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GEMEINDE OTTERFING

Die Gemeinde Otterfing nimmt den äußersten Nordwesten
des Landkreises Miesbach ein, dem sie bei der Auflösung des
Landkreises Wolfratshausen 1972 angeschlossen wurde, ge-
hört im Norden zur Münchner Schotterebene mit ihren cha-
rakteristischen, von Wäldern umschlossenen mittelalterlichen
Rodungsinseln, im südwestlichen Teil zur meist offenen vor-
alpinen Moränenlandschaft.
Otterfing
Das verhältnismäßig große Dorf Otterfing, auf 672 m Höhe
an der Bundesstraße 13 nördlich von Holzkirchen gelegen, ist
seinem Namen nach wohl eine frühmittelalterliche (bajuwari-
sche) Siedlung eines Otolf, die urkundlich allerdings erst im
11. Jh., als Pfarrort erstmals 1280, nachgewiesen werden kann.
Sie gehörte im frühen Hochmittelalter zum Sundgau-Herr-
schaftsbereich der Grafen von Wolfratshausen, die 1248 von
den wittelsbachischen Herzögen beerbt wurden.
Unter herzoglicher Verfügung stand die Pfarrkirche St. Ge-
org, womit auch die Beauftragung des Malerarchitekten und
1582 als Kunstintendant an den Münchner Hof Herzog Wil-
helm V. bestellten Friedrich Sustris (um 1540-1599) mit der
Entwurfsfertigung für den 1584 neu erbauten Otterfinger
Kirchturm zu erklären ist.
Grundherr der meisten Bauernanwesen des Dorfes war bis
1803 die Abtei Tegernsee. Schon in ihrem ältesten Urbar aus
der Mitte des 13. Jh. lassen sich 20 Otterfinger Höfe nachwei-
sen.
Um 1800 bestand das im waldreichen «Holzland» gelegene
Dorf, das dem kurfürstlichen Pfleggericht Wolfratshausen un-
terstellt war, aus etwa 40 Anwesen von bäuerlichem und
kleinbäuerlich-handwerkerlichem Charakter, die sich der
München-Holzkirchener Chaussee und den abzweigenden
Straßen nach Dietramszell und Helfendorf sowie kleinen
Dorfgassen zuordneten. Die Siedlungsgestalt des Urkataster-
blattes erinnert an ein Haufendorf, mit dem Schnittpunkt
mehrerer Straßen und Wege beim Dorfweiler als Mitte (heute
St. Georgs-Platz). Nördlich schließen sich der Pfarrhof (Im
Kirchwinkel 28, jetzt Neubau) und die ehern, herzogliche
Ortstaverne (Münchner Straße 6, Gasthof Moser, Neubau um
1900) dem dicht bebauten Ortskern an. Auffallend abgeson-
dert, am Rand, mit einem vom Dorf abgewendeten Nord-
turm, liegt die Kirche.
Wirtschaftliche Grundlage war in historischer Zeit der Acker-
bau in der meist ebenen, wohl erst im Hochmittelalter in be-
stehender Ausdehnung kultivierten Rodungsinsel, gefolgt von
Viehzucht und Waldwirtschaft.
Seit dem Anschluß an die Eisenbahn, 1857, und vor allem seit
etwa 1950, hat sich Otterfing nach seiner Wirtschafts- und Be-
völkerungsstruktur und folglich auch baulich sehr stark ver-
ändert. An die historische bäuerliche Holzblockbauweise, die
für das «Hochland» der Münchner Schotterebene typisch
war, wurde nicht mehr angeknüpft. Die großen Neubauge-
biete am Ortsrand, nochmals ausgeweitet nach dem Anschluß
des Ortes an das großstädtische S-Bahnnetz, besitzen den
Charakter von Stadtrandsiedlungen. Die Otterfinger Bevölke-
rungszahl stieg von 800 im Jahre 1925 auf 3200 1984, die Zahl
der landwirtschaftlichen Anwesen ging im Gemeindegebiet
auf über die Hälfte zurück, und die ehern. Bauernweiler Berg-
ham und Holzham, die mit dem Hauptort zusammengewach-
sen sind, zeigen kein bäuerliches Gepräge mehr. Ein inselarti-
ger Otterfinger Dorfkernrest wird anschaulich in der Bebau-
ung der östlichen Bereiche der Berghamer Straße (Nr. 7 -
Bauernhaus, Nr. 5a - ehern. Bauernhaus), der Dietramszeller
Straße (Nr. 6 - Bauernhaus von 1896, Nr. 9 und 10 - ehern.
Bauern- und Handwerkerhäuser) des St. Georgs-Platzes (Nr. 3

