270
Rudolf Klein.
Es ist dies in der Lithographie ebenso bei
ihnen wie in der Radirung: alle gleich gut,
alle sehr miteinander verwandt! Die Blätter
könnten fast alle von Einem sein! Ueberall
ein feines, aber begrenztes Gefühl für Stil
und Stimmung, das mit den gleichen, sehr
zum Dekorativen neigenden Mitteln gestaltet
wird. Sind die Karlsruher vornehmlich
Landschafter, so die Berliner Porträtistcn.
Unter ihnen fällt vor allem Fechner's vor-
zügliches Porträt Gerhard llauptmann's auf,
in dem die ganze Seele dieses eigenartigen
Dichters von leisem Schmerz bewegt erzittert.
Von den Dresdenern sei der ausgezeichnete
Thierzeichner Müller hervorgehoben, von
Wiesbadenern Storni von Gravesaude, ein
Niederländer, der gesundheitshalber seit
einigen Jahren in Wiesbaden lebt, ein Land-
schafter, dessen Technik den pikanten Reiz
des Unfertigen aufweist, den wir an der
Kohlezeichnung lieben. Unter den Münchener
Lithographen ist neben Greiner der
allzusehr in Klinger's Fussstapfen geht -
vor allem Burger zu nennen, dessen mit
französischer Grazie gezeichnete Blätter ein
feines Verständniss für den Patschoulireiz
kleiner Halbweltlerinnen aufweist. Düssel-
dorf ist gering, aber gut vertreten mit dem
ideenreichen Frcntz, dem meisterhaften De-
tailzeichner A. Kampf und den stimmungs-
vollen Landschaftern Jcrnbcrg und E. Kamp/.
Die dritte Abtheilung umfasst das Plakat,
das vorläufig den aktuellsten, weil am
meisten praktisch zu verwendenden Theil der
dekorativen Kunst ausmacht. Es leitete die
neuen dekorativen Bestrebungen ein. Ob-
gleich in erster Linie vom Handel oder
vielmehr vom öffentlichen Leben überhaupt
angeregt, ist es seiner Erscheinung nach bei
weitem nicht, wie mancher glauben möchte,
die Schöpfung der Willkür oder des blossen
Bedürfnisses, sondern eben die Blüthe vor-
geschrittenster Kulturentwickclung in der
bildenden Kunst. Zu Anfang dieser Be-
sprechung habe ich d;irauf hingewiesen, dass
jede Kunstphase mit physiologischer Noth-
wendigkeit aus der vorhergehenden sich
entwickelt in Inhalt und Ausdruck und so
ist es mit dem Plakat, das den organischen
Uebergang vom Naturalismus zur modernen
Kunst bildet und den Anfang eines modernen
Monumentalstils, der dem Naturalismus fehlte.
Rudolf Klein.
Es ist dies in der Lithographie ebenso bei
ihnen wie in der Radirung: alle gleich gut,
alle sehr miteinander verwandt! Die Blätter
könnten fast alle von Einem sein! Ueberall
ein feines, aber begrenztes Gefühl für Stil
und Stimmung, das mit den gleichen, sehr
zum Dekorativen neigenden Mitteln gestaltet
wird. Sind die Karlsruher vornehmlich
Landschafter, so die Berliner Porträtistcn.
Unter ihnen fällt vor allem Fechner's vor-
zügliches Porträt Gerhard llauptmann's auf,
in dem die ganze Seele dieses eigenartigen
Dichters von leisem Schmerz bewegt erzittert.
Von den Dresdenern sei der ausgezeichnete
Thierzeichner Müller hervorgehoben, von
Wiesbadenern Storni von Gravesaude, ein
Niederländer, der gesundheitshalber seit
einigen Jahren in Wiesbaden lebt, ein Land-
schafter, dessen Technik den pikanten Reiz
des Unfertigen aufweist, den wir an der
Kohlezeichnung lieben. Unter den Münchener
Lithographen ist neben Greiner der
allzusehr in Klinger's Fussstapfen geht -
vor allem Burger zu nennen, dessen mit
französischer Grazie gezeichnete Blätter ein
feines Verständniss für den Patschoulireiz
kleiner Halbweltlerinnen aufweist. Düssel-
dorf ist gering, aber gut vertreten mit dem
ideenreichen Frcntz, dem meisterhaften De-
tailzeichner A. Kampf und den stimmungs-
vollen Landschaftern Jcrnbcrg und E. Kamp/.
Die dritte Abtheilung umfasst das Plakat,
das vorläufig den aktuellsten, weil am
meisten praktisch zu verwendenden Theil der
dekorativen Kunst ausmacht. Es leitete die
neuen dekorativen Bestrebungen ein. Ob-
gleich in erster Linie vom Handel oder
vielmehr vom öffentlichen Leben überhaupt
angeregt, ist es seiner Erscheinung nach bei
weitem nicht, wie mancher glauben möchte,
die Schöpfung der Willkür oder des blossen
Bedürfnisses, sondern eben die Blüthe vor-
geschrittenster Kulturentwickclung in der
bildenden Kunst. Zu Anfang dieser Be-
sprechung habe ich d;irauf hingewiesen, dass
jede Kunstphase mit physiologischer Noth-
wendigkeit aus der vorhergehenden sich
entwickelt in Inhalt und Ausdruck und so
ist es mit dem Plakat, das den organischen
Uebergang vom Naturalismus zur modernen
Kunst bildet und den Anfang eines modernen
Monumentalstils, der dem Naturalismus fehlte.