Wasserspeicher benutzt - ähnlich wie der
Walchensee für das Walchenseekraftwerk. Wegen des großen
Durchlaufbedarfs wurden unterirdisch die Flußläufe von
Mangfall, Schlierach und Leitzach zugeführt (das Aquädukt
über das Schlierachtal liegt an der Südgrenze des Gemeinde-
gebietes) und der Seespiegel mit zwei Dammbauten um 3 m
höher gestaut.
Die Vielgestaltigkeit der Landschaft, aufgeteilt in Wald- und
Wiesen-, vereinzelt auch in Ackerflächen, fand ihre Entspre-
chung in einer lockeren, dezentralisierten Besiedelung. Diese
kann als Mittelstufe zwischen den konzentrierten Straßen-
und Haufendörfern der Rodungsinsel nördlich und westlich
des Taubenbergs und der Einöd-Streusiedlung südlich und
südöstlich des Taubenbergs bezeichnet werden: das Gemein-
degebiet von Weyarn hat Anteil an Streubesiedelung in Ein-
öden und an zahlreichen Kleindörfern und Kirchweilern, de-
ren Turmspitzen oftmals alleinige Fernerkennungsmerkmale
über die Moränenhügel hinweg bilden. Trotz neuerer Sied-
lungstätigkeit kann man nicht einmal bei Weyarn selbst von
einem kompakten Ort mit städtebaulichen Gestaltungen spre-
chen. Eine Besiedelungslinie ergab sich auch längs der alten
Landstraße von Holzkirchen über Darching und die Bruck-
mühle nach Weyarn, dann weiter nach Oberthalham, Pienze-
nau und Miesbach sowie entlang der Flußläufe mit ihren
Mühlen und anderen Triebwerksanlagen. Deutlich gewandelt
hat sich das Landschaftsbild am Taubenberg in den letzten
100 Jahren: ursprünglich Ausläufer der Ehgarten- oder Hag-
landschaft vom Tegernsee her, wurde das Gebiet in Hinblick

auf die Münchener Wassergewinnung mehr und mehr aufge-
forstet, so daß man mitten in den Waldungen gelegentlich
den verwilderten Obstbaumbeständen aufgelassener Hofstel-
len begegnen kann. Außer der genannten Nord-Süd-Land-
straße berühren das Gemeindegebiet zwei weitere durchflie-
ßende Verkehrsachsen, die aber topographisch ohne Einfluß
geblieben sind: die Autobahn München-Salzburg mit der
Mangfallbrücke und die Eisenbahnlinie von Holzkirchen
nach Miesbach.
Die Besiedelungszeit des Gemeindegebietes gehört zu den äl-
testen im Landkreis, wie die keltischen Befestigungsanlagen
des Oppidum bei Fentbach und die Birg bei Kleinhöhenkirchen
sowie die Turmhügel von Sonderdilching (östlich von Haus
Nr. 87) und Großpienzenau (bei Haus Nr. 18) beweisen. In sei-
nem Nordbereich nahe an den Kreuzungspunkt zweier Rö-
merstraßen heranreichend, gibt es auch Funde aus der Rö-
merzeit, eine Fibel aus Haus bei Holzolling und Münzen aus
der Zeit des Augustus und Hadrian.
Die geographische Lage am östlichen Rand der Münchener
Schotterebene zeigt sich noch in einer weiteren Eigenart.
Nördlich des Taubenbergs reicht ja diese Ebene exakt bis zur
westlichen Abbruchkante des Mangfalltales; zwischen Mün-
chen und der Mangfallbrücke nördlich Weyarns gibt es be-
kanntlich nur zwei sanfte Geländeeinschnitte, den Hachinger
Graben und den Teufelsgraben. Das waldreiche, flache Forst-
gebiet bot keine natürlichen Anreize für Befestigungsanlagen,
um so mehr jedoch das bewegte Hochufer an Mangfall und
Schlierach, besonders auf seiner östlichen Seite, als wollte
man hier das ganze offene Gebiet der Hochebene abriegeln.
Es erfolgte die Besetzung mit einer Burgenkette, wobei das
durch Senken und Quertäler bewegtere Ostufer die besseren
topographischen Gelegenheiten bot: angefangen von Mies-
bach im Süden, über Wallenburg, Pienzenau bis Weyarn, und
weiter über die beiden (linksseitigen) Burgorte Valley und Al-
tenburg bis hin zur Neuburg über Mittenkirchen bei Vagen.
Aus der letztgenannten Neuburg stammte jener Graf Sigbot
II., welcher seinen Burgsitz Wiare oder Weinkeller («cella vi-
naria») 1133 dem Erzbischof Konrad I. von Salzburg
(1106-47), dem großen Gründer und Reformator der Dom-
stifte Salzburg, Seckau, Gurk, Lavant, Herrenchiemsee, der
Chorherrenstifte Höglwörth, St. Zeno, Gars, Au, Weyarn, Sä-
hen, Reichersberg, Ranshofen zur Gründung eines Augusti-
nerchorherrenstiftes übergeben hatte. Ein tödlich ausgegange-
ner Jagdunfall seiner Frau unterhalb dieser Burg Wiare, der
Tod seines einzigen Sohnes im Kindesalter und der Tod sei-
nes Tochtersohnes im Knabenalter haben den einsam und
stammhalterlos gewordenen Grafen veranlaßt, einen neuen
zukunftsträchtigen Verwendungszweck für seine Burg zu su-
chen. Daß er diese Burg an den Erzbischof von Salzburg und
nicht etwa an den nähergelegenen Bischof von Freising, in
dessen Bistumsgebiet Weyarn ja lag, übergab, erklärt sich
wohl aus zwei Hauptgründen: das Domkapitel Salzburg lebte
selbst nach der Ordnung eines Augustinerchorherrenstiftes
und Sigbot war zum anderen der Schirmvogt über das Salz-
burger Domstift Herrenchiemsee geworden. Die Aufsicht
über die Propstwahl mit Einspruchsrecht wurde in allen fol-
genden Jahrhunderten bis ins 18.Jh. vom Salzburger Erz-
bischof und vom Domkapitel ausgeübt. Nach dem Tode des
Stifters wurde die Vogtei über Weyarn zunächst durch dessen
Schwiegersohn Graf Rudolf von Falkenstein mit hoher und
niederer Jurisdiktion übernommen; nach dem Aussterben der
Falkensteiner um 1244 übernahmen die Wittelsbacher Her-
zöge mit der Burgherrschaft Falkenstein auch die Vogtei über
das Stift und unterstellten alle Gerichtsbarkeit dem Landge-
richt Aibling. Der Name wiare = Weinkeller würde übrigens

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