- ehern. Bauernhaus, Nr. 4 - Kleinhaus, alte Dorflinde, Nr. 5 -
altes «Jörgkasparhaus», vor einigen Jahren abgebrochen) so-
wie des Kölblwegs (Nr. 4 - Bauernhaus) und der Palnkamer
Straße (Nr. 6 und 7 - Bauernhäuser).
Das historische Bild der Hauptstraße des Ortes (Münchner-/
Tegernseer Straße bzw. Bundesstraße 13) ist hingegen fast völ-
lig verändert.
Trotz des reduzierten Bestandes an historischen Bauernhäu-
sern im Gemeindegebiet sind die urtümlichsten Bauten - die
Vollblockbauten - in relativ großer Zahl erhalten. Otterfing
zeigt damit seine Zugehörigkeit zur lokalen Bauernhausregion
des sog. Holzlandes, dessen Dörfer bis weit in das 19. Jh. über-
wiegend Holzbauten aufwiesen.
Kath. Pfarrkirche St. Georg, spätgotische Anlage um 1530,
Turm 1584 nach Plan von Friedrich Sustris; Teile der Fried-
hofsmauer aus Tuffquadern, wohl 17./18.Jh.
Die Kirche ist ein ansehnlicher Neubau der Zeit von 1530 mit
geräumigem Schiff und leicht eingezogenem Chor, der drei-
seitig geschlossen ist. 1584 ließ die herzogliche Regierung
nach Plänen Friedrich Sustris’ (um 1540-1599) einen Nord-
turm anbauen, dessen viereckigem Unterbau ein doppelge-
schossiges Oktogon mit Spitzhelm aufsitzt. Die östlich daran
anschließende Sakristei ist datiert 1651.
Die Apiansche Karte (um 1560) zeigt die Kirche zusammen
mit einer Burg (oder Burgruine) auf einem Hügel liegend,
während jetzt nur mehr die nicht weniger signifikante Lage
auf dem Rand einer Geländestufe - vor allem von Norden
her - wahrnehmbar ist. Auf eine Burg oder Befestigungsan-
lage kann auch das Georgspatrozinium der Kirche hinweisen,
die einen Vorgängerbau besessen haben dürfte.
Der Charakter des Inneren der Kirche, die zuletzt 1984, 1936
und 1892 restauriert wurde, ist wesentlich spätgotisch, die
Netzgewölberippen im Schiff wurden in der Barockzeit abge-
schlagen, ihre Figuration zeichnet sich noch ab. Der Hoch-
altar, von stattlichen Ausmaßen, in frühbarocken Formen
(1. Hälfte 17. Jh.), ursprünglich schwarzgold gefaßt, im 18.Jh.
farbig marmoriert und seitlich erweitert. Im Schrein Schnitz-
figur des Hl. Georg, flankiert von den Bistumspatronen Kor-
binian und Benno. Die schräg gegen den Chorbogen gestell-
ten Rokoko-Seitenaltäre um 1730. Im Chor seitlich ein weite-
rer frühbarocker Altar mit einer Nikolausfigur, um 1520, die
dem Meister von Rabenden zugeschrieben wird. Der Kreuz-
wegzyklus nachbarock, 1817.
Die Kirche ist vom Friedhof umgeben. Südlich gegenüber be-
fand sich neben der alten Dorflinde bis 1980 das alte Otterfin-
ger Gemeindehaus, südwestlich die alte Schule (Münchner
Straße 13, jetzt Gemeindeverwaltung).

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