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GEMEINDE FISCHBACHAU

Der Ort, der in Verbindung mit seinem ehemaligen Kloster
zuerst 1095 in einer Urkunde des Papstes Urban II. als «cel-
lula S. Martini, quae dicitur Vischbachoa» genannt wird, liegt
auf einer Schotterterrasse im oberen Leitzachtal in 772 m
Höhe.
Das süd-nördlich verlaufende Hochtal, dessen Fluß, die
Leitzach, sich am Westrand tief eingegraben hat, ist nach
Norden bis über das Dorf Hundham hinaus weit geöffnet,
sonst eingefaßt von bewaldeten Vorbergen, im Südosten über-
ragt von den Felsmassiven des Breitenstein (1622 m) und
Wendelstein (1838 m).
Die Besiedlung und Kultivierung des Gebietes wurde im
11./12. Jh. von den großen Maierhöfen in Fischbachau, El-
bach und Hundham und von den Schwaigen getragen, die im
Spätmittelalter häufig geteilt wurden, zuweilen im 16. und
17. Jh. eine nochmalige Teilung erfuhren, wodurch typische
bäuerliche Zwei- und Vierhöfeweiler wie Aurach, Deisenried,
Effenstätt, Gern, Oppenried, Steingraben, Trach u.a. entstan-
den sind, die sich nach der Siedlungsstruktur meist unverän-
dert erhalten haben. Seltener sind aus Teilungen hervorgegan-
gene Dreihöfeweiler.
Daneben bestehen seit dem Hochmittelalter reine Einödsied-
lungen wie Granzer, Kreit, Salmer, Wiedenbauer (Schreiern)
und die meisten Mühlen.
In den Kirchdörfern tritt das bäuerliche Element zugunsten
der Anwesen von Wirt, Kramer, Lehrer, Richter und von
Handwerkern zurück. Bei den mehr handwerklich strukturier-
ten Orten wie Dürnbach und z.T. Hundham fällt die Straßen-
dorfform der Siedlungen besonders auf. Unter diesen war
Hundham mit 30 alten Anwesen der größte Ort der Ge-
meinde.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die histori-
schen Siedlungsbilder, zu denen auch die Temporärsiedlun-
gen der Fischbachauer Almen gehören (z. B. die Bucher-, Dur-
hamer-, Holzer-, Kesselalm) sehr vielfältig und insgesamt gut
erhalten sind.
Rinderzucht im Tal und auf den Almen am Wendelstein wie
auch südlich der Gemeinde im Rotwandgebiet (siehe Ge-
meinde Bayrischzell), Holzwirtschaft, Handwerk und seit
etwa einem Jahrhundert der Fremdenverkehr, sind die tradi-
tionellen Erwerbszweige der Bevölkerung nicht nur in Fisch-
bachau selbst, sondern in der gesamten 1978 aus den früheren
Gemeinden Fischbachau und Hundham (mit dem sehr alten
Pfarrdorf Elbach) sowie Teilen der früheren Gemeinden Ni-
klasreuth und Wörnsmühl gebildeten Großgemeinde, die
kirchlich zu den Pfarreien Fischbachau und Elbach, am Auer-
berg auch zu Niklasreuth und Au bei Aibling gehört und
heute ca. 4700 Einwohner zählt.
In Süd-Nord-Richtung folgt das heutige Gemeindegebiet dem
Leitzachlauf, von dem unter der Aiplspitz an der Bayrischzel-
ler Straße gelegenen kleinen Dorf Aurach in fast zehn Kilo-
meter Länge bis zum Leitzachgrund bei Wörnsmühl und zum
Auerberg, der als ost-westlich quer verlaufender 904 m hoher
Moränenrücken die Talöffnung schließt und die Gemeinde-
grenze gegen das tief unterhalb sich ausdehnende Aiblinger
Moos und das untere Leitzachtal und Irschenberggebiet bil-
det.
Westlich gegen das Schlierseer Tal stellt der völlig bewaldete
Rohnberg (auch Schliersberg genannt; 1257 m), östlich gegen
das Inntal neben Wendelstein und Breitenstein der Schwar-
zenberg, ebenfalls ein Waldberg, eine natürliche Barriere dar.
Fischbachau
Die Geschichte des ehemaligen Klosters und des Ortes Fisch-
bachau nimmt um das Jahr 1085 erkennbare Züge an, als die
klösterliche Gründung der Gräfin Haziga von dem Ort Mar-

