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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

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Kern, Ulrich: Die Zweifel des Anwalts - mehr Fragen als Antworten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0076

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Entscheidende Voraussetzung ist, die Markt-
realität wahrzunehmen. Und die umfaßt weit-
aus mehr als das, was man unter Markt im
üblichen, engen Sinne des Wortes versteht.
Sehr, sehr viele Einflüsse sind wichtig: Wissen-
schaft, Technologie, Organisation, Ökologie,
Kultur...

Es kommt darauf an, diese Realität zu sehen,
sie zu analysieren, das Relevante zu erkennen
und auszuwählen, es einzubauen in die eige-
nen Strategien. Diese umzuwandeln in Produkt-
konzepte, dabei möglichst auch die Nase vorn
zu haben und wichtige Entwicklungen vorweg-
zunehmen - das ist das Herzstück. Der Prozeß
kulminiert in der konkreten Umsetzung in Pro-
dukte. Aber auch die Markteinführung ist noch
Teil des Prozesses. Und natürlich ist er damit
nicht zuende - sondern beginnt immer wieder
von neuem. (Abb. 5)

Im folgenden Kapitel wird - als der Versuch
einer Antwort auf die eben aufgeworfenen
Fragen - das Relationale Struktur-Modell
als Grundlage für Design vorgestellt.

7. Das Relationale Struktur-Modell

Das Relationale Struktur-Modell stellt Design in
einen unternehmerischen und gesellschaftli-
chen Kontext. Die drei wesentlichen Elemente
- Markt, Produkt, Unternehmen - werden zuein-
ander in Beziehung gesetzt. Man geht davon
aus, daß dieses Modell sich im Idealfall im
Gleichgewicht befindet, wobei die Akzeptanz der
am Wirtschaftsprozeß Beteiligten im Zentrum
der stabilisierende Faktor ist. (Abb. 6)

7.1 Die Unternehmen-Markt-Beziehung

Der Wettbewerb vollzieht sich nicht mehr aus-
schließlich im Vergleich der Produkte.

Zu homogen ist das Angebot, zu dominant die
Merkmale des Käufermarktes und zu eng die
Vertriebskanäle. Vor allem aber die eklektischen,
d. h. wenig originären, Merkmale der Produkte
machen sie austauschbar. Und so wird der
Wettbewerb künftig mehr und mehr ausgetra-
gen über andere Attribute, die über die eigentli-
chen Produkteigenschaften hinausweisen: näm-
lich die Architektur der Gebäude, die Wertigkeit
der Produkte, ihre Gestaltung, das Design der
Kommunikation, das Image des Unternehmens
und seine Glaubwürdigkeit.

Als ein Beispiel sei auf die Architektur von Vitra,

etwa das Stuhlmuseum, hingewiesen. Durch
derart herausragende Leistungen artikuliert das
Unternehmen seine Wertvorstellungen zur
Kultur.

Langfristig werden sich Unternehmen insgesamt
neu orientieren und zu einem offeneren System
finden müssen.

7.2 Die Markt-Produkt-Beziehung

Die nächste Relation, die Markt-Produkt-Bezie-
hung, wird heute bestimmt durch:

1. eine extrem gestiegene Komplexität
der Produktion,

2. die hohe Komplexität der Produkte selbst
und

3. die ihres Vertriebs.

Die Risiken neuer Produkte liegen heute nicht
nur in der Beherrschbarkeit der komplexen Pro-
duktion, in den immer höheren Investitionen, der
problematischen Ökologie, sondern auch in der
Unkontrollierbarkeit des Massenkonsums und
seinen Folgen.

Ein Beispiel: Durch die Elektronik werden die
Produkte immerfunktionsreicher, leistungsfähi-
ger und zugleich unüberschaubarer in der An-
wendung - für die Verbraucher dadurch eigent-
lich immer unplausibler. Die Korrespondenz
zwischen Markt, also dem Nutzer, auf der ei-
nen und dem Produkt, seiner Produktkultur und
dem gesamten Nutzungskontext auf der ande-
ren Seite kommt daher eine neue Bedeutung
zu.

Auch ist eine Neu-Interpretation des Begriffes
Innovation - im Sinne des Strebens nach Schaf-
fung von Archetypen - eine spannende Heraus-
forderung. Geht es doch darum, für unterschied-
lichste Gebrauchssituationen Produkte zu ge-
stalten, die bei zeitlicher und räumlicher Gleich-
zeitigkeit funktionieren müssen. Als neue
Handlungsmaxime der Produktentwicklung muß
gelten: Souveräne Produkte in Hinsicht auf ihre
gestalterischen Merkmale und ihren gesell-
schaftlichen Nutzen sind zu schaffen.

Als Beispiel sei hier die Anzeige des Auto-
produzenten Opel erwähnt. Opel stellt hier dem
Markt nicht die Leistungsmerkmale eines sei-
ner Fahrzeuge dar. Präsentiert wird die Leistüng,
die hinter der eigentlichen, also der zu verkau-
fenden Leistung des Produkts, steht. Das Un-
ternehmen zeigt Verantwortung für das Produkt
und dessen Konsequenzen für Mensch und
Umwelt.

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