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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

DOI Artikel:
Funke, Rainer: Statement im Arbeitskreis "Alternative Ausbildungskonzepte im Design"
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https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0157

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Wolfgang Jonas

Design, Ethik
und Systemdenken -
Thesen zur Arbeitsgruppe
"Mehr Kompetenz durch er-
weiterte Kooperationsräume 1'

1) Design hat ein Problem.

Die eingängige Dekadeneinteilung (50, 60, 70,
80, ...)funktioniert nicht mehr. Wir schreiben
schon 1994, aber es gibt immer noch kein ak-
zeptiertes disziplinäres Selbstbild für die 90er
Jahre:

- Produktsemantik: Begrenzt, ein Strohfeuer?

- Öko-Design: Zu reduziert, gleichzeitig zu um-
fassend, zu komplex. Die Folge: Ratlosigkeit bis
Zynismus.

- lnfo-/lnterface-Design: Ja. Aber ist das alles
und können wir das allein?

Das Fremdbild wird weiterhin bestimmt durch
die Hochglanzberichterstattung über die „schö-
nen Dinge“.

Die Beruhigungsstrategie: „Wir sind die Anwäl-
te der Nutzer und verhindern die Auswüchse der
Technik, etc. „ funktionieren nicht mehr.

Die Folge: Selbstzweifel. Es dämmert die Ein-
sicht, selbst Teil des Problems „Krise der
Industriegesellschaft“ zu sein.

Und nun also Ethik?

2) Ethik ist der falsche Ansatz.

Die inflationäre Rede über Ethik (nicht nur im
Design) deutet auf Ratlosiakeit in der Praxis
angesichts:

- der Explosion der Potentiale der Machbarkeit,

- der zunehmenden Zweifel am Nutzen des
Machbaren.

neue Ethik

Abb. 1: Bessere Praxis durch eine neue
(Design-) Ethik?

Aber: Ethik (praktische Philosophie) als Refle-
xion über Maximen des Handelns setzt Hand-
lungspraxis voraus. Ethik folgt der Praxis und
Ethik beeinflußt nachfolgende Praxis.

Ethik ist nur als Komponente dieses Zyklus sinn-
voll zu betrachten. Die Frage ist also umfassen-
der, im Rahmen der Frage nach Desian-Theo-
rie zu stellen.

Design kann auf Dauer mit der „Brandrodungs-
Mentalität“ seiner kleinen „Dekaden-Theorien“
als ernstzunehmende Disziplin mit akademi-
schem Anspruch nicht bestehen. Es ist ein um-
fassenderer Theorierahmen erforderlich.

3) Systemtheorie als begrifflicher Rahmen.

Hier werden einige denken: „Systemtheorie?
Das hatten wir doch schonmal. Bitte nicht noch
einmal!“

Zur Klarstellung:

Es geht nicht um eine Neuauflage der Kyber-
netik-Gläubigkeit der 50er, 60er und frühen 70er
Jahre. Schon die Heterogenität der heutigen
Ansätze macht dies unmöglich. Es gibt neben
der „klassischen“ Systemtheorie und Kyberne-
tik (WIENER, ASHBY, ...):

- die Theorie der dissipativen Nichtgleich-
gewichtssysteme (PRIGOGINE),

- die Theorie der Hyperzyklen
(EIGEN / SCHUSTER),

- die Theorie der Autopoiese
(MATURANA/VARELA),

- die Theorien der Selbstorganisation,

- die Chaostheorien,

- die operative Erkenntnistheorie
(VON FOERSTER),

- die soziologischen Systemtheorien
(LUHMANN),

- u.v.a.m.

bessere Praxis

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