garetenzell (siehe Bayrischzell) etwa zwei Stunden nordwest-
wärts an den günstiger gelegenen Fischbach verlegt wurde,
wo Haziga durch Tausch ein Gut vom Freisinger Bischof er-
worben hatte.
Die zwölf Benediktinermönche, die Abt Wilhelm aus seinem
berühmten Reformkloster Hirsau in die «Zell» gesandt hatte,
konnten bei ihrer neuen Niederlassung schon 1087 die Weihe
einer Marienkirche feiern, die Bischof Meginward von Frei-
sing vornahm. Als spätere Pfarr- und jetzige Friedhofskirche
ist dieser Bau, wenn auch verändert, erhalten geblieben. Un-
ter den sieben Klöstern, die der große Reformabt Wilhelm
neu errichtete, wird Fischbachau genannt, ein Beleg dafür,
welcher Rang der Gründung zugedacht war, die 1096 zur Ab-
tei erhoben wurde und über die nach dem Tod der Stifterin
Haziga ihr Sohn Graf Otto II. die Vogtei ausübte.
Bereits 1104 endet die Fischbachauer Abteigeschichte mit ei-
ner weiteren Verlegung des vermutlich in der noch kaum kul-
tivierten und weithin unbesiedelten Gegend wirtschaftlich
nicht lebensfähigen Klosters in die verlassene Burg Eisenho-
fen auf dem Petersberg bei Dachau.
Zur endgültigen Niederlassung des Klosters wurde jedoch
zwischen 1119 und 1123 die aufgegebene Burg Scheyern des
Grafen Otto I. von Scheyern-Wittelsbach bestimmt, mit dem
Haziga in 2. Ehe verheiratet war und durch welchen sie zur
Stammutter des wittelsbachischen Fürstenhauses wurde.
Mit der Abtei Scheyern, die als Hauskloster und Grablege der
Wittelsbacher zu großer Bedeutung gelangte und noch heute
besteht, war die Geschichte von Fischbachau bis 1803 eng ver-
bunden. Denn als Propstei Fischbachau, welche der Abtei un-
terstellt war sowie als eine zwar innerhalb des kurfürstlichen
Landgerichts Aibling gelegene, doch in grundherrschaftlicher
und wirtschaftlicher Hinsicht von Scheyern abhängige Klo-
sterhofmark (der die nachgeordneten Scheyerner Hofmarken
in Bayrischzell und Berbling bei Aibling angeschlossen wa-
ren) hatte die Gründung der Gräfin Haziga bis zur Säkularisa-
tion Bestand.
Wirkte die Abtei im 18. Jh. in der Regel auch nur mit zwei Pa-
tres in Fischbachau, so barockisierte sie doch glanzvoll die ro-
manische Basilika, förderte intensiv, und nicht zuletzt im wirt-
schaftlichen Interesse, die aufblühende Marienwallfahrt im
nahen Birkenstein (siehe S. 62) und trug so zur Ausgestaltung
der barocken Sakrallandschaft bei, die sich zwischen den bei-
den Fischbachauer Kirchen, der Wallfahrtskirche, der Bay-
rischzeller Kirche und zwischen den Kapellen und Bildstök-
ken im Tal bei den Höfen, am Berg bei den Almen und auf
dem Gipfel des Wendelstein entfaltete.
Vom ältesten Siedlungsbild des Klosterortes Fischbachau ist
nur die unverändert gebliebene Lage der beiden im 11. Jh. ge-
gründeten Kirchen bekannt. Die mittelalterlichen Klosterge-
bäude, die 1492 durch Brand beschädigt worden waren, dürf-
ten sich bereits auf dem Platz an der Südseite der Martinskir-
che befunden haben, auf dem 1733/34 die neue Propstei er-
baut wurde.
Trotz der etwa 1890 einsetzenden neueren Bebauung längs
der Straßen nach Birkenstein und Bayrischzell ist die histori-
sche Ortsstruktur von Fischbachau erhalten oder noch an-
schaulich. Vor allem blieb den quer zur Talrichtung gelager-
ten beiden Kirchen die eindrucksvolle Fernwirkung nach
Norden belassen. Westlich der Propstei und der beiden Kir-
chen mit dem Friedhof befand sich bis in die jüngste Zeit aus-
schließlich der schon 1315 in den Urkunden genannte Maier-
hof (Hauptstraße 4), der als ganzer Hof und Schwaige be-
trächtlichen Umfang hatte. Mit dem Bau eines neuen Pfarrho-
fes (St. Martin-Straße 5) vor einigen Jahren ist das historische
Grundrißbild des Ortes an dieser Stelle gestört worden.
Von den weiteren acht alten Fischbachauer Anwesen sind vier

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