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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 2.1898

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Stahl, Fritz: Ein modernes Warenhaus in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6385#0068

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Ein modernes Warenhaus in Berlin.

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kehr mit dem Publikum
dienen, vertragen ja keine
reiche Ausstattung. Wo
wir sie finden, pflegt sie
in ästhetischer und in prak-
tischer Hinsicht zu stören.
Messel hat sich darauf be-
schränkt, auf gute Form
und Farbe in den Regalen,
Schränken und Laden-
tischen zu sehen. Nur die
Säulenkapitelle zeigen
überall Zierformen, die mit
reicher Phantasie variirt
sind und die auch in diesen
Räumen das Gefühl wach-
halten, dass künstlerische
Empfindung diesen Nutz-
bau gestaltet hat.
Ueber die praktischen
Anlagen des weiteren zu
sprechen, würde über den
Zweck dieser Zeilen hinaus-
gehen, die ja wesentlich
der künstlerischen Lösung
der Aufgabe gelten. Aber
es müssen doch ein paar
Worte gesagt werden, um
die Vielen zu beruhigen, die
bei dem Wort künstlerisch
immer gleich an eine geniale Fahrigkeit
dem Praktischen gegenüber zu denken
pflegen. Die Kunstanschauung, die auf
Semper's Lehren beruht und die jetzt zur
Herrschaft zu kommen beginnt, kennt —
das muss so oft wie möglich gesagt werden
— eine solche Unterscheidung nicht, und
sie wird niemals einen Künstler krönen, der
seine Wirkungen auf Kosten der Brauch-
barkeit eines Gegenstandes erreicht.
Mit einem feinen Tric ist übrigens die
Maschinenanlage für elektrische Kraft heran-
gezogen, um dem Ganzen die moderne Note
zu geben. Die Dynamomaschinen sind, nicht
ohne Schwierigkeit, an die Rückseite des
Hauses herangezogen und werden hinter
mächtigen Spiegelscheiben sichtbar. Der
Verstand sagt sich zwar, dass sie eigentlich
mit dem, was im Hause vorgeht, nichts zu


Anlauf der Jlaupt-Trcppc.

Arcli.: A. MESSEL.

thun haben, da sie ja nicht dazu dienen, die
Waren herzustellen, die man da verkauft.
Aber sie wirken auf die Stimmung mit
ihrem Sausen und Surren und ihren rasend
schnell sich drehenden Rädern. Es ist
etwas Symbolisches drin: dieser Handel und
diese Maschinen sind demselben Jahrhundert
entsprungen. Die Idee wäre Octave Mouret's,
des Besitzers des »Au Bonheur des Dames«
in Zola's Roman würdig: diese Maschinen
sind ein Mittel mehr, die Nerven der Käufer
zu reizen.
Die elektrische Kraft beleuchtet das
Haus. Dabei ermöglicht die eigene Anlage,
einen Luxus mit Licht zu treiben, der beim
Bezug von einer Gesellschaft etwas kost-
spielig werden dürfte. Sie treibt ferner die
Aufzüge, die Personen-, die Waren- und die
Schaufenster-Aufzüge. Die Personen-Aufzüge

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